Von dummen Bloggern und blöden Journalisten

Achtung, Sie betreten vermintes Gelände!“ Dieser Satz müsste eigentlich als haushohes Schild vor einem Thema stehen, dem wir uns heute einmal etwas genauer widmen wollen. Es geht um den Scheinkonflikt zwischen solchen Journalisten, die sich Blogger nennen, und solchen, die sich nicht Blogger nennen. Allein diese Formulierung lässt bei manchen schon das Messer in der Tasche aufgehen, aber darum geht es hier ja schließlich.

Was ich nicht mehr hören kann, ist die Häme und die Verachtung eines gewissen Teils der Webschreiber, die Blogsysteme zur Verbreitung ihrer Informationen und Meinungen benutzen, wenn andere, die sie als „Journalisten“ bezeichnen, Fehler machen, schlecht recherchierte Storys veröffentlichen oder einfach mal sagen, was Fakt ist: Dass nämlich einige dieser Freizeitschreiber noch viel schlechter recherchieren, sich einen Dreck um objektive, ausgewogene Berichterstattung scheren und gerne auch mal aus dem hohlen Bauch heraus Unterstellungen, Vermutungen oder Übertreibungen lancieren. Nichts gegen diese Art von Schreiberei, ist okay, aber bitte dann auch so nennen.

Damit auch das mal klar gesagt ist: Ich habe nichts gegen Mitmenschen, die Blogs schreiben, kein Problem. Finde ich sogar gut, denn noch nie war es so vielen Menschen möglich, ihre Meinungen, ihr Wissen anderen öffentlich zugänglich zu machen. Wie gesagt, Blogger sind meines Erachtens auch eine Art von Journalisten, allerdings solche, die sich einem bestimmten Genre der Schreiberei widmen. Heißt normalerweise Kommentator eventuell Kolumnist. Es wird also eine Form benutzt, die es schon lange gibt. Alles nix neues.

Das ist aber der springende Punkt. Es gibt nervende Webschreiber, die glauben, sie hätten die Welt der Publizistik neu erfunden, während die so genannten Profis sich verbittert an ihren Redaktionsschreibtischen verbeißen und einen Kodex hoch halten, den schon lange das Zeitliche gesegnet haben soll. Was für ein Unsinn!

Sicher, es gibt blöde Journalisten, die weder was von der Dynamik des Web verstehen, noch es zu schätzen wissen, was so in der Blogosphäre an hochspezialisiertem Expertenwissen zugänglich wird. Wenn sie denn schreiben können, diese Experten *seufz*. Zum anderen muss man natürlich auch mal kapieren, dass diese Profis es verständlicherweise schlicht nicht einsehen wollen, dass ihnen durch Geschäftsmodelle, die einfach nicht funktionieren und letztlich Selbstausbeutung darstellen, dass berufliche Wasser abgegraben wird. Oder um es mal im Websprech zu sagen: Guter Content kostet eben Geld. Ja, ich weiß, das hört sich jetzt fast so an, wie der Kampf von Brockhaus wegen Wikipedia, aber niemand kann doch glauben, dass wir auf gut ausgebildete, einem gewissen Moralkodex gehorchende Schreiber verzichten können, um uns ein Bild von der Welt zu verschaffen, das zumindest in Ansätzen der Wirklichkeit entspricht. Wollen wir uns wirklich nur noch unsere Weltsicht aus den Subjektivitäten von Bloggern zusammenbauen? Mir graut davor. Wird daher nicht passieren.

Meines Erachtens gibt es bei diesen Weltkommentatoren, die sich Blogger nennen, eine starke Selbstüberschätzung, vor allem was die Reichweite, also den Einfluss, den sie haben, betrifft. So sind bei der Blogzählmaschine Blogoscoop etwa 4.500 Blogs registriert, die kumuliert jeden Tag um die 1,5 Millionen Seitenabrufe erzeugen. Lächerlich wenig. Zum Vergleich: Allein bei Spiegel Online sind es täglich zwanzig Millionen. Tatsächlich ist doch die Bloggerwelt eine sehr sehr begrenzte, fühlt sich aber teilweise kurz vor der Machtergreifung. Ich nenne das Dummheit, Autismus und pure Selbstüberschätzung.

