Als Untertan zu Füßen des Throns

In einer Sonderführung kann man die nicht öffentlichen Räume im Neuen Schloss besichtigen

Das Neue Schloss beherbergt neben zwei Ministerien auch repräsentative Räume für Empfänge der Landesregierung. Im Rahmen einer Sonderführung kann man diese nicht öffentlichen zugänglichen Teile des Gebäudes besichtigen und sich entführen lassen in das höfische Zeremoniell.

„Wir befinden uns an einem historischen Ort,“ sagt Christine Raible, Kunsthistorikerin bei den Staatlichen Schössern und Gärten, die in der nächsten Stunde durch das Neue Schloss führt. „Hier in diesem Schloss wurde am 1. Januar 1806 Herzog Friedrich zum ersten König von Württemberg gekrönt.“ Eine gewisse monarchische Ergriffenheit macht sich unter den Zuhörerinnen breit, denn es sind in der Mehrzahl ältere Damen, die heute an der Führung teilnehmen. Diese Stimmung hat keine große Chance sich zu vertiefen, da man gleich als nächstes erfährt, dass eigentlich alles, was die kleine Gruppe in der nächsten Stunde sehen wird, nicht mehr von damals ist.

 1945 standen von dem zwischen 1746 und 1762 errichteten Barockschloss nur noch die Außenmauern. Selbst Marmor, Travertin und Muschelkalk, die man zum Innenausbau verwendet hatte, waren durch die Flammen unbrauchbar geworden. Heute steht man also in einer 40 Jahre alten Kopie, die obendrein nicht in allen Ecken dem Original entspricht. Zwar wurden die edlen Steine, die man im prächtigen Treppenhaus und im haushohen Marmorsaal bewundern kann, wie 200 Jahre zuvor aus schwäbischen Steinbrüchen herangeschafft, aber die Innenausstattung und Bemalungen waren unwiederbringlich verloren. Die Deckengemälde hätte man gerne rekonstruiert, es gab jedoch nur schwarz-weiße Dokumente. So blieb alles weiß, bis auf die Aeneasgalerie. In dem langen hohen Raum sieht man eine verspielte, bunte, figurenreiche Szene aus der griechischen Mythologie. Denn als 1930 eine schon Anfang des 19. Jahrhunderts eingebaute Zwischendecke entfernt wurde, entdeckte man das historische Fresko und machte Farbfotos. Diese wurden nach dem Krieg als Vorlage bei der Neubemalung benutzt.

Die Führung geht nicht durch das gesamte Schloss – Finanz- und Kultusministerium in den beiden Seitenflügeln residieren in unspektakulären Zweckeinbauten – sondern nur durch den vom Staatsministerium für Repräsentationszwecke genutzten Mittelflügel. Der umfasst mehrere Säle und großzügige Nebenräume, in denen der Ministerpräsident Staatsgäste empfängt, wie zum Beispiel den spanischen König Juan Carlos I im Frühjahr 2006. Da ist es wieder, dieses Leuchten in so manchen Augen, denn Christine Raidle, die an einzelnen Stationen sehr kompetent und anschaulich das komplexe Gebaren am königlichen Hofe erläutert, schlägt jetzt den Bogen vom monarchischen Hofzeremoniell zum diplomatischen Protokoll moderner Zeiten.

Vor zweihundert Jahren war die Welt des württembergischen Hofes gefüllt mit Hofmarschällen, Flügeladjudanten, Oberzeremonienmeistern und Kammerjunkern, die streng nach Hierarchie hinter dem König vom Marmorsaal in den Weißen Saal schritten. Dass man sich an diesem Ort bis heute nicht so ganz von den Riten dieses Machtspektakels verabschieden kann, zeigt der Umstand, wer 2006 dem Ministerpräsidenten und dem spanischen König auf dem Fuße folgte. War es der Landtagspräsident? Der oberste Richter? Der Bürgermeister? Weit gefehlt: Es war der Privatier mit den Namen Carl Herzog von Württemberg. Die Damen lächeln gütig ob des lässlichen, antirepublikanischen Fehltritts. Es weht ein Hauch Aristokratie in den hohen Fluren und lichtdurchfluteten, goldbestuckten Räumen. Wer also wissen möchte, wie man sich fühlt, als Untertan zu Füßen des Throns, damals und heute, der kommt mit dieser Führung auf seine Kosten.

[Service-Box]

Die Sonderführung „Der Zeremonienmeister bittet zur Audienz: Feste und Höfisches Zeremoniell unter König Friedrich“ findet am 2. und 6. Oktober sowie am 3. November 2007 jeweils um 13.30 und 14.45 Uhr statt. Die Teilnahme kostet 9 Euro, ermäßigt 4,50 Euro. Treff ist der Brunnen im Innenhof des Neuen Schlosses. Teilnahme nur mit vorheriger Anmeldung möglich unter der Nummer 07141.18 20 04.

[Der Artikel ist am 29. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Als Untertan zu Füßen des Throns

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