Mit dem Bat-Detektor den Fledermäusen zuhören

Im Rahmen der 12. Europäischen Batnight lud der NABU zur Fledermaus-Exkursion am Max-Eyth-See

Während im Kino ein als Fledermaus verkleideter Superheld die Mächte des Bösen bekämpft, geht für seine tierischen Vorbilder der Alltag weiter. Der besteht aus Schlafen am Tag und Jagen in der Nacht. Um sich das in der freien Wildbahn anzusehen, hat der Naturschutzbund am Samstag Abend an den Max-Eyth-See geladen.

Einen Nachteil hat das Beobachten von Fledermäusen, der allerdings gleichzeitig einen wichtigen Teil der Faszination ausmacht, den sie auf Menschen ausüben. Man kann die nächtlichen Räuber nur schlecht sehen. Deswegen konnten die Ferngläser, die einige der etwa 100 Interessenten am Samstag Abend mitgebracht hatten, zumeist nicht zum Einsatz kommen. Eingeladen hatte der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der im Rahmen der 12. European Batnight am Ufer des Max-Eyth-Sees eine Exkursion veranstaltete. „Wir müssen das Image der Fledermaus verbessern,“ sagte Thomas Günther, der sich seit über 25 Jahren mit den Tieren beschäftigt. Denn das Ansehen des harmlosen Hautflüglers mit den großen Ohren ist in der Öffentlichkeit nach wie vor eher von gruseligen Schauergeschichten bestimmt. Dazu tragen sicherlich massentaugliche Kinoereignisse bei, wie der aktuelle Batman-Film, dessen Hauptfigur sich des Fledermaus-Sujets bedient, um des nachts und lautlos das Böse in der Welt zu bekämpfen.

Solche Anleihen der Populärkultur bei den Wundern der Natur sind für Naturschützer allerdings nicht wirklich ein Problem, denn auf der anderen Seite profitieren sie von dem gestiegenen Interesse an Abendsegler, Großer und Kleiner Zwergfledermaus oder der Rauhautfledermaus. Das sind die heimischen Arten, die am Ende der Dämmerung teilweise zu hunderten in ihren Jagdrevieren auftauchen, um sich Mücken und Nachtfalter einzuverleiben. Bis zu 1.000 Insekten fängt ein einziges Tier dabei in nur einer Nacht. Dabei verwenden sie ein raffiniertes Ortungssystem, indem sie Töne im Ultraschallbereich ausstoßen. Bei den meisten Arten ist das jenseits der Wahrnehmungsfähigkeit des menschlichen Ohres, aber bei einigen können Kinder und Jugendliche durchaus noch die Schreie hören.

Denn leise sind sie nicht die Tiere. Bis zu 120 Dezibel Schalldruck wird erzeugt, etwa soviel wie ein Presslufthammer. Insekten, die in diese Höllenkrach geraten, haben wenig Chancen, den flatternden Säugern zu entkommen, die mit 50 Km/h über die Wasseroberfläche dahinjagen und die geortete Beute mit den Flügeln einfangen. Um die Tiere überhaupt wahrnehmen zu können, kommt, typisch Mensch, eine Maschine zum Einsatz, um den die Bösen in den Batman-Filmen jeden Fledermaus-Experten beneiden, den Bat-Detektor. Das Gerät ist etwa so groß wie ein Schuhkarton und mit einem Mikrofon ausgestattet. Das wird in die Luft gehalten, um die eingehenden Schreie aufzuzeichnen. Dann werden die Frequenzen in den hörbaren Bereich umgewandelt und mittels eines eingebauten Lautsprechers ausgegeben. Die zuerst erscheinenden Abendsegler, Spannbreite immerhin 35 Zentimeter, erzeugen eher Knallgeräusche in kurzen Abständen, die Zwergfledermäuse hingegen langgestreckte Töne. Wenn die Beute eingefangen wird, verändert sich der Laut, es wird hektischer. Die am See jagenden Populationen leben tagsüber zumeist in Baumhöhlen, Felsspalten oder Kirchtürmen.

