Ohne Kohle aber mit Würde

Verschiedene Kirchengemeinden und die Ambulante Hilfe bieten in den kommenden Monaten eine Gratismahlzeit an. Am Sonntag nahmen dies etwa 150 Menschen wahr, die sich in der Cannstatter Andreä-Gemeinde einfanden. Die Initiatoren wollen keine Abspeisung der Armen, sondern legen Wert auf einen würdigen Rahmen und auf den menschlichen Kontakt.

Das Gesicht der Armut wandelt sich. Diese zunächst oberflächliche Erkenntnis konnte man gestern bei der ersten Ausgabe der Aktion „Essen ohne Kohle“ machen, die in der Andreä-Kirchengemeinde in Bad Cannstatt stattfand. Etwa 150 Menschen nahmen das Angebot der Aktivisten der Ambulanten Hilfe und verschiedener Gemeinden an, gratis ein Mittagessen aus Erbsensuppe, Schweinebraten mit Spätzle und Vanillepudding zu erhalten. Nur einem kleinen Teil konnte man wirklich auf den ersten Blick ansehen, dass es am nötigsten fehlt. „Ohne Kohle aber mit Würde“ weiterlesen

Ohne Kohle aber mit Würde

Auf der Trinkglasorgel komponieren

250 Grundschüler haben im Rahmen des Stiftsmusikfestes Orgeln aus Alltagsgegenständen gebastelt und dafür Musik komponiert.

Musik ist eine ernste Sache und schwierig zu lernen. Dieses gängige Vorurteil in den Köpfen von Grundschülern aufzulösen, ist das Ziel eines Projektes für das Stiftsmusikfest im Juli. Etwa 250 Kinder haben dabei aus Alltagsgegenständen Instrumente gebastelt und dafür komponiert.

Im Rahmen des Stiftmusikfestes im Juli wird man nicht nur Bachmotetten und Kirchenchöre hören können, sondern auch so exotische Instrumente wie ein Küchengerätregister oder eine Trinkglasorgel. Letztere wurde von den Kindern der Johannes-Brenz-Schule im Rahmen eines Projektes gebaut, mit dem Grundschüler an die Welt der Musik herangeführt werden sollen. Konkret besteht die Orgel aus 18 kleinen Holzkonstruktionen, bei denen je ein Trinkglas den Klangkörper und Löffel das Schlagwerk bildet.

An drei Vormittagen haben die Kinder unter Anleitung des Musikpädagogen Gereon Müller die Instrumente gebastelt und, was eigentlich noch wichtiger ist, gleich ein Stück dafür komponiert. Die Kindern seien mit Feuereifer bei der Sache gewesen und hätten einmal einen ganz anderen Zugang zur Musik bekommen, ist Müller überzeugt. „Statt Musik respektvoll zu konsumieren, haben die Kinder jetzt erlebt, dass man das mit einfachsten Mitteln auch selbst machen kann,“ sagte er. Die befragten Kinder äußerten sich ähnlich: vor allem das Komponieren hat es ihnen angetan. Zwar seien dabei ein paar Gläser zu Bruch gegangen, aber das hat dem Spaß keinen Abbruch getan, wie auch Anna Droese berichtet. Ihr Sohn hat bei dem Projekt mitgemacht und obwohl er bereits Geige spielt, habe ihm das auf jeden Fall den Horizont auf die große Welt der Töne und Geräusche erweitert. 

„Wir haben 250 Kinder mit Musik infiziert,“ sagt denn auch Christian Zech, der das Projekt im Rahmen des Stiftsmusikfestes initiert und geleitet hat. Mit zehn Gruppen in acht Stuttgart Grundschulen wurden in den letzten drei Monaten unter dem Thema „Organum“ an den abenteuerlichsten Tonerzeugungsgeräten gebastelt. Zuvor konnten sich die Kinder bei Exkursionen in eine Orgelwerkstatt und in das Instrument der Stiftskirche eine lebendigen Eindruck dieser Klangungetüme verschaffen. Dann ging es unter der Anleitung von Musikprofis an die Umsetzung eigener Orgeln oder Schlagwerke. Zum Einsatz kommen normale Alltagsgegenstände wie Blasebälge, die mittels Gartenschläuchen diverse Holzflöten zum klingen bringen, oder auch Eisenstangen, Topfdeckel und Kugelbahnen.

