Unsinniges Elterntaxi kann nur Notlösung sein

Mit einem Aktionstag zur Verkehrssicherheit für Erstklässler starteten ADAC und Polizei ins neue Schuljahr. Nur zwölf Unfälle in 2008.

Der Schulweg in Stuttgart ist sicher. Mit dieser Erkenntnis möchten Polizei und ADAC die Eltern ermutigen, ihre Kinder von Anfang an allein den Gang in die Schule zuzumuten. Unterstützung erhalten sie durch verkehrserzieherische Maßnahmen, die das richtige Verhalten im Straßenverkehr vermitteln.

Ab kommender Woche sind sie wieder unterwegs, die gelben Kappen. Über 4.000 Kinder werden dann neu eingeschult sein und sich so bemützt auf den täglichen Weg zur ihrer Grundschule machen. Verteilt wurden die nicht zu übersehenden Kopfbedeckungen auch beim Aktionstag „Sicherer Schulweg“, den der ADAC in Zusammenarbeit mit der Stuttgarter Polizei gestern Vormittag auf dem Hof der Filderschule in Degerloch durchführte. Gekommen waren etwa 200 ABC-Schützen mit ihren Eltern, die pädagogisch einfühlsam an das Thema herangeführt wurden.

Dabei kamen allerdings auch kleine Schockeffekte zum Einsatz. So mussten die Kinder zusammen mit den Eltern den Bremsweg eines Autos abschätzen, das mit Tempo 30 eine Vollbremsung auf dem Schulhof hinlegte. Sichtbar gemacht werden sollte die erstaunliche Wirkung der Reaktionszeit, denn beim ersten Mal bremste der Fahrer selbst an der roten Linie, beim zweiten Versuch, bremste er erst, als eine Helferin die gelbe Fahne hob, als er die rote Linie erreichte. Trotz quietschender Reifen kam das Auto nun erst nach fast dreifachen Bremsweg zum Stehen, ein Unterschied, der alt und jung gleichermaßen beeindruckte. „Das hätte ich nicht gedacht“, sagte die Mutter von Carla, die ihrerseits mit großen Augen auf den Asphalt zeigte: „Da sind ja schwarze Streifen,“ sagte sie.

In den nächsten Wochen wird auch Carla sich noch näher mit dem Thema befassen können, denn an den Stuttgarter Schulen werden alle Erstklässler bis spätestens Januar eine Schulung zum korrekten Verhalten im Straßenverkehr bekommen. Zunächst theoretisch und dann praktisch werden die wichtigsten Regeln vermittelt und eingeübt. Dabei stehen die sichere Überquerung der Straße im Vordergrund, denn dabei passieren die meisten Unfälle. „Die Kinder müssen ständig zwischen parkenden Fahrzeugen auf die Straße und werden einfach nicht gesehen,“ sagte Peter Schwarz, Leiter der Verkehrserziehung bei der Stuttgarter Polizei. Deshalb werde den Kinder auch die Regel „Zeig dich!“ vermittelt, wovon die gelbe Kappe nur ein Teil ist. Sich mit dem Arm winkend bemerkbar machen sei eine weitere wirksame Methode. Am Ende der Schulung steht die Ausgabe des Kinderfußgängerscheins, ein in Deutschland einmaliges Papier, so die Polizeisprecher. Und wirksam obendrein.

Die Zahl der Unfälle auf dem Schulweg ist weiter rückläufig. Im ersten Halbjahr 2008 gab es ganze zwölf Vorfälle. Einen tödlichen Unfall hat es schon seit Jahren keinen mehr gegeben. Bei einer Gesamtzahl von etwa 80.000 Bewegungen pro Tag kann der Schulweg in Stuttgart daher wirklich als sicher bezeichnet werden. Ob diese positive Entwicklung allein auf die verkehrserzieherischen Anstrengungen zurückzuführen ist, kann natürlich niemand mit letzter Sicherheit sagen, aber einen postiven Beitrag werden sie leisten. „Die Investition lohnt sich,“ sagte Norbert Walz, ständiger Vertreter des Polizeipräsidenten, nahm aber gleichzeitig die Eltern in die Verantwortung. Diese müssten mit den Kindern den Schulweg einüben und natürlich selbst ein Vorbild im Straßenverkehr sein.

Wichtig sei außerdem, dass die Kinder den Schulweg allein bewältigten. Das erhöhe nicht nur deren Selbstständigkeit, sondern fördere soziale Kompetenzen und die Fähigkeit, sich im öffentlichen Raum zurechtzufinden. Mehrere Studien hätten dies eindeutig belegt. Daher raten die professionellen Verkehrserzieher dringend davon ab, die Kinder ständig mit dem eigenen Auto zur Schule zu transportieren. „Das unsinnige Elterntaxi kann höchstens mal bei schlechtem Wetter eine Notlösung sein,“ sagte Peter Schwarz. Wie Schulleiterin Sabine Nafe berichtete, komme es vor ihrer Schule sogar regelmäßig zu brisanten Szenen, wenn Eltern aus übersteigertem Sicherheitsbedürfnis heraus halb auf dem Bürgersteig kurzparkten, um ihre Sprößlinge aussteigen zu lassen.

