Hobbygriller ermitteln Stadtmeister

Zwölf Teams sind gestern Nachmittag angetreten, um am Rost den besten Wurst- und Fleischgriller der Stadt zu finden.

Zum Sommer gehört der Grillabend einfach dazu. Vor allem unter jungen Leuten ist das Freiluftkochen am heißen Rost sehr beliebt. Dabei ist man durchaus ambitioniert, wie bei der 2. inoffiziellen Stadtgrillmeisterschaft am Stadtstrand in Cannstatt zu beobachten war.

Die Jury war nicht mit allem zufrieden. Die längs halbierte Möhre war noch hart, obendrein trocken und wurde wohl einfach nur auf den Grill gelegt, statt in Alufolie eingewickelt langsam zu garen. Das gab eine schlechte Note auf dem Bewertungszettel unter dem Punkt „Geschmack der Beilage“. Bei den anderen Benotungskriterien wie dem Aussehen des Gesamtgerichts, die optische Garstufe des Entrecots oder dessen Bissfestigkeit sah es hingegen gar nicht so schlecht aus. Eingereicht wurde das Gericht in der Kategorie „Fleisch“ bei der am gestrigen Nachmittag ausgetragenen, inoffiziellen 2. Stuttgarter Stadtgrillmeisterschaft vom Team „Die Foliengriller“. Das besteht aus vier jungen Männern, die aus dem Bezirk Münster kommen, sich schon von Kindesbeinen an kennen und privat eigentlich eher wenig selbst kochen. Allerdings sind sie begeisterte Griller, vor allem mit Holzkohle. Im letzten Jahr haben sie es mit ihren Kreationen sogar auf Platz fünf geschafft. Gestern mussten sich die insgesamt zwölf Teams aber am Grillen mit Gas versuchen.

Ausgesucht wurden die Teilnehmer von den Veranstaltern, einer Stuttgarter Eventagentur. „Entscheidend war die Präsentation der Teams bei der Bewerbung im Internet,“ sagte Projektleiter Christian List. Ein pfiffiges Foto, ein lustiger Name und schon kann es losgehen. Der Veranstalter stellte den Teams einen gasbetriebenen Grill und einen üppig gefüllten Warenkorb. Darin befanden sich neben diversen Gemüsesorten wie Champignons, Zucchini und Paprika auch zwei Kilo Rindfleisch sowie 15 Rote und 15 Bratwürste. Ein türkischstämmiges Team bat um Geflügelwurst, was problemlos erfüllt wurde. Selbst mitbringen konnten die Teilnehmer Marinaden, Saucen zum dippen oder was ihnen sonst noch einfiel und das war einiges. Von der Kreativität einiger Teams zeigte sich selbst der Profi überrascht. 

Chris Reich ist hauptberuflicher Griller und tourt durch den deutschen Südwesten, um vor Supermärkten die Kundschaft auf den Geschmack zu bringen. Er war am Sonntag eingeladen, um dem Publikum seine Künste auf einer Showbühne zu präsentieren. „Die Amateure haben immer wieder sehr witzige Ideen,“ sagt er. Soeben hatte er als Juror eine Currywurst Hawai verkostet, bei der der Klassiker noch mit gegrillter Ananas aufgepeppt wurde. Einschränkend muss er aber hinzufügen, dass anders als bei den echten Profi-Wettbewerben am Sonntag keinerlei Beschränkung bei der Wahl der Mittel herrschte. Angesprochen auf die Frage, ob das Grillen mit Gas nicht eigentlich eine Paradoxie sei, weil ja gerade der spezifische, rauchige Geschmack nicht erzeugt werden kann, erläutert Reich seine Grillphilosphie. Er selbst bevorzugt ungeköhlerte amerikanische Harthölzer, die einen sehr milden und spezifischen Rauchgeschmack auf das Grillgut übertragen. Das Gute an Gas sei allerdings, dass man schön langsam und optimal temperiert vorgehen könne. Gewisse Gemüse seien außerdem eher schwach im Eigengeschmack und würden auf Holzkohle nur noch rauchig schmecken. Ansonsten sieht er diese Grundsatzdiskussion entspannt und ist eher darauf erpicht, auf den weit verbreiteten Kardinalfehler von Otto-Normal-Griller, Fleisch und Gemüse über statt neben der Flamme zu grillen, hinzuweisen. Durch die Fettverbrennung entstehen zu viele, vermutlich Krebs erregende Stoffe, die mitzuessen schlicht gesundheitsgefährdend ist. Die meisten Produktionen der Teams sahen allerdings recht ansehnlich aus, kaum verkohlte Sachen dabei. Die am Nachmittag anschwellende Publikumsschar nutzte denn auch reichlich die Chance zu probieren, denn der Warenkorb ging nur zu einem kleinen Teil an die Jury. Der Rest wurde frei verteilt und die Griller sahen mit Vergnügen, wie ihre Kreationen reichlich Abnehmer fanden.