Ein besonderes Prachtstück ist ein wassergetriebenes Instrument, dass Plastikflaschen zum Klingen bringt, sich allerdings etwas schwierig steuern lässt. Selbst aus den beliebten Lego-Steinen wurden Instrumente entwickelt. Diese in ein musikalisches Gesamtwerk zusammen mit der Orgel der Stiftskirche zu bringen, ist die Aufgabe des Kölner Komponisten und Interaktionskünstlers Bernhard König. Erste Höreindrücke bei der Generalprobe lassen ein spannendes, ungewöhnliches Stück Neue Musik erwarten. Zur Aufführung kommen die sehens- und hörenswerten Instrumente und die für sie von den Kindern entwickelten Kompositionen am 5. Juli um 10 Uhr in der Stiftskirche.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Auf der Trinkglasorgel komponieren

Prozession am Tag der Wandlung

Katholische Christen feiern Fronleichnam mit Freiluft-Gottesdienst und Prozession über den Schlossplatz

Die Wandlung des geopferten Gottessohnes in Brot und Wein ist der theologische Kern des Fronleichnams. Dieses Wundern zu feiern, kamen gestern viele katholische Christen in den Schlossgarten und nahmen an einer Prozession durch die Innenstadt teil.

Am gestrigen Fronleichnam nahmen rund 1.500 Gläubige an einem gemeinsamen Gottesdienst mehrer katholischer Gemeinden mit anschließender Prozession teil. Die Feierlichkeiten begannen unter freiem Himmel auf der Fläche zwischen dem Eckensee und dem Neuem Schloss statt. Dessen Freitreppen vor dem Ostportal zierte ein Blumenteppich aus vielen hundert Blüten mit dem klassischen christlichen Symbol einer Fischsilhouette. Dahinter war ein Altar aufgebaut, der zusammen mit weiteren Pflanzen und liturgischem Schmuck fast ein veritables Gotteshaus formte. Musikalisch begleitet wurde die von Stadtdekan Michael Brock geleitete Zeremonie von verschiedenen Musikern der Bläserkantorei und des Domchors sowie eine Gruppe des Musikvereins Rottweil-Neukirch, die auf ihren polierten, goldglänzenden Instrumenten dem Anlass gemäße, nachdenklich-getragene Klänge intonierte. Sogar eine mobile Holzorgel untermalte die Feiern von der Ladefläche eines Kleintransporters aus. 

Die Feiern am Fronleichnam sind symbolisch verknüpft mit dem letzten Abendmahl Christi am Donnerstag vor Ostern. Allerdings wurden sie schon früh auf die Zeit nach Pfingsten verlegt, weil der Anlass einfach nicht in die stille, vorösterliche Zeit passte. Entstanden im späten 13. Jahrhundert hat der Ritus vor allem die Transsubstantiation zum Inhalt, also die Überzeugung, dass der Leib und das Blut des Gottessohnes in das geweihte Brot und den Wein verwandelt werden. Diese Metamorphose des Heiligen zum Alltäglichen stellte auch Stadtdekan Michael Brock in das Zentrum seiner Predigt. Am Beispiel der wundersamen Brotvermehrung bei der Speisung der Tausenden am See Genezareth pries Brock das „Wunder der Wandlung“, das auch in jedem einzelnen Menschen in Form der Charitas, also der tätigen Nächstenliebe, erscheinen könne. Es genüge nicht, Recht zu haben und auf sein Recht zu pochen. Damit erreiche man nur die Köpfe der Menschen. Es komme darauf an, mit Mitleid die Herzen zu erobern. „Davon lebt der Mensch, dass wir bereit sind, uns zu wandeln,“ sagte Brock. Selbst mit Wenigem in den Händen, könnten sich die Gedanken des Friedens und des Erbarmens zu praktischem Trost und Stütze für bedrängte Menschen werden.

In den folgenden, in verschiedenen Sprachen verlesenden Fürbitten kamen dann aktuelle Anlässe zum aktiven Helfen wie die Naturkatastrophen in Birma und China zur Sprache. Nach dem vollzogenen Abendmahl zogen die Teilnehmer dann in einer langen Prozession einmal rund um den Schlossplatz. Dabei wurde unter einem goldenen Baldachin eine geweihte Hostie in einer Monstranz mitgeführt. Die Veranstaltung endete mit einem Gottesdienst in der Domkirche Sankt Eberhard mit einem Te deuum und anschließendem Platzkonzert mit Brot und Wein in der Königstraße. Parallel zu der Prozession fand im Park der Villa Berg ein Gottesdienst der italienischen Gemeinde statt.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Prozession am Tag der Wandlung

Hunderte Familien feiern die Erstkommunion bei strahlendem Sonnenschein

Am „Weißen Sonntag“ empfangen traditionell die Neun- bis Zehnjährigen zum ersten Mal das katholische Abendmahl. Gestern nahmen 900 Kinder daran teil.

