Die Sprachlosigkeit überwinden

Ein von „Hilfe für den Nachbarn“ unterstütztes Projekt in Botnang-Nord meldet erste Erfolge

Um die Kommunikation im Problemviertel Botnang-Nord zu verbessern, organisiert das Projekt „Brückenbauer“ Ehrenamtliche mit Fremdsprachenkenntnisse. Diese sollen Anwohnern beistehen, die noch nicht so gut Deutsch können. Dadurch sollen diese Zugang zu sozio-kulturellen Angeboten und im Alltag Hilfe erhalten.

Das Wohngebiet liegt idyllisch beinahe im Wald, aber trotzdem ist es mit dem Ruf von Botnang-Nord, wie die Siedlung inzwischen im Sozialdatenatlas der Stadt heißt, nicht zum besten bestellt. Die Hochhaus-Siedlung galt wegen Sachbeschädigungen, Pöbeleien und Vandalismus als sozialer Brennpunkt, was aber die Bewohner ganz und gar nicht so sehen. Im Gegenteil wohnen viele der etwa 3.000 Bewohner schon seit mehreren Jahren dort. „Viele sind richtig stolz, dass sie hier wohnen,“ berichtet die Sozialarbeiterin Thea Feulner. Trotzdem musste etwas geschehen.

Ausgehend von der Botnanger Runde, in der Bezirksrat, Verwaltung und soziale Initiativen an einem Tisch sitzen, wurde ein Maßnahmenpaket in Angriff genommen. Die Städtische Wohnungsbaugesellschaft SWSG, die über ständig steigende Kosten in ihren sechs Gebäuden klagte, richtete einen Conciergedienst ein. Im September 2006 eröffnete das Familien- und Nachbarschaftszentrum (FuN), in dem verschiedene Träger Angebote für Mütter mit Kindern, für Jugendliche oder Senioren machen. Wichtigstes Ziel: die Kommunikation unter den Bewohnern fördern und Hemmschwellen abbauen. Denn viele Probleme entstehen durch Anonymität und Distanz, so die Überzeugung der Sozialarbeiter.

Es wurde allerdings schnell deutlich, dass es vor allem die immer wieder zu Tage tretenden Sprachprobleme waren, die verhinderten, dass die Menschen aufeinander zugehen oder sich die Angebote von Vereinen, von kulturellen und sozialen Einrichtungen wahrzunhemen. Allein im Haus Nummer acht, in dem das FuN untergebracht ist, leben Menschen aus 16 Nationen. Die Kenntnisse der deutschen Sprachen reichen zwar meist für die Bewältigung der alltäglichen Dinge, aber sobald es etwas komplizierter wird wie bei Arztbesuchen, Elterngesprächen in der Schule oder bei Anträgen, entstehen Schwierigkeiten. Das kann sogar für Migrantenfamilien gelten, deren Kinder schon das deutsche Schulsystem durchlaufen haben, weiß Alberto Company, der Jugendliche betreut. „Die merken dann irgendwann frustriert, dass ihre Straßensprache, nichts mit der offiziellen Welt zu tun hat,“ sagt er.

Um diese Sprachbarrieren ad hoc überwinden zu können und die Qualität der Beratung zu steigern, wurde das Projekt „Brückenbauer“ ins Leben gerufen. Die Idee, des mit 30.000 Euro von der Spendenaktion „Hilfe für den Nachbarn“ der Stuttgarter Zeitung unterstützten Aktionsplans: Ehrenamtliche Helfer, die über entsprechende Sprachkenntnisse verfügen, sollen als Übersetzer tätig werden. Gestartet wurde im Mai und inzwischen hat man schon 20 Freiwillige in der Kartei, die auf Zuruf tätig werden, manchmal sogar telefonisch. Der Kontakt in der Muttersprache sei wichtig, um ein gewisses Grundvertrauen herzustellen. Dadurch sei es zum Beispiel gelungen, für eine albanische Familie die Mitgliedschaft der Tochter in einem Turnverein zu organisieren. Die Hemmschwellen, die Möglichkeiten der Mehrheitsgesellschaft kennenzulernen und wahrzunehmen, seien wegen der fehlenden Sprachkenntnisse der Erwachsenen einfach zu hoch. Allerdings sind die Vereine nicht immer besonders kommunikationsstark. „Ich musste ja selbst erstmal stundenlang recherchieren, was es da alles bei dem Verein gibt und wer der richtige Ansprechpartner ist,“ sagt Frau Feulner.

Im Moment sind die Brückenbauer damit beschäftigt, ihr Angebot, das auch von Schulen, Arztpraxen oder Ämter angefordert werden kann, bekannter zu machen. Plakate und Infozettel wurden gedruckt. Das Geld ist gut angelegt, die Atmosphäre im Viertel hat sich entspannt. Die Kommunikation sei besser geworden und damit auch die soziale Kontrolle. „Die Jugendlichen merken auf einmal, dass da jemand ist, der mitkriegt, was sie wieder angestellt haben, und der Grenzen aufzeigt,“ sagt Alberto Company. 

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

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