www.stadtgrillmeisterschaft.de

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Hobbygriller ermitteln Stadtmeister

Profitieren vom Bioboom

Der Erfolg der zweiten Slow Food Messe zeugt von der gestiegen Nachfrage nach Bioprodukten. Auch Gastronomen scheinen davon zu profitieren.

Der Trend zu Bioprodukten und nachhaltig produzierten, regionalen Lebensmitteln ist ungebrochen. Das wurde am letzten Wochenende erneut auf der zweiten Slow Food Messe deutlich, die mit etwa 50.000 Besuchern aus allen Nähten platzte. Die Halle auf der Neuen Messe am Stuttgarter Flughafen verwandelte sich mit den an über 300 Ständen angebotenen, zumeist regionalen Spezialitäten in einen riesigen Feinkostladen. Aber auch einige Gastronomen und Hoteliers präsentierten sich dem genussfreudigen Publikum. Darunter Inge Tresse vom Bio-Hotel Rose aus Hayingen auf der Schwäbischen Alb. Seit fünf Jahren ist das 24-Bettenhaus mit Restaurant, Catering und Tagungsgeschäft zu 100 Prozent auf Bio umgestellt. Der Prozess gestaltete sich relativ unkompliziert, weil der Familienbetrieb schon seit den 50er Jahren von Demeter zertifiziert war. „Wir profitieren jetzt eindeutig vom Bioboom,“ sagt Frau Tresse, die über 70 Mitarbeiter beschäftigt und in diesem Jahr selbst im ansonsten schwachen Februar zu 65 Prozent ausgelastet war. Trotz eines unbestreitbar höheren Materialansatzes, der teilweise weitergegeben werden muss, kommen viele gesundheitsbewusste ältere Gäste. Selbst junge Familien schreckt das höhere Preisniveau nicht ab. 

Als Besucher haben sich Christine und Manfred Pferdt auf der Messe umgesehen. Die Gastronomen aus Leutkirch im baden-württembergischen Allgäu wollten sich über aktuelle Trends und Innovationen informieren. Mit ihrem Brauerei-Gasthof Mohren engagieren sie sich seit Jahren in der lokalen Slow-Food-Bewegung und freuen sich jetzt über die Erträge der Lobbyarbeit. „Vor allem kommen in der letzten Zeit immer mehr jüngere Leute,“ weiß Manfred Pferdt zu berichten. Entscheidend sei es dabei gewesen, konsequent auf die regionale Schiene zu setzen. Allerdings müsse sich bei vielen Gästen noch in den Köpfen festsetzen, dass man für wenig Geld auch nur eine schlechte Leistung erhalte. Steter Tropfen höhlt allerdings den Stein nachhaltig. „Wenn man das Vertrauen aufgebaut hat, dann akzeptieren die Gäste die höheren Preise,“ meinte Pferdt.

Von dem gestiegenen Interesse an regionaler Küche profitieren auch Hersteller von etwas ausgefalleneren Spezialitäten. So erlebt zurzeit die Weinbergschnecke eine wahre Renaissance. Gleich zwei Hersteller präsentierten auf der Messe ihre fettfreien und eiweißreichen Produkte. Seit zwei Jahren im Markt ist das Unternehmen Escargots aus dem brandenburgischen Kleinmachnow. Auf einigen Hektar Freilandfläche wächst die heimische Helix Pomantia heran, wird im Sommer geerntet und dann als Tiefkühlware zu 70 Prozent in der Gastronomie vermarktet. „Vor allem im gehobenen Segment gab es einen regelrechten Boom,“ meint Jan Kickinger, der die Idee vor ein paar Jahren aus Frankreich mitbrachte. 