Familientreffen, Einführung in die Gemeinde der Gläubigen, Initiationsritus – die Erstkommunion der katholischen Christen hat viele Facetten. Gefeiert wurde gestern auch in der Kirche Sankt Elisabeth im Westen, wo 48 Kinder zum ersten Mal das Abendmahl empfingen.

Der Sonntag nach Ostern heißt in der katholischen Christenheit „Weißer Sonntag“, ein Name, der in dem Brauch der Urchristen gründet, ihre in der Woche nach der Ostertaufe getragenen weißen Gewänder abzulegen. Traditionell wird an diesem Sonntag bis heute in vielen katholischen Gemeinden die Erstkommunion der neun- bis zehnjährigen Gemeindekinder gefeiert. Am ersten Empfang des Sakraments der Eucharistie nahmen in der Kirche Sank Elisabeth im Stuttgarter Westen 48 Kinder teil. Dieser einschneidende Moment im Leben der jungen katholischen Christen, zum ersten Mal am Abendmahl der Gemeinde teilnehmen zu dürfen, stand auch für Tim Lars Gerne im Mittelpunkt des Interesses. „Dass wir das heilige Brot probieren dürfen,“ war für den Grundschüler das Wichtigste an diesem Feiertag, wie er vor dem Ereignis aufgeregt bekannte. Er geht regelmäßig mit seinen Eltern in die Kirche und besuchte daher seit Herbst letzten Jahres den Kommunionsunterricht, bei dem die Kinder in die Glaubensinhalte und Kirchenriten eingeführt werden. Tim scheinen die Nachmittagsstunden gefallen zu haben, er fand das alles „lustig“, obwohl er schon einiges aus dem schulischen Religionsunterricht kannte.

Während vor der Kirche am Sonntag Vormittag bei strahlendem Sonnenschein die Familien sich in vielerlei Sprachen begrüßten und die Fotoapparate und Videokameras in Stellung gebracht wurden, versammelten sich die herausgeputzten Kinder im Gemeindehaus gegenüber, um ihr hellgraues, an ein Büßergewand erinnerndes Kleidungsstück überzustreifen. Dann wurden sie von den Messdienern in einer kleinen Prozession über die Straße in die Kirche geführt, wo sie am Eingang ihre großen Kerzen entzündeten. Mit ernsten und konzentrierten Gesichtern zogen sie dann durch das schwer nach Weihrauch duftende und mit über 1.000 Gläubigen völlig überfüllte Gotteshaus in den Altarbereich. Dort wurden sie von Pfarrer Christian Hermes empfangen, der die anwesenden Familien und Verwandten in fünf Sprachen begrüßen ließ und die Bedeutung des Tages für die Kinder betonte, die nun in der internationalen Gemeinschaft der Christen teilhaben würden.  

Die folgende Predigt bestritt Pastoralassistent Uwe Volkert, der das Motto der Kommunion „Gottes Segen ist ein Zelt“ in einer  vermutlich auch den Kindern eingängigen Bildersprache bestritt. Vor dem Altar wurde eine bunte Plane mit einer Stange zu einem Zelt aufgerichtet und mit Heringen symbolisch geerdet. Volkert füllte diese Allegorie mit zahlreichen Glaubensinhalten und vermittelte ein authentisches Bild der Lebenswirklichkeit, da es auch Themen wie Angst und Einsamkeit oder das Bedürfnis nach Gemeinschaft zum Ausdruck brachte. Dann näherte sich der große Moment: die Kinder wurden zum Abendmahl geführt. „Das Brot war am Anfang ein bisschen hart,“ sagte Kommunionskind Tim danach. Außerdem seien sie so schrecklich aufgeregt gewesen. Zum ersten Mal im öffentlichen Mittelpunkt des Interesses von Gemeinde und Familie zu stehen, scheint ihm nicht ganz leicht gefallen zu sein. Gestern ging er mit seinen Verwandten „noch irgendwo Essen“. Heute beginnt für ihn die Schule wieder und der Alltag als Christenkind. Der aufgeweckte Tim macht das sicher gut, innerlich gereift und verfügt jetzt obendrein sicherlich auch über etwas Taschengeld extra  – für die kleinen materiellen Bedürfnisse.

Hunderte Familien feiern die Erstkommunion bei strahlendem Sonnenschein

Armut zerstört die Würde des Menschen

Ein Bischof aus Burundi ist Ehrengast bei der Feier der katholische Diözese zum 50-jährigen Jubiläum von Misereor

 Zum Start der diesjährigen Fastenaktion des katholischen Hilfswerks Misereor in der Diözese Rottenburg-Stuttgart fand gestern ein bunter Gottesdienst in der Kirche St. Georg statt. Ehrengast war Bischof Joseph Nduhirubusa aus Burundi, der in seiner Predigt Hilfe zur Selbsthilfe forderte.

 Mit einem bunten Gottesdienst feierte gestern die katholische Diözese Rottenburg-Stuttgart in der Kirche St. Georg den Start der Fastenaktion 2008, die in diesem Jahr unter dem Thema „Mit Zorn und Zärtlichkeit auf der Seite der Armen“ steht. Besonders feierlich wurde der Anlass ausgestaltet, da in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum des Hilfswerks Misereor begangen werden konnte. Ehrengast war Bischof Joseph Nduhirubusa, seit 1980 Oberhirte der Diözese Ruyigi im Osten des zentralafrikanischen Staates Burundi.

 Das fruchtbare Land zwischen Viktoria- und Tanganjikasee, das jahrzehntelang unter politischen Unruhen und Konflikte zwischen den Volksgruppen heimgesucht wurde, ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Folgen für die meist ländliche Bevölkerung in dem dicht besiedelten Land sind fatal. Mehr als 60 Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze und jeder Dritte ist tagtäglich von Hunger betroffen. In seiner auf deutsch gehaltenen Predigt prangerte Bischof Nduhirubusa denn auch die „spirituelle und materielle Armut“ an, unter der die Menschen in weiten Teilen Afrikas zu leiden hätten.

 Ausbeutung, Gewalt, fehlende Bildung, Mangel an Lebensmitteln und nicht existente Gesundheitsversorgung, all diese Verhältnisse seien zu provozierend, um darüber hinwegzusehen. „Alle Formen dieser Armut verletzen und zerstören die Würde der Menschen,“ sagte Nduhirubusa. Er dankte „den Brüdern und Schwestern im Norden“ für die Hilfe in den letzten Jahrzehnten, die dazu beitrage, dass sich die Menschen selbst entwickeln könnten.

 Hilfe zur Selbsthilfe steht denn auch im Zentrum der Aktivitäten von Misereor, das mit den Spendengeldern den Aufbau von Strukturen unterstützt, um burundischen Kleinbauern ein Auskommen zu sichern. Dabei kümmert man sich vor allem um die Kaffeebauern, meist Kleinproduzenten, damit diese sich auf dem ungerechten Markt besser behaupten können. Es werden selbstverwaltete Sammelstellen eingerichtet und der Aufbau einer nationalen Interessenvertretung logistisch unterstützt. Mit Erfolg, denn die Projekte haben eine solche Wachstumsdynamik entfaltet, dass es der Organisation im Moment an Kapazitäten fehlt, um allen Nachfragen nach Gründung und Unterstützung örtlicher Organisationen nachzukommen. „Misereor will die Menschen erreichen, um ihr Potenzial zur vollen Entfaltung zu bringen,“ sagte Nduhirubusa in seiner Predigt. Die zahlreichen Anstrengungen könnten diese zwar nicht sofort aus der Armut befreien, bringe ihnen aber Ermutigung und Lebensfreude.

 Ein wenig afrikanische Emotionen wurden dann auch in die zahlreich erschienen Gläubigen transportiert. Der Auftritt des Chores der hiesigen ghanaischen Gemeinde in leuchtend roten Gewändern und von Trommeln begleitet war der Höhepunkt eines Gottesdienstes, der die weltweite Solidarität der katholischen Christen eindringlich vor Augen führte.

 [Der Artikel ist am 18. Februar 2008 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Armut zerstört die Würde des Menschen