Neuer See wird abgelassen

Ein Staudamm muss saniert und zusätzlich gesichert werden. Landschaftsbild wird sich ändern.

Die historische Parkanlage am Bärenschlösschen mit den fünf Seen ist in die Jahre gekommen und muss teilweise saniert werden. Um im September mit den Arbeiten am größten Damm beginnen zu können, wird in den nächsten Wochen das Wasser des Neuen Sees abgelassen. 

Auf Grund einer Sanierung des Staudammes wird das Wasser des Neuen Sees in unmittelbarer Nähe des als Ausflugsziel beliebten Bärenschlössle in den nächsten Wochen abgelassen. Die zwischen Bärensee und Pfaffensee gelegene Wasserfläche muss trockengelegt werden, um einen zur Magstadter Straße hin gelegenen Staudamm zu erneuern und zusätzlich zu sichern. Außerdem werden die Dämme, die drei Seen voneinander trennen, von Pflanzenbewuchs befreit, um ein weiteres Eindringen von Wurzelwerk in die Erdaufschüttungen zu verhindern.

Der gesamte Komplex ineinanderfließender und gestauter Oberflächengewässer und Bachläufe wird von der EnBW betrieben. Das Unternehmen steckt 700.000 Euro in die Erhaltung der teilweise mehrere hundert Jahre alten Anlage, die einmal als Trinkwasserreservoir für die Stadt diente. „Jetzt ist das ein reines Naherholungsgebiet,“ sagte Joachim Gelewski, Wassertechniker bei der EnBW in Stuttgart. Obwohl seit 1998 ohne wirtschaftlichen Wert betreibt das Unternehmen die Anlage weiter und sieht sich jetzt auf Grund eines Gutachten der Universität Stuttgart gezwungen, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Daher wird an dem 160 Meter langen und an der Basis 60 Meter breiten Bauwerks eine Oberflächenabdichtung der Wasserseite vorgenommen, eine Drainage eingebaut und das Ablassventil zur Glems hin erneuert. Denn so wie den Parkseen ständig Wasser zugeführt wird, so fließt kontrolliert auch ständig welches ab.

Was genau die Bauleute in dem Schieber mit Kanal erwartet, weiß im Moment niemand. „Wir müssen erst das Wasser ablassen, um zu sehen, was da los ist,“ sagte Gelewski. Bewegen lässt sich die Metallkonstruktion jedenfalls nicht mehr und das schon seit 30 Jahren. Das war bisher auch kein Problem, denn es fließen wie gewünscht 15 Liter pro Sekunde in die Glems. Trotzdem war man aufgeschreckt, als 2006 bei Routinekontrollen im oberen Bereich des Dammes undichte Stellen entdeckt wurden. Daraufhin wurde der Wasserstand um einen halben Meter reduziert und die Prüfung eingeleitet, aus der sich die jetzt angesetzten Arbeiten ergaben.

Bis September soll das Wasser größtenteils durch den Metzgerhaustollen über die Gallenklinge in den Feuerbach abgelassen sein. Dann wird der Württembergische Anglerverein, der die Seen gepachtet hat, die vorhandenen Fischbestände abfischen. Das Landschaftsbild wird sich an den betroffenen Stellen auf jeden Fall einschneidend ändern, denn die zwischen den Seen gelegenen Dämme werden im Gegensatz zur aktuellen Situation klar als solche erkennbar und nur noch mit Rasen bepflanzt sein. Die Entfernung des Baumbestandes ist zum einen gesetzliche Pflicht und hat zum anderen den Nebeneffekt, dass die historischen Sichtachsen wieder hergestellt werden. Die Rodung des Baumbestandes wird aber erst im Herbst vollzogen. Während der Bauarbeiten, die von September bis März dauern sollen, werden einige Wege gesperrt. Im nächsten Sommer wird man auf dem sanierten Damm wieder von einem See zum nächsten schauen können.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Neuer See wird abgelassen

Europas Jugend mischt sich ein

Stadtjugendring startet EU-Projekt zur Mitwirkung Jugendlicher in der Kommunalpolitik.

Mit einem Workshop hat der Stadtjugendring ein Projekt zu Mitwirkung Jugendlicher an kommunalen Entscheidungsprozessen in der EU gestartet. Eingeladen waren Jugendliche aus den Partnerstädten Straßburg und Lodz. Der Bedarf ist vor allem bei den EU-Neumitgliedern groß, wie die polnischen Teilnehmer berichteten. 