Von den Folgen des Booms kann das Unternehmen Bionade, das ebenfalls mit einem Stand auf der Messe präsent war, ein Lied singen, denn in der Vergangenheit wurde man zeitweise vom eigenen Erfolg überrollt. Etwa ein Drittel der Softdrinks geht inzwischen in die Gastronomie und nicht nur in Szene- und Studentenlokale. „Die traditionelle Gastronomie zieht jetzt nach,“ sagte Sibylle König, Vertriebsleiterin im Südwesten. Immer mehr wollen offensichtlich vom Wachstum profitieren.

 

[Artikel für die AHGZ]

Profitieren vom Bioboom

Mehr Menschen den schlechten Geschmack verderben

Ein eigenes Kontrollsystem hat auf der Slow Food Meese verhindert, dass manipulierte Lebensmittel angeboten wurde

Der Trend nach gesunden, unverfälschten Lebensmitteln scheint ungebrochen. Davon profitierten am Wochenende die Veranstalter der Slwo Food Messe. Mit eigenen Kontrollen wurde für die Einhaltung der strengen Kriterien gesorgt.

Am Wochenende drängten sich etwa 50.000 genussfreudige Besucher durch die Slow Food Messe. Unter dem Motto „Markt des guten Geschmacks“ konnten sie sich über die kulinarischen Angebote von über 300 Ausstellern informieren, die vor allem regionale Spezialitäten präsentierten. Darunter waren so seltene Produkte wie Rehsalami, schwäbische Weinbergschnecken oder Chillihonig. Alle Anbieter mussten sich vor Beginn der Messe verpflichten, eine Ausstellerordnung mit detaillierte Vorschriften zu erfüllen, welche Herstellungsverfahren und Inhaltsstoffe bei den feilgebotenen Produkten erlaubt sind. Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Verdickungsmittel, Konservierungsstoffe – all das war Tabu. 

Für die Prüfung der Anträge sowie die Einhaltung der Vorgaben auf der Messe selbst waren zwei Experten von Slow Food Deutschland zuständig. Der Chemiker Hans Kniepkamp und der pensionierte Werbemanager Hans-Werner Bunz sind seit Jahren in der Organisation tätig und haben die Prinzipien ausgearbeitet. „Wir wollen die Wahrhaftigkeit des Geschmacks durchsetzen,“ sagt Kniepkamp. Bei Luxusuhren oder Modeaccessoires wollten die Kunden ja auch das Original und nicht die gefälschten Kopien. Da es aber aufgrund der besonderen Bedingungen bei der industriellen Großproduktion von Lebensmitteln zu Einbußen beim Geschmack kommt, müssten die Hersteller auf die biochemischen Tricks der Fooddesigner zurückgreifen. Diese verfälschen den authentischen Geschmack der Ausgangsprodukte, von den bisher allerdings nicht nachweisbaren Gesundheitsrisiken einmal ganz abgesehen. Denn nach dem Lebensmittelrecht sind diese Methoden erlaubt. Wer allerdings geräucherte Wurstwaren kauft, möchte eigentlich schon, dass diese in der Räucherkammer gedörrt und nicht mit einer Rauchdusche auf aromatisch getrimmt wurden. 

Vor solchen Tricks schütze das Bio-Siegel allein nicht, so die Prüfer. Das sage im Grunde nur, dass die Produktionshilfsstoffe ebenfalls aus biologischem Anbau stammen. Dem Geschmack wurde trotzdem auf die Sprünge geholfen, was nach Meinung der Slow-Food-Experten langfristig zu einer sensorischen Verarmung der Verbraucher führt. Seine Kinder hätten sofort gemeckert, als er privat auf Slow Food umgestellt habe, berichtet Hans-Werner Bunz. „Papa, du hast uns den Geschmack versaut!“ hätten sie gejammert. Bunz amüsiert das, zeigt ihm aber, dass er mit seinen Aktivitäten auf dem richtigen Weg ist. „Wir wollen mehr Menschen den schlechten Geschmack verderben,“ sagt er. 

