Im Tal der Ahnungslosen – ein Drama in 5 Akten

Ort des Geschehens: Sitzungssaal im Hauptgebäude der Stadtwerke Baden-Baden.
Handelnde Personen: Der Betriebsausschuss des Gemeinderates der Stadt Baden-Baden (12 Personen), der 1. Bürgermeister der Stadt, der Geschäftsführer der Stadtwerke sowie der Leiter der Abteilung Energiedienstleistungen und Öffentlichkeitsarbeit der Stadtwerke
Thema: Präsentation der Strategie der Stadtwerke beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektromobilität

1. Akt – Die Ankündigung

Der Geschäftsführer führt in die Präsentation ein, indem er verkündet, dass die Stadtwerke bisher noch nie auf Beiträge in Social-Media-Plattformen reagiert hätten. Aber nun sei da etwas passiert, das man so nicht auf sich sitzen lassen könne. Die Stadtwerke als Unternehmen seien pauschal kritisiert worden und das betreffe nun auch die ganzen Mitarbeiter. Das könne man so nicht stehen lassen.

2. Akt – Die Skandalisierung

Die Präsentation beginnt mit Screenshots eines Beitrages von mir auf Facebook inklusive zweier Kommentare auf der nächsten Folie. Ich hatte in einer nur für Mitglieder zugänglichen Gruppe Fotos der neuen Tesla-Ladestationen vor dem Shoppingcenter Cité veröffentlicht, mit dem Hinweis, dass die Stadtwerke eben dort nicht mit Ladeinfrastruktur präsent sind. Und nun endlich überhaupt mal was dort passiert in Richtung Laden von Elektroautos. Ein Nutzer kommentierte auf Facebook, dass eigentlich Ladestationen auf die dortigen Parkdecks gehörten. Meine Antwort darauf:

Facebook Beitrag mit Tesla-Ladestation in Baden-Baden vor dem Shopping-Center Cité

„Das sehe ich exakt genauso. Leider etwas verschlafen die Stadtwerke bzw. keine richtige Strategie bei dem Thema. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Die Parkplätze oben auf dem Dach wären ideal für eine Ladeinfrastruktur.“

Der Geschäftsführer berichtet, dass man bereits 2018 an den Betreiber des Shoppingcenters eine Mail geschickt habe, eben solches einzurichten, aber man habe darauf nie eine Antwort erhalten.

Ich sitze dabei und fasse es nicht. Darf ja nichts sagen, weil nur Zuschauer.

Inzwischen frage ich mich: Warum ist das so? War das Konzept nicht stimmig? Die Konditionen nicht attraktiv? Warum haben die Shoppingmall-Betreiber sich dann für Tesla entschieden? Versuch einer Antwort: Weil Tesla eben kaufkräftige Kundschaft von der nahen Autobahn anlockt, die nun die neue Station in der Tesla-App haben. Die Autos werden da quasi automatisch hinnavigiert. Win-win-Situation.

3. Akt – Eine Strategie, die keine ist

Der Abteilungsleiter stellt den Status Quo und die zukünftige Strategie beim Aufbau von Ladeinfrastruktur in Baden-Baden vor. Ich konnte mir auf die Schnelle jetzt die Zahlen nicht aufnotieren, nur so richtig viel haben die hier nicht aufgestellt. Ich würde sagen: Bundesdurchschnitt. Der liegt bei 1,16 Ladepunkte auf 1.000 Einwohner. Ich zähle hier irgendwas zwischen 60 und 70. Vor allem, und das ist nun entscheidend, haben sie bisher fast ausschließlich AC-Lader aufgestellt, aus denen maximal 22 kW Leistung gezogen werden kann. DC-Lader mit 150 kW Leistung, inzwischen eigentlich auch schon wieder veraltet, vulgo Schnelllader, gibt es exakt 2. Es werden ein paar neue Standorte vorgestellt, auch dort wieder nur AC-Lader, wenn ich das richtig verstanden habe. Schnelllader sind ihnen zu teuer, kosten 50 – 60.000 €. Aber nun gut, das System wird ausgebaut.

Aber: Sie haben Sorgen um Standorte. Öffentlicher Raum ist knapp, alle wollen ihn nutzen. Fußgänger, Fahrräder, Parkende, Fahrende. Und wenn ich das richtig verstehe, stehen die Stadtwerke generell vor der Herausforderung, mit dem Autoladen Geld zu verdienen. So auch ein Artikel in der Lokalzeitung

Aus genau diesen zwei Gründen müssen die Stadtwerke ihre Strategie verändern. AC-Lader haben keine Zukunft. Die großen Energieversorger stellen inzwischen fast ausschließlich Schnellladestationen auf. Denn: Auf dem knappen Gut öffentlicher Raum können mit dieser Technologie mehr Fahrzeuge in der gleichen Zeit geladen werden. Und, das ist eigentlich entscheidend: Man kann damit Geld verdienen. Der Grund ist simpel: Man verkauft mehr Strom in der gleichen Zeit.
Kleine Überschlagsrechnung?