Die politische Beteiligung Jugendlicher auf kommunaler Ebene zu verbessern, ist eines der Ziele, das sich die Europäische Union auf die Fahne geschrieben hat. Konkret umgesetzt werden solche Politikziele zumeist in der Förderung entsprechender Projekte. Eines davon ist das Projekt Participation Now, das der Stuttgarter Stadtjugendring entwickelt hat und dessen erste Stufe am Wochenende durchgeführt wurde. Je zwei Jugendliche aus der Landeshauptstadt sowie deren Partnerstädten Lodz und Straßburg waren zusammengekommen, um eine Konferenz thematisch vorzubereiten, die im September in der Elsassmetropole stattfinden wird. Bei diesem Jugendhearing sollen die Ergebnisse auch direkt in die Politik eingespeist, genauer: den Entscheidungsträgern im Europäischen Parlament vorgestellt werden. Zuletzt wird es im Sommer 2009 eine Ergebniskonferenz im polnischen Lodz geben, um die erzielten Fortschritte zu protokollieren und weitere Ziele zu definieren. 

Während des Treffens in Stuttgart wurde allerdings auch deutlich, wie groß im Moment die Unterschiede in den Partnerstädten bei den Möglichkeiten der politischen Mitwirkung sind. Während Stuttgart mit seinen in den letzten Jahren sich immer besser entwickelndem System der Jugendstadträte hier durchaus Vorbildcharakter hat, stehen die Jugendlichen aus Lodz noch ganz am Anfang. Wie Mateusz Stasiak berichtete, gibt es in der ostpolnischen Millionenstadt zwar ebenfalls eine Art kommunaler Jugendvertretung, aber die lokalen Politiker würden deren Arbeit nicht recht ernst nehmen. Die Folge ist ein Mangel an nichtkommerziellen Freizeitangeboten mit der Konsequenz, dass viel auf der Straße stattfinde, was der 15-jährige Kacpar Zawratynski überhaupt nicht gut fand. „Die Jugendlichen müssen auf den Plätzen in der Stadt herumlungern, rauchen und trinken Alkohol,“ sagt er.

Als Ergebnis des Wochenendes stand denn auch die Schaffung von Treffpunkten ganz oben auf der Themenagenda der Teilnehmer. Spielstätten einzurichten wie zum Beispiel Plätze zum Skateboardfahren, offene Treffpunkte wie das Jugendcafé in Weil im Dorf zu unterhalten oder legale Möglichkeiten, um dem so beliebten Grafitti-Sprayen nachzugehen – das sind Angebote, für die sich die Jugendliche mehr Unterstützung von den europäischen Institutionen erhoffen. Die sollen Richtlinien erlassen, in denen eine verbindliche Einführung jugendlicher Gremien zur institutionellen Mitwirkung an kommunalen Entscheidungen festgeschrieben wird. Wie Marc Fischer vom Stadtjugendring Stuttgart feststellte, ist diese Partizipation auch Teil des gerade stockenden Lissabon-Prozesses und des gerade von den Iren abgelehnten Vertragswerkes. „Im Lissabon-Vertrag steht, dass alle Bürger an Entscheidungen auf lokaler Ebene zu beteiligen sind und dazu gehören dann ja auch die Jugendlichen,“ sagte er. Des weiteren konstatierten die Teilnehmer des Workshops Defizite bei der Herausbildung einer europäischen Bürgerschaft. Hier müsste in den Schulen und den beruflichen Ausbildungsstätten noch viel mehr getan werden, stellten sie fest. Die Förderung der Sprachkompetenzen, der Ausbau von Austauschmöglichkeiten und die Propagierung der Gemeinsamkeiten soll das etwas kopflastige Konstrukt EU mit konkreten Leben als Europäer füllen. 