Rund zehn Prozent der vorgeschlagenen Lebensmittel wurden gar nicht erst zur Messe zugelassen. Auch während der Veranstaltung sind die Experten bei Stichproben fündig geworden. Laborkontrollen konnten keine durchgeführt werden, man hat sich auf die auf den Etiketten deklarierten Angaben verlassen. „Totale Kontrolle ist nicht machbar,“ sagt Hans Kniepkamp. Die Aussteller hätten einen gewissen Vertrauensvorschuss verdient. Moniert wurden unter anderem ein paar Balsamico-Essige, bei denen mit Zuckerfarbstoff nachgeholfen wurde. Der italienische Edelessig ist besonders anfällig für Manipulationen, dauert doch die Herstellung des Originalprodukts mindestens ein Jahrzehnt, bis aus dem vergorenen Wein die dunkelbraune, fruchtig-süßliche Essenz entsteht. Für ein Zehntel-Liter-Fläschchen sind dann schon mal 80 Euro im Laden fällig. Zwar behaupten die Hersteller der handelsüblichen Produkte nicht, diese Herstellungsmethode verwendet zu haben, dann dürften sie sich mit dem Titel Aceto Balsamico Tradizionale schmücken, aber bezüglich Farbigkeit und Konsistenz wollen sie in drei Monaten Herstellungszeit so nah wie möglich an das Original herankommen. Ohne Einsatz von Hilfsmitteln geht das nicht. Auf der Slow Food Messe konnten sie allerdings damit niemandem den Geschmack verderben.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Mehr Menschen den schlechten Geschmack verderben

Das Gute liegt so nah bei der Messe Lust auf Genuss

Auf der Neuen Messe hat die Lust auf Genuss Premiere. Die Messe bietet eher bescheidene kulinarische Erlebnisse

Die neue Messe „Lust auf Genuss“ präsentiert seit gestern eine Halle voll mit kulinarischen Erlebnissen. Ein Streifzug durch die mit Winzern, Chocolatiers und Pfannenverkäufern gefüllte Halle ergab: Genuss kostet viel und einiges hält weniger als es verspricht. Es sei denn, es kommt aus der Region. 

Der gute alte Senf ist auch nicht das was er mal war. Ist wohl einfach nicht scharf genug. Deshalb gibt es am Stand von TimRott Chili-Senf. Schärfe ist schließlich nicht gleich Schärfe. „Senfschärfe spürt man in der Nase, Chili eher im Hals,“ sagt der nette Mensch, der Kostproben des Sortiments auf kleinen bestrichenen Weißbrotstückchen feil bietet. Die Leute greifen zu, sind neugierig auf neue Genüsse. Zu lange hat man sich mit plumpem Mampfen abgegeben, jetzt darf es auch was kosten, die kulinarische Weltreise. Der Viertelliter eines südmarrokanischen Öls aus der Arganafrucht geht für 25 Euro über den Tisch und schmeckt wie Öl halt so schmeckt. Das handtellergroße Steak vom Fleisch des Wagyu-Rinds aus amerikanischer Züchtung kommt mit Pappteller auf den Stehtisch und hält nach Meinung von Bernd Seemann nicht, was der Apotheken-Preis verspricht. „Schmeckt schon besonders, ist aber für 17,50 zu teuer,“ sagt er. Mit seinem Freund ist der 59-jährige Kaufmann aus Reutlingen auf die Messe gekommen und ist nicht begeistert. Einen Satz Kochmesser wollte der „nicht ambitionierte Amateurkoch“ sich besorgen, aber die gibt es hier nicht. Vom Angebot der „Lust auf Genuss“ ist er enttäuscht und wird sich einen zukünftigen Besuch gut überlegen.