Jetzt im August fressen sie sich Speck an, um für den Winterschlaf gerüstet zu sein. Blut saugen sie natürlich nicht, bis auf einige südamerikanische Arten, die Blut lecken. Angst muss man vor den Tieren also nicht haben. „Fledermäuse sind handzahm und erkennen den Menschen nicht als natürlichen Feind,“ sagte Thomas Günther. Die Haltung als Haustier ist allerdings verboten, aber wenn sich mal ein Exemplar in die gute Stube verirrt, ist keine Panik angesagt. 

[Artikel für den Lokalteil Stuttgarter Zeitung]

Mit dem Bat-Detektor den Fledermäusen zuhören

Anklage wegen Anlagebetrug

Ein 64-Jähriger, der bei einem Anlagebetrug in erheblichem Umfang mitgewirkt haben soll, wurde gestern vor dem Landgericht angeklagt. Der bisher nicht auffällig gewordene KFZ-Unternehmer soll mit einem Komplizen drei Geschädigte um mehr als 700.000 Euro gebracht haben. Gestern versuchte das Gericht ein Geständnis zu erreichen.

Ist es die Überzeugungskraft und kriminelle Energie des Betrügers oder die Leichtfertigkeit raffgieriger Anleger? Welcher Faktor letztendlich den Ausschlag gibt bei der Anbahnung und Durchführung von Betrugsdelikten, bei denen Privatleute große Geldsummen auf Grund enormer Renditeversprechungen anderen überlassen, ist die Aufgabe, vor deren Klärung dann die Gerichte stehen. So auch gestern vor der 17. Großen Strafkammer am Landgericht. Dort wurde von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben gegen einen 64-Jährigen wegen gemeinschaftlichen und gewerbsmäßigen Betrugs.

Zusammen mit einem weiteren einschlägig vorbestraften und zurzeit einsitzenden Haupttäter soll der Angeklagte im Sommer 2004 in drei Fällen insgesamt 725.000 Euro eingesammelt und danach zumindest teilweise in die eigenen Taschen geleitet haben. Versprochen wurden den Geschädigten bei angeblichen Geschäften mit so genannten Bankgarantien Renditen von bis zu zehn Prozent vom eingereichten Kapital – pro Woche! In einem anderen Fall wurden dem Opfer Anteile an einem lukrativen Geschäft mit einer Büroimmobilie verkauft. Der Mann überwies daraufhin eine halbe Million Euro auf ein Konto nach Österreich, das dann von dem Angeklagten und dessen Mittäter abgeräumt wurde. Wo das Geld blieb, ist unklar.

Wie der bisher polizeilich nicht in Erscheinung getretene Beschuldigte, der 1966 aus Kroatien nach Deutschland kam und sich hier eine zunächst gut gehende und dann kriselnde KFZ-Werkstatt in Stammheim aufbaute, der Stuttgarter Zeitung in einer Verhandlungspause schilderte, sei er selbst gutgläubig auf die Versprechungen des alten Bekannten hereingefallen. „Ich war so blöd und habe ihm geholfen,“ sagte er. Inzwischen habe er seine Firma, sein bescheidenes Vermögen und seinen guten Namen verloren. Er legte Wert auf die Feststellung, dass er seit seiner Ankunft in Deutschland jeden Tag gearbeitet habe und bis heute sein Auskommen allein bestreite.

