Tropenforscher schlagen Alarm

Forschung hinkt Bedarf hinterher

Während die Ernährungskrise zu explodierende Preisen und verstärkten Verteilungskämpfen führt, wird die internationale Agrarwissenschaft ausgedünnt. Dabei werden Experten weltweit gebraucht. Gegen diese Entwicklung protestierten 600 Tropenforscher, die sich zu einem dreitägigen Kongress an der Universität Hohenheim versammelt haben.

Die Landwirtschaft befindet sich weltweit im Umbruch und muss dringend weiterentwickelt werden. Investitionen und Innovationen müssen von gut ausgebildeten Forschern und Experten initiert und implementiert werden, um die aktuelle Knappheit an agrarischen Ressourcen zu bekämpfen. Da passt es einfach nicht ins Bild, so die Meinung der aktuell an der Universität Hohenheim zu einem Kongress versammelten 600 Tropenforscher, dass die Agrarwissenschaft in Deutschland durch Stellenabbau weiter ausgedünnt wird. Allein an dem in Deutschland in der Tropenforschung führenden Fachbereich an der Universität Hohenheim seien von ehemals 65 Professorenstellen noch 40 übrig geblieben, so Volker Hoffmann, Agrarwissenschaftler aus Hohenheim. Die Zahl der deutschen Fakultäten halbiere sich durch die Ausweisung von fünf Exzellenzstützpunkten schleichend. Schon jetzt seien die Agrarwissenschaften unattraktiv für Jungforscher.

Es sei zu befürchten, dass viele ausgebildete Experten in die Industrie abwandern oder ins Ausland. „Das entspricht nicht unserer Stellung in Europa,“ sagte Hoffmann. Dabei sei die Auslastung der Forschungseinrichtungen gut, denn anders als noch vor ein paar Jahren gibt es im ländlichen Raum einen regelrechten Boom. Ein Symptom für diese Entwicklung sind für die Wissenschaftler krisenhaften Erscheinungen auf den weltweiten Lebensmittelmärkten. Vor allem die steigenden Preise hatten in vielen tropischen und subtropischen Ländern die Menschen ins Mark getroffen und auch in Europa zuletzt erheblich auf die Konsumlust gedrückt. Gründe für diese Ernährungskrise sieht Georg Cadisch, Leiter des Hohenheimer Tropenzentrums, vor allem in der verstärkten Konkurrenz um die globalen Ressourcen. Eine wachsende Bevölkerung, der Trend in den sich entwickelnden Gesellschaften Asiens mehr Fleisch zu konsumieren, die Auswirkungen des Klimawandels und die Erzeugung von Energie aus Agrarprodukten haben zu dieser Knappheit beigetragen.

Allerdings sei dieser Verteilungskampf auch eine große Chance, so Cadisch. Denn durch die steigenden Preise gibt es nun verstärkt Anreize für die handelnden Akteure, um in den ländlichen Raum zu investieren. Vielerorts fehlten aber die Grundlagen, sprich Know-how und Kapital. Wenn beides sinnvoll und im großen Stil eingesetzt würde, könnten viele Probleme der Dritten Welt gelöst werden und in Afrika sogar zu einer grünen Revolution führen.

Das ist die Auffassung von Cheryl Palm von der New Yorker Columbia Universität. Sie berichtete von enormen Erfolgen im großen Maßstab, die Programme zur Erreichung der UNO-Milleniumsziele haben. Gerade die Landwirtschaft sei für viele Entwicklungsländer der Kernbereich, mit dem wirtschaftliches Wachstum angestoßen werden könne. Dabei sei eine Verwertung von Agrarprodukten im Energiebereich durchaus sinnvoll, denn jetzt habe man endlich das Mittel in der Hand, um konjunkturelle Dellen in Zeiten des Überschusses zu vermeiden, meinte Volker Hoffmann. Grundsätzliche Probleme bei der Ernährung der Weltbevölkerung sehen die Forscher für die nächste Zeit nicht. Es gäbe noch sehr viel ungenutzte Potenziale, so die einhellige Meinung.

Nur ohne verstärkte universitäre Lehre und Forschung werde es nicht gehen. Deshalb fordern die deutschen Agrarwissenschaftler den überfälligen Ausbau der Kapazitäten an den Hochschulen, wie er auch vom Wissenschaftsrat empfohlen wurde. Nur dann könne gewährleistet werden, dass die vorhandenen Ressourcen umweltverträglich und nachhaltig genutzt werden.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

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