Finanziert wird das Stuttgarter Projekt aus EU-Mitteln, mit Unterstützung der beteiligten Städte. Bei deren Auswahl hat der Stadtjugendring bewusst auf die existierenden Städtepartnerschaften zurückgegriffen. Wie Bettina Schäfer berichtete, habe man damit der Tatsache Rechnung getragen, dass es durch die langjährigen Kontakte einige sehr gute Netzwerke gäbe. Auf die habe man zurückgegriffen, um mit dem Workshop und den zwei Konferenzen Europas Politiker auf allen Ebenen für die Anliegen und Bedürfnisse Jugendlicher zu sensibilisieren. Das könne nur überzeugend gelingen, wenn die Jugendlichen selbst die Themen entwickelten und transportierten. Mit dem Stuttgarter Treffen wurde hier erfolgreich ein Anfang gemacht.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Europas Jugend mischt sich ein

Zeitzeugnisse allerersten Ranges

Auf der 100. Ausgabe der Ansichtskartenmesse haben sich in der Liederhalle Sammler und Liebhaber getroffen

Seit 1979 findet in Stuttgart drei- bis viermal im Jahr die Ansichtskartenmesse statt. Inzwischen ist daraus die wichtigste ihrer Art bundesweit geworden. Nicht zu Unrecht, denn die Karten mit den Bildmotiven bergen durchaus kleine kulturhistorische Schätze.

Das Mädchen mit der weißen Haube und dem roten Blumenstrauß schaut etwas verträumt aus der Grafik im Jugendstil. Hinter ihr ist eine fiktive Parkanlage abgebildet, deren beetgesäumte Wege im Horizont enden. Geworben wird vom Verlag Reklamekunst Stuttgart für die Große Frühjahrs Gartenbau-Ausstellung, die, so kann man lesen, vom 3. bis 12. Mai 1913 in der Gewerbehalle vom Württembergischen Gartenbauverein durchgeführt wurde, „Unter dem Schutz Sr. Maj. d. Königs“. Verschickt wurde die mit winzigem Sütterlin eng beschriebene Postkarte vier Tage nach dem Ende der Ausstellung nach Frankfurt-Echersheim „mit lieben Grüßen an Elisabeth“. 

Solche auf den ersten Blick unscheinbaren Perlen deutscher Alltagsgeschichte kann man auf der Ansichtskartenmesse in der Liederhalle aufstöbern, die am Samstag zum 100. Mal stattfand. Etwa 800 Besucher kamen, um an der Ständen der über 80 Händler aus dem In- und Ausland ihre Sammlungen durch neue Stücke zu ergänzen, jeder natürlich in seinem persönlichen Spezialgebiet. Bei dessen Auswahl lassen sich 

durchaus geschlechtsspezifische Merkmale beobachten, wie Fritz Keller, langjähriger Organisator der Messe, feststellt. „Männer sammeln topographisch, Frauen meist motivorientiert,“ sagt er. Während sich also der maskuline Teil der Welt, die bei diesem Hobby im übrigen die große Mehrzahl der Interessierten stellt, eher auf eine bestimmte Region oder Stadt ausrichtet, von der man möglichst alle Ansichtskarten besitzen möchte, sucht die weibliche Kundschaft gerne nach Tiermotiven oder Glückwunschkarten zu den christlichen Feiertagen. 

Mit einer Mischung aus privatem und wissenschaftlichem Interesse ist Joachim Wollasch aus Freiburg angereist. Der emeritierte Geschichtsprofessor von der Universität Münster interessiert sich für Stücke aus dem Zweiten Weltkrieg. Angefangen mit dem Sammeln hat er vor zehn Jahren und besitzt inzwischen 3.000 Exemplare. Feldpostkarten, Städtemotive aber auch Propagandakarten sind für ihn generell wichtige historische Bild-Zeugnisse von hohem Wert. Deshalb gehen auch viele Sammlungen nach dem Tod des Eigentümers an Museen und historische Archive. Faszinierend findet Wollasch auch die Widersprüche zwischen der heilen Welt der Fotomotive und den ernüchternden Mitteilungen der Kriegsteilnehmer an ihre Familien. „Die Zensur hat nicht sehr gut funktioniert. Sogar Orte sind verbotenerweise vermerkt,“ sagt er verschmitzt. Viele erschütternde Nachrichten seien zu finden. 

Es drängt sich der Eindruck auf, die Ansichtskarte sei mit dem Krieg verschwägert, dabei stieg nur der Kommunikationsbedarf. Im Krieg 1870/71 hatte die kurz zuvor eingeführte, so genannte Correspondenzkarte  ihren Durchbruch. Mit dem Entstehen des bürgerlichen Tourismus setzte sich der Siegeszug fort. Bereits 1905 wurden allein im Deutschen Reich über 500 Millionen Karten verschickt, eine Zahl, die nur noch von den Massen übertroffen wurde, die die Volksheere aus den Schützengräben des ersten Weltkriegs in die Heimat schickten. Es war der wenn auch traurige Höhepunkt der Ansichtskarte. Der ganz Rest bis heute ist im Grunde Abklatsch, lange Agonie, abebbende Nachwelle. Oder wie Fritz Keller sagt: „Die Karte verflachte zum simplen Reisegruß.“ Etwa 400 Millionen gehen heute jährlich noch durch die Post, in ganz Europa.