Gestern versuchten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu einer Verabredung außerhalb des Gerichtssaals zu kommen. Dabei ging es wohl um eine Absprache, bei der geklärt wird, welches Strafmaß der Angeklagte zu erwarten hat, wenn er die ihm zur Last gelegten Straftaten eingesteht. „So etwas ist durchaus üblich in solchen Verfahren,“ sagte der anklagende Staatsanwalt Seeger in einem allgemeinen Hintergrundgespräch ohne sich konkret zu diesem Fall zu äußern. Meist liege ein sehr komplizierter Verlauf vor. Es sei oft sehr schwierig, im einzelnen genau nachzuweisen, was mit dem Geld passiert sei, d.h. ob es zu privaten Zwecken veruntreut oder vielleicht doch, wenn auch erfolglos, angelegt worden sei. „Meistens ist das Geld aber weg,“ sagte Seeger. 

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Anklage wegen Anlagebetrug

Luftballons mit guten Wünschen für Tibet

Aktion der Tibetinitiative am Schlossplatz parallel zur Abschlussfeier bei Olympia. Florian Norbu Gyanatshang weiter in Haft.

Pünktlich um 15 Uhr stiegen gestern 100 Luftballons in den Stuttgarter Himmel. Die Stuttgarter Tibetinitiative wollte parallel zur olympischen Abschlussfeier in Peking ein Zeichen setzen. Die Situation für den Stuttgarter Deutsch-Tibeter Florian Norbu Gyanatshang ist unverändert.

Florian Norbu Gyanatshang, der Stuttgarter Deutsch-Tibeter, der Mittwoch Nacht in Peking anlässlich einer schnell und gewaltsam beendeten Protestaktion gegen die Menschenrechtslage in Tibet verhaftet wurde, befindet sich weiter in chinesischer Haft. Das berichtete gestern Jan Weber, Vorsitzender der Stuttgarter Tibetinitiative, der in engem Kontakt mit der Schwester des Menschenrechtsaktivisten steht. Er sei körperlich unversehrt und werde von der deutschen Botschaft betreut, so seine Informationen. „Wir finden die Aktion bewundernswert und sehr mutig. Florian hat ein sinnvolles Zeichen für die internationalen Medien gesetzt,“ sagte Weber gestern am Rande einer Aktion der Initiative am Schlossplatz. 

Parallel zur großen Abschlussfeier der Olympischen Spiele in der chinesischen Hauptstadt stiegen etwa hundert Luftballons in den blauen Himmel. Die orangenen Ballons trugen auf angehängten Postkarten Wünsche für Tibet in den Himmel. Etwa 50 Personen hatten sich gegenüber der Kunstgalerie eingefunden, beantworteten an einem Infostand Fragen von Passanten und sammelten Unterschriften für eine Petition an den deutschen Außenminister. Die Demonstranten, darunter einige Exil-Tibeter, waren sich einig, dass die Aktion von Florian Norbu Gyanatshang zu begrüßen ist. Für Lekshiy Hofheinz, einem mit deiner Deutschen verheirateten Tibeter, der vor etwa drei Jahren aus Indien nach Deutschland kam, hat sie sogar Vorbildcharakter. „Das ist großartig! Meine Freude und ich fragen uns ständig, warum wir nicht so etwas machen, statt hier entspannt zu demonstrieren,“ sagte er. Florian Norbu Gyanatshang kennt er gut und als streitbaren Menschen, der die Konsequenzen bewusst in Kauf genommen habe. Für den 30-Jährigen Sozialarbeiter, dessen Eltern 1962 aus Tibet nach Indien kamen und der noch letzte Woche mit seinem als Bauer in Ost-Tibet lebenden Bruder telefoniert hat, ist die Motivation hoch, sich für sein Land einzusetzen. 

