Die Erde bebt an der Solitude

Die traditionsreiche Hubertusjagd hat am Samstag ihren Abschluss auf der Wiese vor der alten Sommerresidenz gefunden.

Vierzig Reiter nahmen am Samstag an der Hubertusjagd teil, die in diesem Jahr vom Kräherwald zum Schloss Solitude führte. Die Veranstaltung setzt die Tradition der Jagdreiterei fort, bei der querfeldein geritten und kein Schuss abgegeben wird.

Am Samstag Nachmittag hat am Schloss Solitude die Erde gebebt. Grund für die von den zahlreich erschienen Zuschauern zu spürenden Bodenschwingungen waren allerdings keine tektonischen Verschiebungen im Untergrund sondern eine Schar von vierzig Reitern. Die kamen in vollem Tempo jedoch streng geordnet aus dem nahen Wald herangaloppiert, übersprangen mehrere Hindernisse, um sich nach zwei Runden vor dem Schloss zu einer Formation zusammenzufinden. Dazu ertönten diverse Jagdsignale und das Große Halali aus blitzblanken Hörnern.
 

Die gar nicht steife Zeremonie war der Abschluss einer am Kräherwald begonnenen Reitjagd, der sogenannten Hubertusjagd, die es seit 1952 jährlich gibt. Daran nahmen in diesem Jahr nicht nur Reiter des Reit- und Fahrvereins Stuttgart teil, sondern auch Pferdefreunde aus Esslingen und Herrenberg hatten sich eingefunden. Gut zwölf Kilometer quer durch den Wald wurden geordnet zurückgelegt mit einem Zwischenstopp am Schwarzwildpark. Die Umstände waren dieses Jahr ideal, wie Vereinsvorsitzender Jürgen Beck meinte. „Es war wunderschön bei diesem traumhaften Wetter. Die Wolken kamen uns gerade recht. Dann schwitzen die Pferde nicht so,“ sagte er.

Besondere Vorfälle gab es keine und auch die zwei Abwürfe, die an den Hindernissen zu verzeichnen waren, verliefen glimpflich. „Nichts dramatisches“,“ meldete der Malteser Hilfsdienst. Der Parcours und die Jagdreiterei generell stelle eben besondere Anforderungen an die Reitkunst, kommentierte Beck die Abwürfe. Auf der etwas durchfeuchteten Wiese mit dem hohen Gras kommen die Pferde, die immerhin über eine halbe Tonne wiegen, leicht ins Rutschen. Außerdem sind die Tiere durch die Zuschauer, die Musik und das ganze Drumherum etwas unkonzentriert und machen vor dem Hindernis dann schon mal ungewöhnliche Schrittfolgen. Wenn dann die Erfahrung fehlt, komme es schon mal dazu, dass auf einmal Tiere ohne Reiter im Feld mitlaufen.

Über mangelnde Erfahrung kann Joachim Leber sich nicht beklagen. Immerhin hat er schon an über 200 Reitjagden teilgenommen und weiß viel über die Traditionen. Entstanden ist die Form zu feudalen Zeiten und diente der Vergnügung des Adels. „Die hatten ja noch kein Fernsehen,“ sagte Leber. 1763 soll die erste unter der Ägide von Herzog Carl Eugen durchgeführt worden sein. Seit vielen Jahrzehnten fehlt allerdings ein wichtiges Element: Die tierische Beute. Denn die klassische Parforcejagd, mittels derer von Hunden aufgestöbertes Hochwild gejagt wurde, gibt es natürlich nicht mehr. Nur der Fuchsschwanz, der an der Schulter des ersten Reiters hängt, symbolisiert noch den ursprünglichen Zweck des Vorgangs. „Das lässt sich heute wegen der Umwandlung der Landschaft und des Waldes in Naherholungsgebiete gar nicht mehr durchführen,“ sagte Leber. In Deutschland ist diese Form des herbstlichen Querfeldeinritts nicht so weit verbreitet wie zum Beispiel in Frankreich, wo sich tausende diesem Sport widmen.

Allerdings scheint auch hierzulande das Interesse zu wachsen. So viele Teilnehmer konnte man bisher selten verzeichnen und auch die Zahl von etwa 1.000 Zuschauern zeigte, dass von der Verbindung Mensch, Tier und Landschaft ein gewisser Reiz ausgeht, der immer mehr Menschen fasziniert. „Das ist im Moment sehr aktuell und gehört einfach zu europäischen Kultur,“ meinte denn auch Gerhard Vogt von der Bläsergruppe Rallye Württemberg, die nicht nur für einen stimmigen Abschluss sorgte, sondern auch auf der Strecke mehrmals Signale geblasen hatte.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

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