Extrem übel wird die ganze Sache, wenn mal wieder eine Zeitung das Erscheinen einstellen muss, weil sie schlichtweg nicht gekauft wird. Hey, das ist Alltag im Verlagsbusiness. Produkte haben eine gewisse Halbwertzeit, entweder weil die Aufmachung und das redaktionelle Profil nicht mehr in die Zeit passen oder weil die Macher einfach nur Stümper sind. Für die Blogwelt ist aber die Meldung über den Ruin irgendeiner nordwestamerikanischen Regionalzeitung ein untrügliches Zeichen für den jetzt bestimmt sehr bald kommenden Sieg des Freizeit-Journalismus. Alles Quatsch! Medienbusiness ist wegen des Anzeigengeschäfts extrem abhängig von der allgemeinen Wirtschaftslage. Kann also im Moment nicht überraschen, dass da einige Pleite gehen werden.

Ein anderer Punkt ist die angebliche Überlegenheit von Diensten wie Twitter bei der Verbreitung von Nachrichten. Als Beleg für diese schwachsinnige These werden dann Ereignisse herangezogen wie die Anschläge in Bombay oder Notwasserung eines Flugzeugs auf dem Hudson River. Okay, und? Das wars dann nämlich auch schon. Mehr ist nicht. Täglich werden in Blogs und Microbloggingdiensten tausende Verweise veröffentlicht auf Meldungen in den bösenbösen klassischen Medien: Da und dort ist das und jenes geschrieben/erschienen/gemeldet worden. Ist okay, habe ich kein Problem mit, ist auch eine Funktion von Blogs, Nachrichten zu verstärken und zu kommentieren. Aber gesteht endlich mal ein, dass es so ist. Dass Blogs einen minimalen Teil der Öffentlichkeit darstellen. Kommt runter von eurem Ross, erdet euch mal. Nur ein Prozent der Leser kapiert überhaupt, was ihr macht.

Ganz schlimm wirds, wenn Journalisten sich einmal für Blogs interessieren und ein dort geschildertes Nischenthema aufgreifen. Dann geht der Horror los. Dann werden Logfiles veröffentlicht, die nachweisen sollen, dass der betreffende Verlagsserver stundenlang das Blog ausgesaugt hat. Dann wird von geistigem Diebstahl lamentiert, von Verkommenheit der Branche. Auweia! Es gibt nichts schlimmeres als beleidigte Blogger. Meine Meinung: Erinnert irgendwie an die Krokodilstränen betrogener Betrüger.

Um es nochmal eindeutig zu formulieren: Ich finde Blogs gut. Aber bitte, nehmt euch nicht so ernst. Begreift eure Rolle als ein kleiner Teil der veröffentlichten Meinung. Und fangt mal an zu recherchieren. Erstmal anrufen oder nachfragen bei dem Objekt des Interesse, bevor in die Tasten gehauen wird.

Von dummen Bloggern und blöden Journalisten

13 Gedanken zu „Von dummen Bloggern und blöden Journalisten

  1. Ich bin Deiner Meinung; Blogs sind absolut super und großartig, aber können die „normalen“ Medien keinesfalls verdrängen – jedenfalls nicht in dieser Form.

    Mit Kolumnen kann man Blogs schon vergleichen, aber meines Erachtens nicht gleichsetzen; ein Blog ist, mal unabhängig von der technischen Seite, mehr als eine Kolumne: man reagiert auf Kommentare, das Layout ist persönlicher, verweist auch mal nur auf andere Seiten. Ein gutes Blog ist sozusagen ein Gesamtkunstwerk, wohingehen eine Kolumne für sich steht. Nicht jeder Blogger ist Kolumnen- oder Meinungsschreiber.

    Ein weiterer Aspekt von Blogs: sie können durch die fehlende Zeilenbeschränkung und völlige redaktionelle Freiheit auch Raum für ansonsten ungehörte Positionen geben: ein sehr schönes und aktuelles Beispiel findet man im Pottblog und bei den Ruhrbaronen: dort kommt ein WAZ-Redakteur zu Wort, der sich seinen Frust von der Seele schreibt.

  2. Online-Kommunikation, Blogs und klassische (Offline-) Medien ergänzen einander. Ein Blog kann und ist etwas anders als die gedruckte Zeitung – aber beide sind m.E. wichtig, um sich selbst eine eigene Meinung bilden zu können und nicht die Meinung von Meinungsbildnern übernehmen zu müssen.

  3. Ich hab nicht so ganz verstanden, worum es Dir eigentlich geht. Vor allem, worüber Du Dich so irrsinnig aufregst ist mir auch nicht ganz klar geworden.
    Den ganzen blödsinnigen Hype um Twitter als schnellen Nachrichtenaggregator hat übrigens die Presse angefangen, nicht die Blogger (und nicht mal die Mehrheit der Twitterer behaupten das ernsthaft).
    Auch warum Blogger „Betrogene Betrüger“ sind, wenn Journalisten zwar in Blogs recherchieren, keine Quelle nennen und sich dann dabei erwischen lassen verstehe ich nicht.
    Aber ich bin ja auch kein Journalist und muss mich zum Glück auch gar nicht auskennen mit dieser Erstellung von gutem Content (der eigentlich warum genau Geld kosten muss?).