Die Lage sei teilweise katastrophal für die Landbevölkerung. Kaum Schulbildung, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, die Pflicht, Chinesisch zu sprechen seien nur einige der bedrückenden Punkte. In dem Dorf des Bruders würden die Gemeindemitarbeiter, durchweg Chinesen, jeden Morgen bewaffnet und militärischer Kleidung durch die Straßen marschieren. Schnelle Lösungen für das Problem kann Hofheinz nicht erkennen, weil die Chinesen, auch solche, die hier in Deutschland leben, in der Tibet-Frage zunächst mal Nationalisten seien, unabhängig von einer Zustimmung zum aktuellen Herrschaft der Kommunistischen Partei. „Das wird noch lange dauern,“ sagte er. Die Olympischen Spiele sieht er im Rückblick durchaus differenziert. Durch das weltweite Medieninteresse sei auch die Situation im Himalaya wieder mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Den Olympia-Veranstaltern sei es nicht gelungen, die Probleme Tibets aber auch ihre eigenen Defizite bei der demokratischen Entwicklung vollständig hinter der Propagandashow zu verstecken.

Das ist auch die Meinung von Jan Weber. Zwar hätten sich schon nach den teilweise gewalttätigen Protesten in Tibet im Frühjahr diesen Jahres viele neue Gesichter bei der Initiative eingefunden, aber durch das Sportereignis sei die mediale Resonanz auf ihre Mahnwachen und Aktion sehr hoch gewesen. Trotzdem bleibe ein „schaler Beigeschmack“, nämlich dass China überhaupt die Olympischen Spiele habe austragen dürfen. Nach dem Großereignis werden sicherlich etwas mehr Ruhe einkehren, aber immerhin bleibe den Aktivisten nun auch mal etwas Zeit um durchzuatmen. Natürlich werde die Initiative weiter arbeiten und auch Spenden sammeln. Interessenten könnten sich im Internet (www.tid-stuttgart.de) auf dem Laufenden halten. Die Erfolgschancen der Arbeit sieht Weber ohne Illusionen, vor allem was die Forderung nach einem eigenen Staat für Tibet angeht. „Wir fordern nur das, was Mao damals versprochen hat: kulturelle und teilweise politische Autonomie,“ sagte Weber. Wenn das im Rahmen eines demokratischen, chinesischen Staates erreicht sei, dann könne man weitersehen. Aktuell werde man dem sicherlich bald nach Stuttgart zurückkehrenden  Florian Norbu Gyanatshang einen herzlichen Empfang am Stuttgarter Flughafen bereiten, falls die organisatorisch möglich ist.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Luftballons mit guten Wünschen für Tibet

Prozess wegen Autoschieberei

Mehrere hunderttausend Euro soll der Schaden betragen, den eine Bande von Autoschiebern im letzten Jahr verursacht haben soll. Gestern begann der Prozess gegen einen 38-Jährigen, der aber die ihm zur Last gelegten Taten abstritt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gewerbsmäßige Hehlerei und Bandenmitgliedschaft vor.

Die Masche war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft immer die gleiche. Man besorgt sich auf der Basis von Leasingverträgen hochwertige Lastwagen und Kleintransporter, bevorzugt der Marken Mercedes-Benz und MAN, und meldet die Autos nach einer gewissen Zeit als gestohlen. Anschließend werden die Fahrzeuge über die Türkei nach Syrien geschafft und dort mit Gewinn verkauft. Auf diese Art und Weise sollen laut gestriger Anklage vor der 16. Strafkammer des Landgerichts fast zwei Dutzend Fahrzeuge verschoben worden sein. Gesamtschaden: mehrere hunderttausend Euro.

An diesen Straftaten mitgewirkt zu haben, wird ein 38-Jähriger beschuldigt, der 1992 aus der Zentraltürkei als Student nach Deutschland einwanderte. Hier schlug er sich aber zunächst als Kellner und Produktionshelfer durch und arbeitete in der Transportfirma eines älteren Bruders. Zeitweise betätigte er sich als Bauunternehmer in Bietigheim-Bissingen und hatte zuletzt ein großes Einzelhandelsgeschäft im westfälischen Bielefeld. Das ging offensichtlich gut, wie der Angeklagte ausführte, denn er habe überhaupt gar keinen Anlass gehabt, diese illegalen Geschäfte zu tätigen. Inzwischen war er aber schon ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten, die auch sein Telefon überwachten. Teile der Anklage fußen zudem auf Aussagen weiterer Personen, die zu dem Beziehungsgeflecht gehörten und bereits vor Gericht standen. Staatsanwalt Hengstler sieht es jedenfalls als erwiesen an, dass der Angeklagte sich der gewerbsmäßigen Hehlerei als Mitglied einer Bande schuldig gemacht hat.

