Ein Projekt der Evangelischen Gesellschaft verhilft jungen Leuten zu einer Ausbildung. Das Besondere daran: Intensive Betreuung – auch für die Betriebe.
Noch immer finden nicht alle Schulabgänger einen Ausbildungsplatz. Schlechte Schulnoten, familiäre Probleme, unstetes Leben – oft kommt viel zusammen. Die Evangelische Gesellschaft nimmt sich solcher Fälle an, begleitet sie intensiv und hat Erfolg damit.
Demir (Name geändert) hat Glück gehabt, obwohl seine berufliche Laufbahn zunächst nicht danach aussah. Irgendwie konnte der heute 23-Jährige, der allein bei seiner Mutter lebt, nach dem Abschluss der Hauptschule im beruflichen Bildungssystem nicht erfolgreich Fuß fassen. Ein Ausbildungsplatz war nicht zu ergattern und so war er in den folgenden Jahren auf Berufsfachschulen, Lehrgänge der Arbeitsagentur und Ein-Euro-Jobs angewiesen. Nicht gerade ein Programm, dass Perspektiven verheißt. Heute absolviert er eine Berufsausbildung zum Bäckerei-Fachverkaufer bei einem großen Stuttgarter Meisterbetrieb. „Ich fühle mich da gut aufgehoben,“ sagt Demir. Die Wende in seinem Leben hat er wohl den Mitarbeitern im JobCenter zu verdanken, die ihn zur Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (EVA) schickten. Dieser 1830 gegründete Verein versteht sich als soziales Netzwerk und beschäftigt über 800 Mitarbeiter in verschiedenen Einrichtungen.
Ein Projekt der EVA ist die Assistierte Berufsausbildung, die im Wesentlichen aus Mitteln der EU finanziert wird. Seit zehn Jahren werden darin junge Leute, die durch alle Raster gefallen sind, durch persönliche Betreuung in eine berufliche Ausbildung geführt. „Wir haben mit einzelnen Versuchen gestartet, die sehr erfolgreich waren. Seitdem ist das Projekt der Renner,“ sagt Harald Ziegler, Bereichsleiter für Ausbildung bei der EVA. Aktuell werden über 100 junge Leute betreut, von denen sich drei Viertel in einer Berufsausbildung befinden, in normalen Unternehmen, dass ist Ziegler wichtig. Neun Mitarbeiter analysieren zunächst die Ausbildungsfähigkeit, woran es oft hapert. Pünklichkeit, Motivation, Einsatzbereitschaft, das sind Werte, die irgendwann verloren gingen oder vielleicht nie vermittelt wurden. Auch bei der Entwicklung eines Berufswunsches ist viel Arbeit zu leisten, manchmal ernüchternde. „Die Absage vom Daimler hilft manchmal weiter, um gewisse Vorstellungen auf den Boden der Tatsachen zu bringen,“ sagt Ziegler. Es werden gute Bewerbungsfotos angefertigt, das Vorstellungsgespräch geübt und bei der Suche nach einem Praktikum und dem begehrten Ausbildungsplatz geholfen.
Dieses auf den individuellen Fall zurechtgeschnittene, passgenaue Angebot scheint ein Erfolgskonzept zu sein und nachhaltig zu wirken. Thomas Kreuz, Arbeitsförderer der Stadt Stuttgart, ist jedenfalls von dem Modell überzeugt. „Vor allem diese Kombination der Integration in die Ausbildung und das parallele Coaching scheint ideal,“ sagt Kreuz. Damit meint er ein Prinzip des Projektes, die Betreuung nicht mit dem Abschluss des Ausbildungsvertrags zu beenden. Denn gerade in der Anfangsphase kommt es oft zu Problemen, die nicht selten zum Abbruch führen.
Mit den Leuten von der EVA ist das anders, denn die kümmern sich, sind im ersten Lehrjahr Ansprechpartner für die jungen Leute und für die Betriebe. Letzteren garantiert man eine Reaktionszeit von maximal 24 Stunden. Das war auch für Monika Frank, Inhaberin der Bäckerei, ein wichtiges Argument, es einmal mit Demir zu versuchen. „Man weiß einfach, wohin man sich wenden kann, wenn es mal klemmt. Und die Begleitung ist sehr professionell,“ sagt Frank, die genug zu tun hat mit ihren 44 Mitarbeitern. Bei Demir hatten ihr die Bewerbungsunterlagen gefallen und das Vorstellungsgespräch verlief vielversprechend. Ob er wirklich zum Verkäufer geeignet ist, wurde dann in einem kurzen Praktikum erprobt, mit Erfolg. „Die Kunden mochten ihn von Anfang an sehr,“ berichtet Frank. Kein Wunder, Demir ist nicht unattraktiv, als Mann in diesem Beruf eher selten und mit seiner ruhigen und bescheidenen Art von einnehmendem Charakter. Wie es scheint ein Volltreffer und damit ein perspektivloser junger Mensch weniger.
[Der Artikel ist am 1. Dezember 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]