 Auf ihre Kosten kommen auf jeden Fall die Freunde regionaler Weine. Die ganz cleveren kaufen sich schon am Eingang ein Probierglas wahlweise mit Extrabändel zum Umhängen. Dann kann man am großen, modernen Gemeinschaftsstand der Werbegemeinschaft Württembergischer Weingärtnergenossenschaften die Produkte von 24 Winzern testen. Die werden immer besser, vor allem der Rotwein, meint der Geschäftsführer Kurt Huber, der sich über wachsenden Absatz außerhalb des Landes freut. Trotzdem hat er hier ein Heimspiel, denn hierzulande wird nicht nur fast doppelt so viel Wein pro Kopf getrunken wie in der Restrepublik, sondern vor allem dem eigenen Gewächs den Vorzug gegeben: 70 Prozent der Produktion bleibt im Land.

Schade, dass man in hiesigen Regionen keinen Kakao anbauen kann, wäre bestimmt ein Riesenerfolg. Denn wie der Wein, wird jetzt auch die Schokolade ein sortenreines Produkt, bei dem auf Herkunft und Sorte geachtet wird. „Grand Cru“ heißt denn auch in Anlehnung an die Weinwelt eine Produktreihe der Firma Beschle, die der Online-Händler Chocolat de Luxe an seinem Stand anbietet. Das Wissen um die Lage der Pflanzung, der Kakaosorte, des Jahrgangs und der Aromen, die die umgebenden Pflanzen an die Früchte des Schattengewächses abgeben, machen aus dem gemeinen Nascher einen lutschenden Genussmenschen.

Die scheinen auch gerne ganz dicke Autos zu lieben. So präsentiert sich die Firma Rich-Prosecco vor einer schwarzen extralangen Stretchlimousine der Marke Hummer. Wild Passion, Kir Royal und Klassik heißen die drei Sorten des beliebten Italo-Sekts, den Rich, und das war die sensationelle Innovation, in kleinen goldenen Dosen verkauft. Prosecco aus Dosen, muss das denn sein? Das haben sich vor einem Jahr die meisten Brancheninsider gefragt und größtenteils mit Nein beantwortet. Inzwischen hat Rich über 10 Millionen Einheiten abgesetzt, nicht weil das Getränk so edel wäre, sondern wohl vor allem wegen des genialen Marketingkonzepts. Zur Absatzförderung wurde nämlich das Glamour-Girl Paris Hilton engagiert, das lebensgroß und leicht bekleidet in allen Supermärkten als Pappfigur das Produkt in die Köpfe der Zielgruppe brachte. Mit verfeinertem Genuss hat das rein gar nichts zu tun, eher mit dem wohligen Gefühl, mal vom leicht verruchten Luxus-Lotterleben zu kosten. Ein paar Tropfen wenigstens, aus der Büchse.

Denn Luxus ist in, der kommt ganz groß raus, eigentlich, also bei denen, die sich das leisten können. Die gehen dann zur Gourmet Schmiede in Ottersweiler und lassen sich ein Fest ausrichten. Gabriele Wacker ist Geschäftsführerin und berichtet von enorm gestiegenem Interesse an ihren Cateringleistungen. Sie organisiert viel für Firmen, aber auch die Privaten lassen sich nicht lumpen. Eine komplette Hochzeit für 100 Gäste mit Zelt im Garten und allen drumherum kann dann schon mal auf 20.000 Euro kommen. Über Auslastung ihrer 50 Mitarbeiter kann sie nicht klagen, fast jeden Tag hat sie irgendeinen Termin. Aber muss denn jetzt Genuss wirklich teuer sein? Gibt es denn da keine Schnäppchen oder so was? Gibts. Berge frischer, preisgünstiger Würste aus der Toskana oder fünf Liter kalabresisches Olivenöl für 40 Euro. Der Hit: Eine Tragetasche mit Köstlichkeiten von den Fildern: Sauerkraut, Rotkohl, Gurken, Pusztasalat. Für fünf Euro. Das Gute liegt so nah …

Die Messe Lust auf Genuss findet in der Halle 4 der Neuen Messe am Flughafen statt und ist noch bis Sonntag jeden Tag von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Tageskarte kostet zwölf Euro, ermäßigt neun Euro inklusive VVS-Fahrschein. Vorverkauf in vielen Lotto-Totto-Kiosken.