Nächste Woche werden daher insgesamt 19 Zeugen vor Gericht erscheinen, um ihre Aussage zu machen. Schon gestern wurde klar, dass es einigen Aufwand kosten wird, das Geflecht von Verwandten und Bekannten zu entwirren, in dem sich der Angeklagte bewegte und das fast an mafiöse Strukturen erinnert. Dieser Eindruck wurde durch Einlassungen des Angeklagten erhärtet, der zugab, den Kauf eines 9mm-Revolvers vermittelt zu haben. Ein Bekannter habe „Probleme mit Leuten“ gehabt und ihn nach Möglichkeiten gefragt, eine Schusswaffe zu erwerben. Auf seine Vermittlung hin kam es dann zu der Übergabe der Pistole im März 2007 auf dem Parkplatz der Moschee in Feuerbach. Die 1.200 Euro, die dafür fällig waren, wurden von dem Angeklagten bezahlt, der sie als „Geschenk“ weitergab, so seine Aussage gestern. Auch sonst war man nicht zimperlich. Mehrfach wurde offenbar intern besprochen, missliebige, konkurrierende Geschäftsleute und Zeugen mit negativen Aussagen vor Gericht mit körperlicher Gewalt zu bedrohen oder deren Läden anzuzünden. Für den Angeklagten waren all das nur „Scherze“ und Missverständnisse der Ermittler aufgrund der für blumige Redensarten bekannten türkischen Sprache.  

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Prozess wegen Autoschieberei

Messerstecherei wegen Liebeshändel jetzt vor Gericht

Ein 21-Jähriger aus Wangen muss sich wegen versuchtem Totschlag vor der 2. Jugendkammer des Landgerichts verantworten.

Gerade aus der Haft entlassen begann der Angeklagte ein Verhältnis mit der langjährigen Verlobten des Bruders des späteren Opfers. Dieser hatte sich bei einem Streit zwischen die Kontrahenten geworfen und trug dabei eine schwere Verletzung durch einen Messerstich davon. War es Notwehr oder versuchter Totschlag, diese Frage muss das Gericht nun klären.

Vor der zweiten Jugendkammer des Landgerichts hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart gestern Anklage gegen einen 21-Jährigen wegen versuchten Totschlags erhoben. Die Tat ereignete sich am Abend des 8. Januar diesen Jahres beim Inselbad in Untertürkheim. Im Zuge einer Auseinandersetzung mit zwei jungen Männern, den Brüdern Maikel und Rafi A., zu dem sich das verabredete Treffen entwickelte, hatte der Angeklagte dem jüngeren der beiden Brüder ein Küchenmesser in den Rücken gerammt. Das Tatwerkzeug, dessen Griff beim Zustechen abbrach, hatte eine 6,5 Zentimeter lange Klinge und verursachte eine schwerwiegende Verletzung. Das Opfer hatte allerdings erhebliches Glück im Unglück, denn obwohl die Klinge durch Kunstlederjacke und Pullover fast vollständig eindrang, wurden keine inneren Organe verletzt. Trotzdem musste der schwer Verletzte operiert werden und zwei Wochen im Krankenhaus bleiben. Noch heute habe er Schmerzen, sagte der junge Mann gestern als Zeuge aus. Die Staatsanwaltschaft sieht es nach den Ergebnissen der bisherigen Ermittlungen als erwiesen an, dass der Täter es „zumindestens billigend in Kauf nahm, durch den kraftvollen Stich lebenswichtige Organe zu verletzen,“ wie Staatsanwalt Gernot Blessing in seiner Anklage sagte.