Die große Masse der historischen  Poststücke wird auf der Messe zu Preisen zwischen fünf und zwanzig Euro gehandelt. In den Ramschkisten finden allerdings Anfänger schon wesentlich billiger Material für den Grundstock einer Sammlung. Daran gehen natürlich die Spezialisten Nase rümpfend vorbei. Die sitzen blätternd vor den wohlsortierten Schachteln der Händler, unter denen die Stuttgarter Messe als ziemlich wichtig gilt. Auch Ron de Bijl aus dem niederländischen Wassenaar macht hier „guten Business“ und bietet seine Ware ein- bis zweimal im Jahr an. Sein teuerstes Stück ist eine bestens erhaltene Serie italienischer Karten mit Propaganda-Karikaturen aus dem ersten Weltkrieg. Mindestens 700 Euro will de Bijl dafür haben. Das Mädchen von der Gartenbauaustellung hat nur zehn gekostet und sieht sowieso viel schöner aus.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Zeitzeugnisse allerersten Ranges

Neuer Campus für die Waldorf-Uni

Haussanierung und Gartengestaltung schaffen Raum für weltweites Zentrum der Waldorfpädagigik

Waldorf wächst, auch in der Lehrerausbildung. An der Uhlandshöhe wurde gestern nicht nur der Umbau einer Villa zum Seminarhaus gefeiert, sondern auch die Eröffnung eines veritablen Campus. Die Freie Hochschule mit 300 Studierenden hat jetzt ein neues Zentrum.

Das Gebäudensemble der Waldorfpädagogen unterhalb der Uhlandshöhe ist um ein neues Schmuckstück reicher. Gestern wurde mit einer Feierstunde das sanierte und umgebaute Haus in der Haußmannstraße 48 eröffnet, aber tatsächlich geht die Bedeutung des damit entstandenen Campus über eine simple Renovierung weit hinaus. Kräftig umgestaltet wurde auch der Garten hinter der 2005 von der Freien Hochschule für Waldorfpädagigk gekauften Privatiersvilla. Mauern wurden niedergerissen und eine leicht ansteigenden Streuobstwiese angelegt, die die Verbindung zu dem dahinter liegenden Seminargebäude der Hochschule darstellt, Darum gruppiert sich eine Art Amphietheater aus grob behauenem fränkischen Jura.

„Wir wollten etwas mit schwäbischen Anklängen gestalten,“ sagte Georg Schumacher, Dozent für Gestaltung an dem Seminar, in dem 300 Studierende zu Lehrern an Waldorfschulen aus- und fortgebildet werden. Über zwei Millionen Euro wurden investiert, um die bisher auf mehrere Gebäude verstreuten Seminare in eine vorher nicht vorhandene räumlichen Zusammenhang zu bringen. Vier Kursräume entstanden in der Villa, eine Mitarbeiterwohnung sowie eine Cafeteria.

Damit will die Hochschule, die als einzige der reformpädagogischen Bewegungen eine eigene Lehrerausbildung in unabhängigen, allerdings staatlich anerkannten Seminaren anbietet, ihrer Bedeutung als Zentrum der Waldorfbewegung Ausdruck verschaffen. Die ist inzwischen global und mit fast 1.000 Schulen ein weltweites Phänomen. So kommen die Studenten denn auch aus 50 verschiedenen Ländern, um sich in die pädagogische Theorie und Praxis auf der Basis der Lehren von Rudolph Steiner einführen zu lassen. 120 verlassen jedes Jahr die Einrichtung und tragen nicht nur das ganzheitliche Bildungskonzept, sondern auch ihr Bild von Stuttgart als den Ort in die ganze Welt, an dem die Ideen Steiners 1919 an gleicher Stelle zum ersten Mal Realität wurden.