  4. Weltregierung schreibt:

    Hmm…. Wein… Schläuche….

    Also ich sach mal, wenn man sich die Beispiele aus den letzten Jahren
    betrachtet – bietet die „echte“ Journaille leider proportional zu ihrem Anspruch „Spiegel, Tagesthemen, SZ etc“ nur unwesentlich weniger Unproffessionalität als die Hobbyisten mit der frechen Schnauze.

    Den Stand, den Du mit deinem Eintrag zu verteidigen scheinst…. fand ich auch sehr wichtig. Doch ich glaube es gibt ihn nicht mehr. Er wurde durch Praktikanten und Karrieristen ersetzt.

    In diesem Sinne: Es gibt nur ganz wenig, das schlimmer ist als beleidigte Journalisten… vielleicht nur Blogger, die sich für welche halten.

  5. „Guter Content kostet eben Geld.“ – nö. Ich habe noch nie Geld für guten Content zahlen müssen. Oder bekommen. Warum auch?

    „Blogger sind meines Erachtens auch eine Art von Journalisten“ – ich bin Blogger. Ich bin kein Journalist. Wäre ich Journalist würde ich mich als Journalist bezeichnen. Wäre ich eine Art Jounalist würde ich sagen ich bin eine Art Journalist. Bin ich aber nicht. Sondern Blogger.

    „Dass Blogs einen minimalen Teil der Öffentlichkeit darstellen…. “ – Ja, so ist das. Na und? Es ist ein noch minimalerer Teil der Blogwelt, die überhaupt dieses Thema „Blogs als Konkurrenz zum Profi-Journalismus“ aufgreifen. Und viele davon sogar nur als Reaktion, wenn der „Profi-Journalismus“ mal wieder völlig kompetenzfrei auf Blogs als „anonyme Lügen- und Verleumdungsverbreiter“ rumhackt *gähn*, das im sowieso bösen Terror-, Bombenbauanleitungs- und Kinderporno-Internet stattfindet *doppelgähn*.

    Genau genommen lese ich über dieses „Blog vs. Presse“-Dings fast ausschließlich in einem Nischenbereich der Blogosphäre, nämlich dort, wo Journalisten und Blogger „zusammenfallen“ und sich mischen, meist im „Dunstkreis rund um bloggende Journalisten. Ich lese einen Haufen Blogs regelmäßig, auch „Journalistenblogs“, und kann letztere sehr gut von „normalen Privatblogs“ oder auch Themenblogs zu anderen Themen unterscheiden: eben dort findet diese Diskussion statt. Und kaum wo anders. Und wenn woanders, dann finde ich schnell eine Verbindung in die Nische, nämlich eben, weil jemand (mach ich auch manchmal) von dort etwas aufgegriffen hat wozu er auch ’ne Meinung hat.

    Ach, und nicht jede Journalismuskritik in einem Blog spiegelt dieses „Blogger vs. Presse“-Ding wieder, sondern ist in meinen Augen meist eine ganz normale „Rezension“ einer Sache (z.B. eines Artikels, oder eines Vorgehens seitens Medien, oder sonstwie normale Meinungsäußerung, wie zu einem Kinofilm, einem Buch, einem politischen Dings, einem Produkt oder sonstwas, was Anlass zu einem Blogartikel geben kann. Und wenn es breiten Teilen der Medien langsam vorkommt als würden sie im Internet und speziell in Blogs eher kritisch rezipiert: das ist einmal normal, denn über einen „Aufreger“ schreibt man schneller mal was als dass man einen „me too“-Artikel rauslässt (was aber auch oft genug vorkommt, ist also nicht so, dass Blogs Medien nur abkanzelten). Zum anderen aber stelle auch ich – als „Konsument“ und als „Empfänger“ in der klassischen medialen „Sender-Empfänger“-Verständniswelt fest, dass die Suppen immer öfters versalzen sind. Und nein, ich muss nicht selber toll kochen können, um sagen zu dürfen, dass mir eine Suppe nicht geschmeckt hat.

    Den pauschalen Aufruf „an die Blogger“, mal seine Wahrnehmung gegen die „Realität“ (was immer das ist) abzugleichen kann ich also hiermit gern und deutlich – ganz individuell – zurückgeben ;-)

  6. Es ist, so hab ich’s mal gelernt, guter Stil, Namen zu nennen, statt pauschal über „Weltkommentatoren“, „gewisse Teile der Webschreiber“ etc. etc. zu reden. Das nur nebenbei.