[Der Artikel ist am 23. November 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Das Gute liegt so nah bei der Messe Lust auf Genuss

Slow Baking in Stuttgart: Langsames Brot

Brot im Zeichen der Schildkröte: Langsam zur Qualität. Mit diesem Motto versuchen auch in der Region Stuttgart einige Bäcker dem mörderischen Preiskampf mit den Backdiscountern zu begegnen.

Brot ist ein Thema, das den Menschen ins Mark geht. Es hat Revolutionen ausgelöst und Kriege entfacht, ganze Zivilisationen lebten nach seinem Rhythmus. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei, das älteste Nahrungsmittel der Welt gibt es an jeder Ecke. Aber hier stellt sich das nächste Problem: Was ist das beste Brot? Dazu hat jeder eine Meinung und vertritt sie mit viel Leidenschaft. Im Stuttgarter Stadtblog brach ein Brotkrieg aus, als ein Autor über einen lokalen Großbäcker herzog.

Preis frisst Qualität
Dabei ist die Lage dieses traditionsreichen Handwerks nicht gerade rosig. Günter Semmig, Geschäftsführer der Stuttgarter Bäckerinnung, kann sich noch an Zeiten vor 20 Jahren erinnern, in denen es über 200 Mitgliedsbetriebe in der Stadt gab. Daraus sind inzwischen 47 geworden, aus vielfältigen Gründen, wie er meint: „Nachwuchsprobleme, Zurückhaltung der Banken und die wirtschaftliche Macht von Filialisten und Discountern haben den Einzelbäckern in den letzten Jahren zugesetzt. Aber die Situation bessert sich. Es gibt ein deutliches Licht am Ende des Tunnels.“ Ursache dieser Entwicklung sind wie immer die Konsumenten. Zwar rennen viele nach wie vor in die Discounter, die in Fabriken vorgefertigte Teiglinge in Heißluftöfen ausbacken und diese dann noch warm an den Endkunden bringen – zu Preisen, mit denen die eingesessenen Bäckermeister nicht konkurrieren können. Auf der Strecke dieses Herstellungsverfahrens bleibt aber die Qualität. Denn Brot ist ein lebendiger Werkstoff, der sich nicht beliebig industriell anfertigen lässt. Das Problem also: Der Preis frisst die Qualität.

Slow Baking als Gegenstrategie
Eine fatale Entwicklung, der Einhalt zu gebieten, sich Werner Kräling aus dem sauerländischen Winterberg vorgenommen hat. 2003 hat er den Verein    Slow Baking ins Leben gerufen. „Wir wollen die Betriebe ermutigen, wieder verstärkt auf traditionelle Verfahren zurückzugreifen, ein authentisches Handwerk auszuüben und damit eine Qualität im Premium-Bereich zu liefern.“ Eine ständig steigende Zahl von Betrieben verschreibt sich den Zielen seines Vereins oder lässt sich sogar nach dessen strengen Richtlinien zertifizieren. Im Vergleich zum Gesamtmarkt bewegt sich die Zahl der langsamen Bäcker allerdings im einstelligen Prozentbereich.

Slow baking? Was soll das jetzt wieder sein? Klar, der Begriff „slow“ im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln wurde durch die Slow-Food-Bewegung in der genussfreundlichen Öffentlichkeit bekannt gemacht – als Gegensatz zum teuflischen Fast Food. Bei Slow Food geht es vor allem um die Abneigung gegen die geschmackstötende industrielle Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln mit all ihren Problemen beim Energieverbrauch, beim Tierschutz, bei der Landschaftszerstörung und dem Verkehrschaos, um nur einige zu nennen. Gegen diese Horrorszenarien werden Werte wie regionale, traditionell hergestellte und verarbeitete Lebensmittel gesetzt. Schmecken einfach besser, auch im Kopf.