In der Verhandlung gestern ergaben sich erhebliche Widersprüche zwischen der Aussage des Täters und des Opfers bezüglich des Tathergangs. Der Beschuldigte, der im Alter von zwei Jahren mit drei Geschwistern und seinen Eltern aus dem Kosovo nach Deutschland kam, bestritt die Tötungsabsicht und berief sich auf sein Recht auf Notwehr. Die beiden Brüder hätten ihn mehrfach geschlagen, sodass er keine andere Möglichkeit gesehen habe, als sich mit dem angeblich zufällig mitgeführten Messer zur Wehr zur setzen, um sich zu schützen. Mehrfach habe er den Tatort während des  Wortwechsels verlassen wollen, was aber nicht möglich gewesen sei. Den Aussagen nach ging es bei dem Treffen um ein Thema, über das sich die Beteiligten zu der Zeit schon seit Wochen gestritten hatten. Anlass war eine Beziehung des Angeklagten mit der langjährigen Freundin des älteren Bruders Rafi, Christina  Sch.. Aus dem Techtelmechtel, in dessen Verlauf die beiden sich übrigens innerhalb von etwa einem Monat 1.4000 SMS schickten, schien etwas ernstes zu werden, was Rafi A. natürlich nicht schmecken konnte.

Immer wieder habe Rafi A. mit ihm geredet und bei ihm angerufen, ob seine Verlobte gerade mit ihm zusammen sei. An dem fraglichen Abend habe man sich nochmals vor dem Inselbad verabredet, um die Summe von 30 Euro zu übergeben, die der Angeklagte den Brüdern schuldete. Nach der Geldübergabe sei dann der Streit über das Thema wieder ausgebrochen. Anwesend waren dort aber nicht nur die beiden Kontrahenten, sondern auch der jüngere Bruder und die ehemalige Verlobte. Als die Auseinandersetzung schließlich eskalierte, sei es zu Schubsereien gekommen, woraufhin der Täter ein Messer gezogen habe. Dessen erster Versuch, seinen Bruder zu verletzen, sei gescheitert, berichtete der jüngere der beiden gestern. Der zweite habe dann ihm gegolten und er sei am Rücken verletzt sofort bewusstlos zusammengebrochen.

Diese Darstellung steht im Widerspruch zu den Darstellungen des Angeklagten, der sich nicht nur bedroht sah, sondern ausführte, er sei von den Brüdern mit Faustschlägen eingedeckt worden und fast zu Boden gegangen. Daraufhin habe er mit dem Messer, das er im Laufe des Tages zwecks Vesper in der Mittagspause auf der frisch angetretenen Arbeit als Gebäudereiniger mit sich geführt habe, aus der Jackentasche geholt und einmal zugestochen. Es sei reine Notwehr gewesen, führte er aus, was allerdings nach Mimik und Körpersprache zu urteilen, nicht recht glaubwürdig wirkte. Auch wies er wohl nach der Tat keine Blessuren auf, die auf eine Schlägerei deuten ließen.

Tatsächlich steht für den Angeklagten auch einiges auf dem Spiel. Sein Strafregister weist etliche Eintragungen auf wegen Körperverletzungen und Drogendelikten. Zur Tatzeit war er zur Bewährung auf freiem Fuß, weshalb ihn der Untersuchungsrichter auch nach der Festnahme in seiner Wangener Wohnung kurz danach in Untersuchungshaft nahm, aus der er bisher nicht entlassen wurde. Bei einer Verurteilung wegen versuchtem Totschlag droht ihm nun eine längere Haftstrafe. Bei den zwei weiteren, vom Gericht angesetzten Terminen treten in den folgenden Tagen insgesamt elf Zeugen auf sowie ein medizinischer Sachverständiger. Der soll unter anderem klären, wie die Stichverletzung zustande gekommen sein muss.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Messerstecherei wegen Liebeshändel jetzt vor Gericht