Ein historisches Pfund, mit dem auch Bildungsbürgermeisterin Susanne Eisenmann in ihrem Grußwort wucherte. „Wir sind stolz auf Sie,“ sagte Eisenmann und lobte das gelungene architektonische Gesamtkunstwerk. Angesichts der stark wachsenden Zahl von Eltern, die ihre Kinder lieber in eine private Schule in freier TRägerschaft als in eine staatliche Schule schicken, äußerte sich Claus Schmiedel, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, etwas nachdenklicher. Es sei es ein Alarmzeichen ersten Ranges, wenn so viele bildungsnahe Familien sich gegen das staatliche Angebot entscheiden, was er in Bezug auf die Qualität des Unterrichts gleichwohl verständlich fand. Alle Politiker betonten denn auch die wichtige Rolle der freien Schulen, um dem öffentlichen System Beine zu machen oder wie es Winfried Kretschmann von den Grünen formulierte: „Sie sind die Hefe im Teig des trägen staatlichen Schulwesens.“ Um im Bild zu bleiben: Die Züchtung dieser Hefe hat jetzt ihren würdigen Ort gefunden.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Neuer Campus für die Waldorf-Uni

Perspektiven für Menschen mit Defiziten

Mit einem Modellprojekt wird Geistigbehinderten der Berufseinstieg ermöglicht

Menschen ohne Ausbildung haben große Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Das gilt umso mehr für Menschen, die auf Grund einer geistigen Behinderung nicht ausbildungsfähig sind. Statt einer Perspektive in einer geschützten Werkstatt versucht ein Modellprojekt in Stuttgart jetzt einigen eine Chance in der Berufswelt zu ermöglichen.

Um die berufliche Eingliederung von Menschen mit geistigen Behinderungen ist es nicht zum Besten gestellt. Für die allermeisten sind die Chancen, abseits der geschützten Werkstätten eine Stelle auf dem regulären Arbeitsmarkt zu finden nur gering. Um wenigstens einem Teil der Absolventen von Förderschulen und Schulen für geistig Behinderte eine Perspektive im normalen Berufsalltag zu geben, wird in Stuttgart mit dem nächsten Schuljahr ein Modellprojekt ins Leben gerufen, das in dieser Form im Land einzigartig ist, so Rüdiger Hezel, Rektor der Gustav-Werner-Schule. Das Besondere daran ist vor allem die Kooperation vieler verschiedener Beteiligter. Neben den Förderschulen und den Schulen für Geistigbehinderte und für Körperbehinderte bemühen sich auch der Integrationsfachdienst (IFD), verschiedene Schulverwaltungsämter bei Stadt und Land sowie einige engagierte Unternehmen. In einer Art selbstorganisierten Vorphase wurden bereits erste positive Ergebnisse erzielt. Jetzt geht es darum, das Projekt zu verstetigen.

Zielgruppe des Projektes sind die leistungsschwächsten Schüler der Förderschulen sowie die leistungsstärksten aus dem Bildungsgang für Geistigbehinderte. „Es geht um etwa je zehn bis fünfzehn Prozent aus diesen beiden Schularten,“ sagte Hezel, der das Projekt am Dienstag Abend einer Runde aus Beteiligten und der Politik vorstellte. Die schulpolitischen Sprecher der Gemeinderatsfraktionen äußerten sich denn auch unisono positiv über die Anstrengungen, bei denen die sorgfältig ausgewählten Schüler über drei Jahre hinweg mit Praktika und berufsbegleitendem Unterricht für die Arbeitswelt fit gemacht werden. Etwa 40 Schüler will man in den nächsten drei Jahren so begleiten und eine realistische Chance in der Arbeitswelt geben. Dabei kommen Tätigkeiten in der Hauswirtschaft, der Gastronomie, im Lagerbereich oder auch im KFZ-Handel in Frage.

Positive Erfahrungen mit dieser Personengruppe hat Andreas Meixner gemacht, der in Cannstatt einen Abschleppdienst mit sechs Mitarbeitern betreibt. Die Schüler seien durchweg hochmotiviert und jeder habe trotz generell eingeschränktem Leistungsspektrum besondere Kompetenzen, die man eben finden und fördern müsste. Mit dem Projekt soll denn auch dem in den letzten Jahren einem starken Wandel unterworfenen Bild auf diese Personengruppe Rechnung getragen werden. „Wir wollen weg von der Defizitorientierung hin zu einer Betonung der vorhandenen Kompetenzen,“ sagte Thomas Hofmann, Schulleiter an einer Schule für Körperbehinderte.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Perspektiven für Menschen mit Defiziten