  • Nehmen wir an, eine Station sei pro Tag 15 Stunden belegt.
  • Nehmen wir weiter an, 1 kWh bringt 0,50 Euro Bruttoumsatz.
  • Dann macht man an einer 22-kW-Säule 165 € Umsatz pro Tag.
  • Bei einer 150-kW-Säule sind es irgendwas zwischen 800 und 1.000 €, da die Fahrzeuge nicht die ganze Zeit mit maximaler Power laden.

Noch Fragen?

4. Akt – Ein 1. Bürgermeister ist sauer

Die Präsentation ist zu Ende. Merke: Ein echter Baden-Badener lässt nichts auf seine Stadtwerke kommen. Der Geschäftsführer teilt mit, Baden-Baden sei sogar so etwas wie ein Vorreiter beim Aufbau von Ladeinfrastruktur. Sorry, aber das kann ich weit und breit nicht erkennen. Das geben auch die Zahlen nicht her. Trotzdem wird der Bürgermeister ungemütlich. Der Vorgang sei so nicht in Ordnung. Kritik ist, so drängt es sich auf, nicht erwünscht und lässt das geliebte städtische Unternehmen in schlechtem Licht erscheinen. Kritik wird auch von Seiten des Betriebsausschusses nicht geliefert. Mein Eindruck nach den Wortmeldungen: Bei dem Thema kennen sich die Stadträt*innen so gut wie gar nicht aus. Die Fragen ließen eher darauf schließen, dass die meisten bisher kein Elektroauto von innen gesehen, geschweige denn mal eines geladen haben.

5. Akt – Wie es laufen müsste

Das vorgestellte Szenario, dieser Plan, der wird der Situation nicht gerecht. Vielmehr muss die Strategie sein, an den Hot Spots städtischen Lebens Schnellladeparks hinzustellen. Wie wäre es z. B. schön citynah auf den „Handwerkerparkplätzen“ (Wilhelmbrücke/Luisenstraße)? Dort 5 bis 8 moderne Schnelllader errichten für die Leute, die in den nahen (neuen) Hotels einchecken, zu Wagener gehen oder auf einen Kaffee in die Stadt bzw. Wurst auf dem Weihnachtsmarkt? Das könnte Menschen in die City bringen, das könnte zur Geldmaschine werden, das wäre die Ladeinfrastruktur der Zukunft. Denn es wird so kommen, dass in den nächsten Jahren tausende E-Auos rumfahren werden in Baden-Baden. Die Ladeleistung der Fahrzeuge steigt immer weiter und sehr dynamisch. Neuere Fahrzeuge können 250 kW. Weil es die Nutzer fordern. Und die werden dann gerne ein bisschen schnell laden wollen und nicht an diesen lahmen AC-Ladestationen hängen. Die haben sie auch Zuhause.

Im Tal der Ahnungslosen – ein Drama in 5 Akten

Ein paar Anmerkungen zum Ende von 1914Tweets

Es ist exakt ein Jahr her, als wir eine folgenschwere Entscheidung trafen: Das Jahr 1914 als Twitter-Chronologie neu zu erzählen. Name: 1914Tweets. Wir waren naiv. Es war ein Höllenritt. Es war begeisternd. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Es war sehr viel Arbeit. Die positiven Reaktionen von sehr vielen Leuten haben uns überwältigt und angespornt weiter zu machen, nicht nachzulassen, noch besser zu werden, noch besseres Material zu recherchieren. Hier ein paar Anmerkungen zum Ende des Projekts.

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Ein paar Anmerkungen zum Ende von 1914Tweets

Teilnahme an Fernsehdiskussion im RNF

Dirk Baranek
Vorletzte Woche war ich eingeladen über „das Internet“ zu diskutieren, in der Sendung „Zur Sache“ des Mannheimer Privatsenders Rhein-Neckar-Fernsehen. Aufhänger war die Veröffentlichung eines Buches mit dem Titel „Zum Frühstück gibts Apps“, das sich kritisch mit der um sich greifenden Digitalisierung unserer Welt auseinandersetzt.
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Teilnahme an Fernsehdiskussion im RNF

Projekt: Steuersoftware im Test – inklusive Video

Für steuern.de haben wir Steuersoftware getestet und ein Video produziert – jetzt ist steuern.de live und unser Test ist online.


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