Der Himmel steht allen offen und in der Hölle ist gar keiner

Im Landesmuseum diskutierten Vertreter der monotheistischen Weltreligionen über Tod und Unsterblichkeit. Trotz des ernsten Themas wurde es ein heiterer Abend.

Als Begleitung zur aktuellen Mumienausstellung hat das Landesmuseum im Alten Schloss namhafte Vertreter der großen Religionen zu einer Diskussion über die letzten Dinge gebeten. Es wurde ein geistig anregender, teilweise amüsanter Abend mit einem versöhnlichen Ende.

Es sollte eine Veranstaltung sein, die das Thema Tod und Unsterblichkeit, mit dem sich das Landesmuseum im Alten Schloss in der aktuellen Ausstellung ägyptischer Mumien beschäftigt, durch einen Blick auf die von den monotheistischen Weltreligionen vertretenen Vorstellungen vertieft. Dazu wurden vier „wichtige Persönlichkeiten“, wie Direktorin Cornelia Ewigleben sagte, zu einer öffentlichen Diskussion gebeten.

Der Einladung gefolgt waren der evangelische Landesbischof Frank July, der katholische Theologe Abraham Kustermann, der Düsseldorfer Rabbiner Michael Goldberger und Ayyap Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime. Geleitet wurde der Abend von dem aus der ARD-Sendung Weltspiegel bekannten Fernsehjournalisten Jörg Armbruster. Dessen Technik, den Redefluss mit manchmal leicht provozierenden Fragen zu steuern, sorgte für einen unterhaltsamen Abend. Die Teilnehmer erlaubten sich den Luxus, in verständlichen Worten jedoch geistig anspruchsvoll über die großen Dinge wie den Tod und die jenseitige Existenz zu sprechen. Konfliktgeladene Diskussionen gab es keine, denn Thesen des Glaubens des anderen anzuzweifeln, erschien den Herren sinnlos, besonders wenn es um einen spekulativen, sich der Empirie entziehenden Bereich geht.

„Keiner der heute Anwesenden hat ja persönliche Erfahrungen mit dem Thema des heutigen Abends,“ stellte Armbruster denn auch fest. Es wurden die jeweiligen Glaubenskonzepte vorgestellt im Lichte all der Fragen, die mit dem Ende der leiblichen Existenz zusammenhängen: Bestattungsrituale, Jenseitsvorstellungen, Totenkult. Herausgearbeitet wurden dabei Unterschiede und Gemeinsamkeiten. So wies Köhler immer wieder auf ähnliche Vorstellungen und Gebräuche bei Juden und Muslimen hin.

Tatsächlich sind diesen beiden Religionen die sarglose Bestattung im einfachen Leinenhemd und die ewige Totenruhe gemeinsam, Vorschriften die manchmal mit den Gesetzen christlicher Kulturen kollidieren. Unterschied dabei: das Judentum passt sich lokalen Sitten an, während der Islam strikter ist. Nicht wenige Muslime wünschen daher ein Grab in der alten Heimat. Allerdings gibt es auch im Judentum Grenzen. Die Verwesung des toten Körpers darf weder durch Mumifizierung verzögert noch durch Verbrennung beschleunigt werden. Beides verhindert das geordnete Austreten der Seelen.

An dieser Stelle machte der Rabbiner Goldberger auf die immense religiöse Bedeutung des Holocausts aufmerksam, in dessen Verlauf die Leichen von Millionen Menschen jüdischen Glaubens in den KZ-Krematorien verbrannt und nicht gemäß dem Ritual bestattet wurden. Er machte klar, dass die schreckliche Wirkungsmacht der NS-Verbrechen an diesem Punkt über den Tod der Opfer hinausging. Es war einer der wenigen, tiefernsten Momente an diesem Abend. Ansonsten wurde viel gescherzt und pointiert formuliert.

So berichtete der Katholik Kustermann, dass erst der zuletzt verschiedene Papst auf eine Einbalsamierung verzichtet habe. Auf die Frage, warum Päpste überhaupt ihren Leichnam konservieren ließen, einen religiösen Grund gibt es dafür im Christentum ja nicht, nannte er zum einen deren Drang zur Präsentation ihrer Macht und zum anderen das nicht ganz ernst gemeinte „Vorhalten von Reliquien“.

Der nette Abend endete mit beruhigenden Aussichten für die Lebenden. Denn nach einhelliger Meinung steht der jeweilige Paradies nicht nur den eigenen Gläubigen offen, sondern auch den anderen, vorausgesetzt es wurde ein moralisch geprägtes Leben geführt. Selbst die Hölle hat ihren Schrecken endgültig verloren. Zwar bestätigten alle deren Existenz, „aber wahrscheinlich ist da gar keiner,“ sagte Kustermann. Ein gnädiger Gott hat die armen Sünder längst wieder herausgeholt.

[Der Artikel ist am 20. Oktober 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Der Himmel steht allen offen und in der Hölle ist gar keiner

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert