Angesichts des demographischen Wandels setzt das JES den Dialog zwischen den Generationen auf den Spielplan
Fakt ist: die Gesellschaft altert und es gibt zu wenig Kinder. Um die Konsequenzen dieses Prozesses zu verdeutlichen und ein bisschen zu beeinflussen, hat sich das JES mit einer neuen Veranstaltungsreihe dem Thema „Älter werden“ angenommen.
Von Dirk Baranek
Das Thema demographischer Wandel steht im Mittelpunkt der aktuellen Spielzeit des Jungen Ensemble Stuttgart (JES). In der Reihe „Älter werden – oder wie die Zeit vergeht“ werden in den nächsten Monaten nicht nur passende Theaterstücke aufgeführt, sondern erstmals mit Podiumsdiskussionen begleitet. So ganz mag man aber auf den Einsatz schauspielerischer Mittel nicht verzichten, wie bei der Auftaktveranstaltung am Mittwoch deutlich wurde. Der Abend begann mit einem „szenischen Impuls“, bei dem ein Dutzend Jugendlicher in kleinen Dialogszenen ihre Gedanken, Gefühle und Hoffnungen zum Thema „Älter werden – wie die Alten immer mehr werden“ zum Ausdruck brachten. Mit viel direkter Sprache und einigem Humor wurden jugendliche Vorurteile und Distanz gegenüber der älteren Generation angesprochen und über die eigene Zukunft nachgedacht. Dabei kamen Ängste zum Vorschein wie die vor Krankheit und Einsamkeit. Der gut gefüllte Saal zeigte besonders beim Thema Sexualität im Alter amüsierte Reaktionen, als mit dem Spruch „Igitt, die knutschen ja!“ ein imaginiertes Seniorenpaar kommentiert wurde.
Nach diesem anregenden Einstand der Global Players nahm die folgende Podiumsdiskussion gleich gut Fahrt auf. Moderiert von der SWR-Journalistin Martina Klein versuchten vier frisch gewählte Jugendstadträte und Claudia Hübner, Staatsrätin für demographischen Wandel und Senioren im Staatsministerium Baden-Württemberg, das Thema zu vertiefen. Hübner, die die einzige Stabsstelle zu diesem Thema bundesweit leitet, stellte gleich zu Beginn die Fakten klar.
Baden-Württemberg habe zwar nach dem Krieg von Zuzug und Bevölkerungswachstum profitiert, werde aber bis 2050 vermutlich eine Million Einwohner verlieren, „zweimal Stuttgart“. Zudem wird sich der Altersdurchschnitt wesentlich erhöhen. „Das ist neu in der Geschichte der Menschheit,“ sagte Hübner. Deshalb müssten jetzt Anpassungs- und Gegenstrategien entwickelt und umgesetzt werden. Altersgerechte Infrastrukturen sind dabei nur ein Punkt. Auch die Einstellung zu Kindern müsse sich ändern. „Wir brauchen eine gesellschaftliche Wertschätzung von Familie und Kindern,“ forderte Hübner.
Konsens auf dem Podium war, dass sich das öffentliche Bild dessen, wer denn nun ab wann alt sei, im Moment entscheidend verändert. Die Altersgrenzen verschieben sich immer mehr. Ein Mensch mit 60 habe zukünftig noch einige Jahrzehnte Lebenszeit vor sich. Es konmme jetzt darauf an, diesen Umstand bei der Politikplanung auf allen Ebenen einzubeziehen. Dem dient auch der Generationenvertrag, den die Stadt im Herbst verabschiedet hat und Teil der Arbeit der anwesenden Jugendstadträte ist. Diese wünschten sich ein besseres Verständnis zwischen Alt und Jung, das bisher noch auf beiden Seiten von kräftigen Vorurteilen geprägt sei. Allerdings ist es nicht einfach, das Thema alternde Gesellschaft in die Köpfe der Jugendlichen zu bringen, wie deren Vertreter unverblümt zugaben.
Aus dem Publikum, das sich mit zahlreichen Wortmeldungen angeregt an der Diskussion beteiligte, kamen dann auch die sozialen Fragen auf den Tisch, wie die von Frühverrentung und Altersarmut. Die Auflösung der starren Altersgrenzen könnte eine Lösung sein, hoffte Claudia Hübner, in den Unternehmen finde bereits ein Umdenken statt. Der Abend war insgesamt ein erster wertvoller Schritt, den Dialog der Generationen voranzutreiben. Drei weitere folgen in den nächsten Wochen.
[Der Artikel ist am 15. Februar 2008 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]