Messerstecherei wegen Liebeshändel jetzt vor Gericht

Ein 21-Jähriger aus Wangen muss sich wegen versuchtem Totschlag vor der 2. Jugendkammer des Landgerichts verantworten.

Gerade aus der Haft entlassen begann der Angeklagte ein Verhältnis mit der langjährigen Verlobten des Bruders des späteren Opfers. Dieser hatte sich bei einem Streit zwischen die Kontrahenten geworfen und trug dabei eine schwere Verletzung durch einen Messerstich davon. War es Notwehr oder versuchter Totschlag, diese Frage muss das Gericht nun klären.

Vor der zweiten Jugendkammer des Landgerichts hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart gestern Anklage gegen einen 21-Jährigen wegen versuchten Totschlags erhoben. Die Tat ereignete sich am Abend des 8. Januar diesen Jahres beim Inselbad in Untertürkheim. Im Zuge einer Auseinandersetzung mit zwei jungen Männern, den Brüdern Maikel und Rafi A., zu dem sich das verabredete Treffen entwickelte, hatte der Angeklagte dem jüngeren der beiden Brüder ein Küchenmesser in den Rücken gerammt. Das Tatwerkzeug, dessen Griff beim Zustechen abbrach, hatte eine 6,5 Zentimeter lange Klinge und verursachte eine schwerwiegende Verletzung. Das Opfer hatte allerdings erhebliches Glück im Unglück, denn obwohl die Klinge durch Kunstlederjacke und Pullover fast vollständig eindrang, wurden keine inneren Organe verletzt. Trotzdem musste der schwer Verletzte operiert werden und zwei Wochen im Krankenhaus bleiben. Noch heute habe er Schmerzen, sagte der junge Mann gestern als Zeuge aus. Die Staatsanwaltschaft sieht es nach den Ergebnissen der bisherigen Ermittlungen als erwiesen an, dass der Täter es „zumindestens billigend in Kauf nahm, durch den kraftvollen Stich lebenswichtige Organe zu verletzen,“ wie Staatsanwalt Gernot Blessing in seiner Anklage sagte.

In der Verhandlung gestern ergaben sich erhebliche Widersprüche zwischen der Aussage des Täters und des Opfers bezüglich des Tathergangs. Der Beschuldigte, der im Alter von zwei Jahren mit drei Geschwistern und seinen Eltern aus dem Kosovo nach Deutschland kam, bestritt die Tötungsabsicht und berief sich auf sein Recht auf Notwehr. Die beiden Brüder hätten ihn mehrfach geschlagen, sodass er keine andere Möglichkeit gesehen habe, als sich mit dem angeblich zufällig mitgeführten Messer zur Wehr zur setzen, um sich zu schützen. Mehrfach habe er den Tatort während des  Wortwechsels verlassen wollen, was aber nicht möglich gewesen sei. Den Aussagen nach ging es bei dem Treffen um ein Thema, über das sich die Beteiligten zu der Zeit schon seit Wochen gestritten hatten. Anlass war eine Beziehung des Angeklagten mit der langjährigen Freundin des älteren Bruders Rafi, Christina  Sch.. Aus dem Techtelmechtel, in dessen Verlauf die beiden sich übrigens innerhalb von etwa einem Monat 1.4000 SMS schickten, schien etwas ernstes zu werden, was Rafi A. natürlich nicht schmecken konnte.

Immer wieder habe Rafi A. mit ihm geredet und bei ihm angerufen, ob seine Verlobte gerade mit ihm zusammen sei. An dem fraglichen Abend habe man sich nochmals vor dem Inselbad verabredet, um die Summe von 30 Euro zu übergeben, die der Angeklagte den Brüdern schuldete. Nach der Geldübergabe sei dann der Streit über das Thema wieder ausgebrochen. Anwesend waren dort aber nicht nur die beiden Kontrahenten, sondern auch der jüngere Bruder und die ehemalige Verlobte. Als die Auseinandersetzung schließlich eskalierte, sei es zu Schubsereien gekommen, woraufhin der Täter ein Messer gezogen habe. Dessen erster Versuch, seinen Bruder zu verletzen, sei gescheitert, berichtete der jüngere der beiden gestern. Der zweite habe dann ihm gegolten und er sei am Rücken verletzt sofort bewusstlos zusammengebrochen.

Diese Darstellung steht im Widerspruch zu den Darstellungen des Angeklagten, der sich nicht nur bedroht sah, sondern ausführte, er sei von den Brüdern mit Faustschlägen eingedeckt worden und fast zu Boden gegangen. Daraufhin habe er mit dem Messer, das er im Laufe des Tages zwecks Vesper in der Mittagspause auf der frisch angetretenen Arbeit als Gebäudereiniger mit sich geführt habe, aus der Jackentasche geholt und einmal zugestochen. Es sei reine Notwehr gewesen, führte er aus, was allerdings nach Mimik und Körpersprache zu urteilen, nicht recht glaubwürdig wirkte. Auch wies er wohl nach der Tat keine Blessuren auf, die auf eine Schlägerei deuten ließen.

Tatsächlich steht für den Angeklagten auch einiges auf dem Spiel. Sein Strafregister weist etliche Eintragungen auf wegen Körperverletzungen und Drogendelikten. Zur Tatzeit war er zur Bewährung auf freiem Fuß, weshalb ihn der Untersuchungsrichter auch nach der Festnahme in seiner Wangener Wohnung kurz danach in Untersuchungshaft nahm, aus der er bisher nicht entlassen wurde. Bei einer Verurteilung wegen versuchtem Totschlag droht ihm nun eine längere Haftstrafe. Bei den zwei weiteren, vom Gericht angesetzten Terminen treten in den folgenden Tagen insgesamt elf Zeugen auf sowie ein medizinischer Sachverständiger. Der soll unter anderem klären, wie die Stichverletzung zustande gekommen sein muss.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

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