Genuss mit allen Sinnen auf der kulinart

6.000 Besucher haben sich auf der kulinart am Wochenende der Sinnenfreude hingegeben

Die „Messe für Genuss & Stil“ fand am Wochenende zum vierten Mal im Römerkastell statt. Während die eine Hälfte der Aussteller hochwertige Delikatessen anbot, konnten sich die Besucher bei der anderen über Dekor oder auch Tabak informieren. 

Unsere Welt soll genießbarer werden und schöner. Überall. Selbst in die Dreckecken dringt der Wille vor, aus allem ein sinnliches Vergnügen zu machen. Dabei helfen zum Beispiel die Putzlappen, die die zwei Damen der Firma Hab+Seligkeiten aus Kernen vorstellten. Die mit Designmotiven bedruckten Schwammtücher sehen wirklich nicht nach Abwasch und Fensterputzen aus, sondern eher nach Museumsshop. Aber den Kunden scheint es mehr um positive Gefühle zu gehen, denn um Ästhetik. „Am besten verkaufen wir das Tuch mit dem Herz drauf,“ sagte Elke Kurz, die die Idee vor zwei Jahren entwickelte und sich über Zuspruch auf der Genussmesse kulinart nicht beklagen kann. Offenbar haben die Damen wie die anderen 70 Aussteller, die sich am Wochenende in der Phoenixhalle des Römerkastells präsentierten, bei der vierten Ausgabe der „Messe für Genuss und Stil“ ihre Klientel gefunden.


Etwa 6.000 Besucher werden es wohl gewesen sein, die sich von dem gemischten Angebot aus Delikatessen, Weinen, Haushaltswaren und Innenausstattern inspirieren ließen, den Alltag in den eigenen vier Wänden zu verschönern. Veranstalterin Conny Krehn weiß den Standort zu schätzen. Zwar führt sie die Messe auch in Frankfurt durch, aber die schwäbische Metropole sei einfach eine Genießerstadt. „Stuttgart ist sinnlicher,“ sagte sie. Außerdem lobt sie die „wunderschöne Location“, in der sofort diese besondere Stimmung entstehe, die es für eine solche Veranstaltung brauche.

Von der wollte auch Rainer Gutekunst profitieren, ein Malermeister aus Altdorf bei Böblingen. Vor Jahren hat er den väterlichen Betrieb übernommen, sich aber schon immer für Design interessiert und inzwischen auf kreative Wandgestaltung spezialisiert. Die setzt nicht mehr auf die Einheitstapete sondern auf Akzente mit Mineralputzen, die mit Farbpigmenten angemischt werden. Besonders die Bäder, die heutzutage niemand mehr komplett verfließt, werden immer wohnlicher. Trend im Wohnzimmer ist übrigens momentan die gute alte dicke Tapete mit großen farbigen Motiven, allerdings nur an einer Wand, quasi als schickes, leicht ironisches Zitat einer längst vergangenen Zeit. Die steht ja überhaupt hoch im Kurs, gerade auch bei Lebensmitteln der gehobenen Sorte.

Da ist viel von Tradition die Rede, von Handarbeit, von alten, wiederentdeckten Sorten. Industrielle Herstellung erscheint vielen verdächtig genussfeindlich, egal ob es sich um Wein, Tabak, Schokolade, Kaffee oder Wildkräuter handelt. Da ist das Angebot von Oliver Findewirth aus Berlin fast schon ein Fremdkörper. An seinem Stand gibt es Cocktails aus Dosen. Das Produkt ist erklärungsbedürftig, denn es besteht aus zwei kleinen Dosen, eine mit der Alkoholmischung gefüllt, die andere mit Fruchtsaft. Im Set gibt es den Shaker dazu, um die Elemente zu einem Mai Thai oder Sex on the Beach zusammenzufügen. Vor allem die weiblichen Konsumenten seien interessiert, meinte Findewirth. Da dürfte er auf dieser Messe richtig liegen, denn der Frauenanteil unter den Besuchern ist hoch.

Das ficht Siegfried Schäuble nicht an, denn sein Angebot wird doch eher von Männern frequentiert. In der Schwabstraße betreibt er ein Geschäft für feine Rauchwaren. Trotz der Nichtraucherschutzgesetze in der letzten Zeit kann er sich über fehlende Kundschaft nicht beklagen. „Das sind zumeist Genussraucher, die sich davon kaum beeindrucken lassen,“ sagte er. Zwar gebe es weniger Möglichkeiten, im öffentlichen Raum hochwertigen Zigarren zu genießen oder eine Tabakspfeife für über tausend Euro anzustecken, aber das Geschäft wird davon kaum beeinträchtigt. Das Weniger an Konsum wird offenbar durch ein Mehr an Qualität wieder ausgeglichen. Denn selbst Raucher setzen inzwischen auf Jahrgänge, Sortenreinheit und Lagen, um den größtmöglichen Genuss zu erleben. Dazu gehört auch das Wissen, wer was wie gemacht hat. Die Aussteller seien alle klein, fein und individuell, meinte Conny Krehn, und könnten eine Geschichte zu ihren Waren erzählen. „Die Leute wollen einfach Produkte, bei denen sie die Macher kennen, vielleicht sogar persönlich.“ Genuss spricht eben alle Sinne an, auch den Denkmuskel.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

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