Luftballons mit guten Wünschen für Tibet

Aktion der Tibetinitiative am Schlossplatz parallel zur Abschlussfeier bei Olympia. Florian Norbu Gyanatshang weiter in Haft.

Pünktlich um 15 Uhr stiegen gestern 100 Luftballons in den Stuttgarter Himmel. Die Stuttgarter Tibetinitiative wollte parallel zur olympischen Abschlussfeier in Peking ein Zeichen setzen. Die Situation für den Stuttgarter Deutsch-Tibeter Florian Norbu Gyanatshang ist unverändert.

Florian Norbu Gyanatshang, der Stuttgarter Deutsch-Tibeter, der Mittwoch Nacht in Peking anlässlich einer schnell und gewaltsam beendeten Protestaktion gegen die Menschenrechtslage in Tibet verhaftet wurde, befindet sich weiter in chinesischer Haft. Das berichtete gestern Jan Weber, Vorsitzender der Stuttgarter Tibetinitiative, der in engem Kontakt mit der Schwester des Menschenrechtsaktivisten steht. Er sei körperlich unversehrt und werde von der deutschen Botschaft betreut, so seine Informationen. „Wir finden die Aktion bewundernswert und sehr mutig. Florian hat ein sinnvolles Zeichen für die internationalen Medien gesetzt,“ sagte Weber gestern am Rande einer Aktion der Initiative am Schlossplatz. 

Parallel zur großen Abschlussfeier der Olympischen Spiele in der chinesischen Hauptstadt stiegen etwa hundert Luftballons in den blauen Himmel. Die orangenen Ballons trugen auf angehängten Postkarten Wünsche für Tibet in den Himmel. Etwa 50 Personen hatten sich gegenüber der Kunstgalerie eingefunden, beantworteten an einem Infostand Fragen von Passanten und sammelten Unterschriften für eine Petition an den deutschen Außenminister. Die Demonstranten, darunter einige Exil-Tibeter, waren sich einig, dass die Aktion von Florian Norbu Gyanatshang zu begrüßen ist. Für Lekshiy Hofheinz, einem mit deiner Deutschen verheirateten Tibeter, der vor etwa drei Jahren aus Indien nach Deutschland kam, hat sie sogar Vorbildcharakter. „Das ist großartig! Meine Freude und ich fragen uns ständig, warum wir nicht so etwas machen, statt hier entspannt zu demonstrieren,“ sagte er. Florian Norbu Gyanatshang kennt er gut und als streitbaren Menschen, der die Konsequenzen bewusst in Kauf genommen habe. Für den 30-Jährigen Sozialarbeiter, dessen Eltern 1962 aus Tibet nach Indien kamen und der noch letzte Woche mit seinem als Bauer in Ost-Tibet lebenden Bruder telefoniert hat, ist die Motivation hoch, sich für sein Land einzusetzen. 

Die Lage sei teilweise katastrophal für die Landbevölkerung. Kaum Schulbildung, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, die Pflicht, Chinesisch zu sprechen seien nur einige der bedrückenden Punkte. In dem Dorf des Bruders würden die Gemeindemitarbeiter, durchweg Chinesen, jeden Morgen bewaffnet und militärischer Kleidung durch die Straßen marschieren. Schnelle Lösungen für das Problem kann Hofheinz nicht erkennen, weil die Chinesen, auch solche, die hier in Deutschland leben, in der Tibet-Frage zunächst mal Nationalisten seien, unabhängig von einer Zustimmung zum aktuellen Herrschaft der Kommunistischen Partei. „Das wird noch lange dauern,“ sagte er. Die Olympischen Spiele sieht er im Rückblick durchaus differenziert. Durch das weltweite Medieninteresse sei auch die Situation im Himalaya wieder mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Den Olympia-Veranstaltern sei es nicht gelungen, die Probleme Tibets aber auch ihre eigenen Defizite bei der demokratischen Entwicklung vollständig hinter der Propagandashow zu verstecken.

Das ist auch die Meinung von Jan Weber. Zwar hätten sich schon nach den teilweise gewalttätigen Protesten in Tibet im Frühjahr diesen Jahres viele neue Gesichter bei der Initiative eingefunden, aber durch das Sportereignis sei die mediale Resonanz auf ihre Mahnwachen und Aktion sehr hoch gewesen. Trotzdem bleibe ein „schaler Beigeschmack“, nämlich dass China überhaupt die Olympischen Spiele habe austragen dürfen. Nach dem Großereignis werden sicherlich etwas mehr Ruhe einkehren, aber immerhin bleibe den Aktivisten nun auch mal etwas Zeit um durchzuatmen. Natürlich werde die Initiative weiter arbeiten und auch Spenden sammeln. Interessenten könnten sich im Internet (www.tid-stuttgart.de) auf dem Laufenden halten. Die Erfolgschancen der Arbeit sieht Weber ohne Illusionen, vor allem was die Forderung nach einem eigenen Staat für Tibet angeht. „Wir fordern nur das, was Mao damals versprochen hat: kulturelle und teilweise politische Autonomie,“ sagte Weber. Wenn das im Rahmen eines demokratischen, chinesischen Staates erreicht sei, dann könne man weitersehen. Aktuell werde man dem sicherlich bald nach Stuttgart zurückkehrenden  Florian Norbu Gyanatshang einen herzlichen Empfang am Stuttgarter Flughafen bereiten, falls die organisatorisch möglich ist.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Luftballons mit guten Wünschen für Tibet

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