Europas Jugend mischt sich ein

Stadtjugendring startet EU-Projekt zur Mitwirkung Jugendlicher in der Kommunalpolitik.

Mit einem Workshop hat der Stadtjugendring ein Projekt zu Mitwirkung Jugendlicher an kommunalen Entscheidungsprozessen in der EU gestartet. Eingeladen waren Jugendliche aus den Partnerstädten Straßburg und Lodz. Der Bedarf ist vor allem bei den EU-Neumitgliedern groß, wie die polnischen Teilnehmer berichteten. 

Die politische Beteiligung Jugendlicher auf kommunaler Ebene zu verbessern, ist eines der Ziele, das sich die Europäische Union auf die Fahne geschrieben hat. Konkret umgesetzt werden solche Politikziele zumeist in der Förderung entsprechender Projekte. Eines davon ist das Projekt Participation Now, das der Stuttgarter Stadtjugendring entwickelt hat und dessen erste Stufe am Wochenende durchgeführt wurde. Je zwei Jugendliche aus der Landeshauptstadt sowie deren Partnerstädten Lodz und Straßburg waren zusammengekommen, um eine Konferenz thematisch vorzubereiten, die im September in der Elsassmetropole stattfinden wird. Bei diesem Jugendhearing sollen die Ergebnisse auch direkt in die Politik eingespeist, genauer: den Entscheidungsträgern im Europäischen Parlament vorgestellt werden. Zuletzt wird es im Sommer 2009 eine Ergebniskonferenz im polnischen Lodz geben, um die erzielten Fortschritte zu protokollieren und weitere Ziele zu definieren. 

Während des Treffens in Stuttgart wurde allerdings auch deutlich, wie groß im Moment die Unterschiede in den Partnerstädten bei den Möglichkeiten der politischen Mitwirkung sind. Während Stuttgart mit seinen in den letzten Jahren sich immer besser entwickelndem System der Jugendstadträte hier durchaus Vorbildcharakter hat, stehen die Jugendlichen aus Lodz noch ganz am Anfang. Wie Mateusz Stasiak berichtete, gibt es in der ostpolnischen Millionenstadt zwar ebenfalls eine Art kommunaler Jugendvertretung, aber die lokalen Politiker würden deren Arbeit nicht recht ernst nehmen. Die Folge ist ein Mangel an nichtkommerziellen Freizeitangeboten mit der Konsequenz, dass viel auf der Straße stattfinde, was der 15-jährige Kacpar Zawratynski überhaupt nicht gut fand. „Die Jugendlichen müssen auf den Plätzen in der Stadt herumlungern, rauchen und trinken Alkohol,“ sagt er.

Als Ergebnis des Wochenendes stand denn auch die Schaffung von Treffpunkten ganz oben auf der Themenagenda der Teilnehmer. Spielstätten einzurichten wie zum Beispiel Plätze zum Skateboardfahren, offene Treffpunkte wie das Jugendcafé in Weil im Dorf zu unterhalten oder legale Möglichkeiten, um dem so beliebten Grafitti-Sprayen nachzugehen – das sind Angebote, für die sich die Jugendliche mehr Unterstützung von den europäischen Institutionen erhoffen. Die sollen Richtlinien erlassen, in denen eine verbindliche Einführung jugendlicher Gremien zur institutionellen Mitwirkung an kommunalen Entscheidungen festgeschrieben wird. Wie Marc Fischer vom Stadtjugendring Stuttgart feststellte, ist diese Partizipation auch Teil des gerade stockenden Lissabon-Prozesses und des gerade von den Iren abgelehnten Vertragswerkes. „Im Lissabon-Vertrag steht, dass alle Bürger an Entscheidungen auf lokaler Ebene zu beteiligen sind und dazu gehören dann ja auch die Jugendlichen,“ sagte er. Des weiteren konstatierten die Teilnehmer des Workshops Defizite bei der Herausbildung einer europäischen Bürgerschaft. Hier müsste in den Schulen und den beruflichen Ausbildungsstätten noch viel mehr getan werden, stellten sie fest. Die Förderung der Sprachkompetenzen, der Ausbau von Austauschmöglichkeiten und die Propagierung der Gemeinsamkeiten soll das etwas kopflastige Konstrukt EU mit konkreten Leben als Europäer füllen. 

Finanziert wird das Stuttgarter Projekt aus EU-Mitteln, mit Unterstützung der beteiligten Städte. Bei deren Auswahl hat der Stadtjugendring bewusst auf die existierenden Städtepartnerschaften zurückgegriffen. Wie Bettina Schäfer berichtete, habe man damit der Tatsache Rechnung getragen, dass es durch die langjährigen Kontakte einige sehr gute Netzwerke gäbe. Auf die habe man zurückgegriffen, um mit dem Workshop und den zwei Konferenzen Europas Politiker auf allen Ebenen für die Anliegen und Bedürfnisse Jugendlicher zu sensibilisieren. Das könne nur überzeugend gelingen, wenn die Jugendlichen selbst die Themen entwickelten und transportierten. Mit dem Stuttgarter Treffen wurde hier erfolgreich ein Anfang gemacht.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

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