Nach der Obama-Wahl in Stuttgart: Zwischen Hoffnung und Realismus

Die Stuttgarter sind mit dem Ausgang der US-Wahl zufrieden, erwarten aber nicht allzuviel für die Zukunft

Bei der Passantenumfrage in der Innenstadt wird schnell klar: Die Stuttgarter haben großes Interesse an der gestrigen US-Wahl. Viele haben die Wahl verfolgt. Das Ergebnis wird positiv bewertet. Die Erwartungen an die Präsidentschaft von Obama sind allerdings von einer gehörigen Portion Realismus geprägt.

Die Stuttgarter sind offenbar in ihrer überwiegenden Mehrheit zufrieden mit dem Ergebnis der gestrigen Wahl des US-Präsidenten. Das ist jedenfalls das Bild, das sich durch eine Befragung von Passanten auf dem Rathausplatz und in der Königstraße ergibt, die zufällig ausgewählt wurden. Erwartet haben den Wahlsieg von Obama alle, sehr erhofft hat ihn Fabrice Takin.

Der 23-jährige Lehramtsstudent hat die Entscheidung bis zum frühen Morgen vor dem Fernsehen verfolgt, auch aus sehr persönlichen Gründen. „Ich bin ja Mischling wie Obama und da fühle ich mich mehr mit ihm verbunden,“ sagte Takin. Er hofft, dass durch dessen Wahlsieg auch die Akzeptanz für Minderheiten in der deutsche Gesellschaft wächst. Einen generellen Rassismus kann er gleichwohl besonders in Stuttgart nicht erkennen, mal abgesehen von gelegentlichen Beschimpfungen, die ihn aber nicht weiter beeindrucken. Die Erfolgsaussichten des zukünftigen Präsidenten sieht er aufgrund der schlechten Ausgangssituation angesichts der Wirtschaftskrise und des festgefahrenen Irakkriegs allerdings skeptisch.

Diese Einsicht, dass die von dem sympathischen Kandidaten und dem Medienrummel der letzten Monate erzeugte Euphorie enttäuscht werden könnte, ist ebenfalls weit verbreitet. Bewundert wird die Fähigkeit der Amerikaner, sich dieser Aufbruchstimmung hinzugeben, von Petra Geggus-Wiens. Die 60-Jährige war bereits mehrfach in den USA und warnt vor zu hohen Erwartungen. Das Erbe der Bush-Adminsitration sei sehr problematisch und schwer zu bewältigen angesichts der eingeschränkten Machtfülle eines US-Präsidenten. Sie bewundert aber den Willen der Amerikaner, etwas zu verändern. „Die können was drehen. Wir sind hier viel zu zögerlich und scheuen Veränderungen,“ sagte sie.

Dass die US-Gesellschaft sich ändern muss, ist die feste Überzeugung von Iliadis Georgios, einem 39-jährigen Bankangestellten aus Ludwigsburg. Die US-Bürger würden auf Pump leben und das sei durch die extreme Liberalisierung der Finanzmärkte erst möglich geworden. Bezahlen müsste das nun vermittels der daraus entstandenen Börsenprodukte die gesamte Welt. „Diese Deregulierung der Märkte ist nach hinten losgegangen, da muss etwas passieren,“ sagte Georgios. Er ist allerdings skeptisch ob Barack Obama daran schnell etwas ändern kann. Das gilt auch für Themen wie die Blockade bei der Umweltpolitik und dem Irakkrieg.

Eine Kehrtwende auf diesen Politikfeldern ist auch der Wunsch von Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin des Bezirks Mitte. Die USA müssten jetzt mitmachen beim Klimaschutz und vielleicht schaffe es Obama sogar, die Todesstrafe abzuschaffen und den privaten Waffenbesitz einzuschränken, so die Hoffnung der Grünen-Politikerin. „Wir freuen uns für Amerika, denn Obama ist ein Mann des 21. Jahrhunderts,“ sagte Kienzle.Den republikanischen Gegenkandidaten McCain hält auch Jürgen Fehler aus Leonberg für nicht zeitgemäß. Ein junger Präsident sei besser, um die anstehenden Probleme wie die Umweltproblematik und den „gewünschten Weltfrieden“ zu bewältigen. Der scheidende Präsident Bush schneidet in seinem Urteil jedenfalls nicht gut ab. Bush sei der schlechteste US-Präsident gewesen, den der 70-Jährige Fehler bisher erlebt habe.

Auffällig ist bei der Befragung auch der Umstand, dass viele Menschen offenbar Angst um Leib und Leben des neugewählten Präsidenten haben. „Ich hoffe, dass er das überlebt,“ sagte zum Beispiel Petra Geggus-Wiens, die sich noch gut an die Kennedy-Jahre mit den tödlichen Attentaten erinnert. So froh die Menschen über den Wahlausgang auch sind, man bleibt realistisch und hat auch ein wenig Angst, was da jetzt noch alles kommen mag.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

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