Anwaltlicher Notdienst hilft bei Strafsachen

Der Stuttgarter Anwaltsverein bietet seit 1984 einen kostenlosen Rechtsbeistand für Beschuldigte in Strafsachen an

Was tun, wenn man einer Straftat beschuldigt wird und spät in der Nacht besser einen Anwalt zur Seite hätte? Für solche Fälle bietet der Stuttgarter Anwaltsverein einen kostenlosen telefonischen Notdienst. Die Rechtsanwältin Heidi Riediger ist dort seit Jahren ehrenamtlich tätig und berät vor allem bei Verkehrs- und Drogendelikten sowie bei Taten gegen Leib und Leben.

Es ist die klassische Krimi-Szene: der zwielichtige Verdächtige verwickelt sich im Laufe des Verhörs in Widersprüche und zieht die Notbremse. „Ich verweigere die Aussage und möchte mit einem Anwalt sprechen.“ Lange Gesichter bei den Beamten vom Morddezernat, Schulterzucken und bedeutungsvolle Blicke schließen solche Szenen meistens ab. Soweit also erstmal alles gut für den bösen Buben, der die Telefonnummer seines Rechtsbeistands natürlich im Schlaf hersagen kann, vermutlich weil er diese täglich wählt.

Was aber macht ein bisher unbescholtener Bürger, der mit Strafverfolgern eher selten zu tun hat und nun in eine Situation geraten ist, in der es ratsam erscheint, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen? Wen mitten in der Nacht anrufen? Für solche Fälle bietet der Stuttgarter Anwaltsverein seit 1984 den kostenlosen Anwaltlichen Notdienst in Strafsachen. Unter der Nummer 0711-2369306 kann man in den Abend- und Nachtstunden zwischen 18 und 8 Uhr jederzeit einen Anwalt erreichen. 50 Stuttgarter Rechtsanwälte sind ehrenamtlich für den Dienst tätig, der mittels eines Mobiltelefons organisiert wird, das wie ein Staffelstab weitergereicht wird. Seit vielen Jahren auch an Heidi Riediger (64), die ihr Büro in der Kanzlei Bächle in der City hat. „Vor allem wenn die Volksfeste stattfinden auf dem Wasen oder der Fischmarkt, dann ist am meisten los,“ berichtet die seit 1972 als geborene Badnerin in der Stadt tätige Anwältin. Denn in den meisten Situationen, in denen Beschuldigte einen Rat suchen, handelt es sich um Verkehrsstraftaten, bei denen legale oder illegale Drogen im Spiel waren. Gerade die Frage, ob man jetzt eine Blutprobe über sich ergehen lassen muss, wird immer wieder gestellt. Man muss: „Die Gegenseite hat auch einen Notdienst und beantragt dann einen Beschluss des Richters. Keine Chance,“ meint Frau Riediger.

Ein weiter Komplex der Tatbestände sind die Fälle von Gewalt gegen Leib oder Leben. Bei Wirtshausschlägereien oder Familienstreitigkeiten gerät eben schon mal ein Neuling in die Mühlen der Justiz und ist verunsichert, ob denn richtig mit ihm verfahren wird. „Hier beruhigen wir erstmal am Telefon und klären über den Ablauf des Verfahrens auf. Meistens geht ja auch alles korrekt zu,“ meint Frau Riediger, rät allerdings Augen und Ohren aufzusperren: „Ein gesundes Misstrauen ist immer angebracht.“ Zwar verhalten sich ihrer Einschätzung nach 80 % der Polizeibeamten tadellos, aber es gibt auch Fälle, da platzt einem der Kragen. Es gibt eben Spielräume, auch bei dem Recht auf anwaltlichen Beistand. Das hat man zwar prinzipiell und kann darauf bestehen, aber in harten Fällen muss der Delinquent schon mal etwas länger warten, bis er zum Telefon greifen darf. Und ob man die Nummer kriegt, ist vom guten Wille der Beamten abhängig. Der Anwaltsverein fordert denn auch, dass ein Plakat mit der Notfallnummer auf jeder Polizeistation in Stuttgart angebracht wird.

Ein wichtiges Tätigkeitsfeld ist auch der Bereich Opferhilfe. Oft fühlen sich von Straftaten Betroffene nicht richtig behandelt. Hier fällt einem sofort der klassische Fall der vergewaltigten Frau ein, die in der Macho-Polizei-Welt nicht ernst genommen wird. Die Realität sieht radikal anders aus, meint Frau Riediger: „Betroffene Frauen können auf einem weiblichen Vernehmungsbeamten bestehen, aber auch die männlichen Kollegen sind hervorragend geschult. Denen kann man sich vorbehaltlos anvertrauen.“ Überhaupt sind nach ihrer Meinung die Einrichtungen der Justiz und der Sozial- und Jugendämter gut aufeinander eingestellt und können zu jeder Tages- und Nachtzeit Hilfe für in Not Geratene leisten. „Stuttgart hat da ein ganz gutes Netz.“

Ärger gibt es mit dem Notdienst kaum, nur Anrufe, weil die Nachbarn mal wieder zu laut feiern, die werden nicht bearbeitet. Für zivilrechtliche Streitfälle ist das die falsche Nummer. Noch eine letzte Frage zu der Eingangsszene: Ist eigentlich die Verweigerung der Aussage wirklich die beste Strategie? Antwort: „Meistens ist es besser. Neulich bin ich angerufen worden, da hatte eine Frau ihren Mann erschossen. Der habe ich als erstes geraten: Maul halten!“

[Der Artikel erschien in redigierter Form in der STUTTGARTER ZEITUNG vom 09.August 2007]

Anwaltlicher Notdienst hilft bei Strafsachen

2 Gedanken zu „Anwaltlicher Notdienst hilft bei Strafsachen

  1. sebastian schreibt:

    hallo,ich brauche dringend ein rat von ihnen können Sie mir die frage auch kostenlos beantworten.mit freundlichen gruß

    1. Dirk Baranek schreibt:

      Hallo, ich bin Journalist und kein Anwalt. Sie müssten sich da schon an einen solchen wenden, tut mir leid.

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