Das langsame Backen
Und das langsame Backen? Das bezieht sich jetzt hauptsächlich nicht auf den Backvorgang als solchen, sondern um den Zeitraum davor, den Prozess der Teigherstellung. Von vorne: Was ist Brot? Grob gesagt: gemahlenen Grassamen wird Wasser in einem Knetvorgang zugesetzt, diese Masse wird unter Zusatz von Hefepilzen zum Gären gebracht und dann im Ofen unter Hitzeeinwirkung das Wasser wieder entzogen. So einfach, so schwierig, denn vor allem die Reife des Teigs kostet Zeit und hört nicht von allein wieder auf. Und das gebackene Ergebnis soll ja auch schön „rösch“ auf den Tisch kommen.

Im Sinne der Slow-Food-Bewegung
Roman Lenz, Vorsitzender von    Slow Food Stuttgart, kann sich mit den Zielen des Slow Baking durchaus identifizieren, vor allem was die technologische Seite der Brotherstellung betrifft: „Dieses Prinzip der langen Teigführung und der ausgereiften Natursauerteige entspricht unseren Zielen. Allerdings ist für uns die regionale Organisation der Zutaten, der Herstellung und des Vertriebs auch ein sehr wichtiger Punkt.“ Die Wünsche von Lenz gehen allerdings noch weiter: „Holzofenbrot bekommt man in der Region nur noch in einigen dörflichen Gemeinschaftsbackhäusern, die übrigens wieder im Aufschwung sind. Ich glaube, was in der Innenstadt aus Gründen des Emmissionsschutzes früher kaum genehmigungsfähig war – es qualmt einfach zu stark – müsste doch heute technisch machbar sein…“ Für Lenz beeinflusst die Art der Herstellung ganz elementar den Geschmack und deshalb hat der Rückgriff auf die fast schon ausgestorbenen Methoden auch nichts mit Traditionspflege oder purer Nostalgie zu tun. Ein bisschen teurer darf es denn auch sein…

Der Stuttgarter Slow-Baking-Bäcker
Genau in diesem Premium-Segment versucht Wolfgang Treiber sein Unternehmen aus Leinfelden-Echterdingen zu positionieren. Wolfgang Treiber ist Mitglied bei slow baking, wirkt nicht wie ein esoterischer Fantast, sondern ist ein gestandener, schwäbischer Mittelständler in den besten Jahren. Seit drei Generationen ist die Familie im Bäckerhandwerk tätig und das Unternehmen ist inzwischen auf 18 Filialen und 300 Mitarbeiter gewachsen. Über 150 verschiedene Backwaren verlassen täglich frisch die zentrale Fertigung und Treiber kann über die landläufigen Meinungen zu dieser Art der Organisation nur den Kopf schütteln. „Die Leute meinen, wenn das Brot aus einem 2-Mann-Betrieb kommt, sei es per se besser. Das ist totaler Quatsch!“ Denn ob in Fabriken industriell gebcken wird oder ob der Bäcker vor Ort industriell hergestellte Vorprodukte weiterverarbeitet, läuft letztendlich auf das Gleiche hinaus. „Mir ist die Qualität wichtig und der Geschmack. Sie müssen mal eines von diesen noch warmen Brötchen aus dem Backdiscounter aufbrechen und tief dran riechen – das stinkt ja förmlich nach Chemie!“

Slow Baking in Backnang
Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Geschmacksverstärker, chemische Frischhaltemittel, Emulgatoren – all das kommt auch bei Bernd Mildenberger nicht in Teig. In Backnang und den umliegenden Gemeinden vertreibt er in 29 Filialen seine Backwaren. Seine Mitgliedschaft bei Slow Baking sieht er entspannt. „Im Grunde haben wir das schon immer so gemacht. Ich möchte diese gute Sache aber unterstützen und habe mir auch schon die eine oder andere Anregung von dort geholt.“ Auch er hofft, dass sich bei auch bei den Brotessern letztendlich die Qualität durchsetzt und dass sie bereit sind, für die weltweit einmalige Vielfalt an Backwaren etwas mehr zu bezahlen.

[Veröffentlicht in LIFT 11/2007]

Slow Baking in Stuttgart: Langsames Brot