    Ansonsten fehlt mir bei dieser seltsamen Einlassung ein klitzekleiner, aber relevanter Aspekt, den man nicht unter sen Tisch fallen lassen sollte. Das Bild, das die professionellen Schreiber zum Beispiel von – da spreche ich mal als Betroffener – der Chemie vermitteln , entspricht eben nicht „annähernd der Wirklichkeit“. Ein beträchtlicher Teil der Blogosphäre speist sich schlicht aus Frust über schlechte Berichterstattung, deren Folgen man tagtäglich erleben kann.

    Ob Blogs daran etwas ändern, ist eine andere Frage. Einfach wegpöbeln lässt sich das Glaubwürdigkeitsproblem des Journalismus jedenfalls nicht. Schön wär’s

  7. Weltregierung schreibt:

    Reinrufen, raussschallen, Wald, lauter Bäume, nichts sehen.

    Ein kurzes Summary dessen was für gewöhnlich
    zwischen den zu Recht um ihr Existenzrecht Bangenden
    und den Menschen, die man früher so gern als Leser oder
    Publikum bezeichnete – abgeht.

  8. Dirk Baranek schreibt:

    Ich will jetzt hier auf einige Punkte eingehen.

    @Wächterfunktion
    Ehrlich gesagt hat es das schon immer gegeben, dass die Leser auf Artikel reagieren. Leserbriefe trudeln auch nach wie vor in Massen ein, wenn was kritisch gesehen wird oder es Fehler gibt. Allerdings, und das habe ich ja auch gesagt, ist das Web mit seinen technischen Möglichkeiten weit dynamischer als die Schneckenpost. Dass allerdings Blogs diese Funktion erfunden haben, ist Unsinn.

    @redaktionelle Freiheit
    Klar, in Blogs kann weit subjektiver geschrieben werden, als in Tageszeitungen. Nix schlimmes, nur man muss es wissen. Bzw. wollen wir das wirklich immer? Ich auf jeden Fall nicht. Mich interessiert oft nicht die Meinung des Autors sondern ich will ungefilterte News.

    @ betrogene Betrüger
    Mir geht es einfach darum, dass viele Blogs an den so verrufenen Medien dranhängen und das ganz normal finden. Von mir aus ok, ergänzt sch halt. Wenns aber mal umgekehrt passiert, wird das skandalisiert. Das nenne ich Heuchelei.

    @Weltregierung
    Deine Beiträge finde ich ziemlich krude. Ich habe im übrigen keinerlei Existenzsorgen, im Gegenteil brummt der Laden, weil es immer mehr Verleger gibt, die auf Qualität setzen. Von daher läuft der Vorwurf, hier würde ein die Ecke getriebener Hund wild zurückbeißen aber auchso was von ins Leere…

    @Sven
    Klassiker! Kein gutes Geld für gute Arbeit? Irgendein Erlösmodell wird es geben müssen oder gibst du deine Musik auch auch für einen feuchten Händedruck weg? Wohl eher nicht.

    Diese Newsgehype von Twitter findet doch hauptsächlich bei Twitter selbst statt, obendrein mit einer solchen Akribie, dass mir ganz elend wird.

    @Namen nennen
    Habe ich mit Absicht nicht gemacht. Will mich nicht auf dieses denunziatorische Niveau begeben.

  9. Naja, ich sehe den Blog so, wie er wohl auch gedacht war im Ursprung. Meine Gedanken, einfach nur zu „Papier“ gebracht. Macnhmal wirr, manchmal informativ. Eigentlich mein elektronisches Gedächtnis. Das Ganze als Tagebuch gesehen, einigen Wenigen (in meinem Fall) bekannt.

    Das Gute ist – im Gegensatz zur Zeitung ist es für den Leser komplett umsonst. Und wer nicht will, der muss ja nicht wieder kommen.

    Und wichtig? Nein, das wird mein Blog nie. Wie könnte ich mich da wichtiger nehmen als zur Zeit ohne Blog?

  10. Dirk Baranek schreibt:

    Hallo DSL, willkommen hier ;-)
    Deine Einstellung ist ja völlig okay. So soll es sein. Es gibt eben nur gewisse Blogger, die das ganz anders sehen, und glauben, nur weil sie ein Blogsystem benutzen, einen höheren moralischen Stellenwert als die „verkommene Journaille zu haben“. Das nervt!

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