Der Polizeisprecher kündigte denn auch für die nächsten Wochen verstärkte Verkehrsüberwachungen vor den Schulen an. Geschwindigkeitsmessungen, Einhalten der Anschnallpflicht und Falschparken werden dann im Fokus der Kontrollen stehen. Die Schulwege selbst werden von einer Schulwegbeauftragten bei der Stadtverwaltung ständig überprüft und eventuelle Veränderungen auf Grund von Baustellen eingearbeitet. Trotzdem sollten die Autofahrer in den nächsten Wochen wieder bremsbereit sein, wenn die gelben Mützen ins Blickfeld geraten. Zu verspielt und zu ahnungslos ob der drohenden Gefahr sind diese Verkehrsteilnehmer und neigen obendrein zu spontanen Reaktionen, was Günter Knopf, Vorsitzender des ADAC Württemberg, so formulierte: „Kinder und alte Leute, Hühner und Gockel sind unberechenbar!“

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Unsinniges Elterntaxi kann nur Notlösung sein

Gefängnisstrafe für Kokaindeal

Ein Kilo Kokain wollte ein 34-Jährige Anfang des Jahres an den Mann bringen. Was er nicht wusste: Bei seinen Geschäftspartnern handelt es sich um verdeckte Ermittler des Landeskriminalamtes. Gestern wurde er vor dem Landgericht zu einer Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt.

Dreieinhalb Jahre Gefängnishaft liegen vor einem 34-Jährigen, der Anfang April bei einem Drogengeschäft in Feuerbach verhaftet wurde. Trotz Vorstrafen, die er allerdings wegen anderer Delikte erhalten hatte, kam der im Alter von 12 Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien eingewanderte Mann bei dem gestrigen Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht noch recht glimpflich davon. Die Staatsanwaltschaft hatte viereinhalb Jahre Gefängnis gefordert, aber das Gericht hielt dem Angeklagten zugute, dass er mit der Polizei kooperiert habe, voll geständig sei und dass die Drogen komplett aus dem Verkehr gezogen werden konnten.

Die Verhandlung erlaubte einen kleinen Einblick in die ausgefeilten Methoden der hiesigen Strafverfolger, vor dem auch der Verteidiger den Hut zog: „Das sind echte Profis“, sagte er in einer Verhandlungspause. Anfang 2008 hatte der Beschuldigte zufällig eine Frau in dem Lokal Mauritius in der Marienstraße kennengelernt, die er als „eine Art Edelprostituierte“ wahrnahm. Neben der Vermittlung von billigen Zigaretten, die beiden kamen beim Rauchen auf der Terrasse des Lokals ins Gespräch, ging es schnell um die mögliche Lieferung von Rauschgift. Ein Bekannter habe ihm die Vermittlung solcher Geschäfte offeriert. Etwa ein Vierteljahr später habe er die Frau, die sich Tina nannte, in einer Bar in der Theodor-Heuss-Straße wiedergetroffen. Diese habe ihm von einer bevorstehenden Party erzählt und dass man dafür noch „weißes Pulver“ brauche, ob er das besorgen könne.

Was der Mann nicht wusste: Bei Tina handelte es sich um eine Vertrauensperson des Landeskriminalamtes.

Das Geschäft kam in Gang und endete schließlich Anfang April in der Wohnung eines Bekannten des Angeklagten in Feuerbach. Dort traf er sich mit einem Micha, einem angeblichen Vertrauten der Frau, und übergab die Ware. In Wahrheit handelte es sich bei Micha um einen verdeckten Ermittler des LKA, der das Kokain an sich nahm und den Mann zwecks Geldübergabe auf die Straße lockte, wo der polizeiliche Zugriff erfolgte. Danach wurde mit Hilfe des Mannes umgehend versucht, an dessen Lieferanten zu kommen, was aber in der City scheiterte.

Das Gericht folgte den Aussagen des reuigen Angeklagten und sah in den Begleitumständen des eher unprofessionellen eingefädelten Geschäfts dessen Angaben bestätigt, er habe das zum ersten Mal gemacht. 

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Gefängnisstrafe für Kokaindeal

Mit dem Bat-Detektor den Fledermäusen zuhören

Im Rahmen der 12. Europäischen Batnight lud der NABU zur Fledermaus-Exkursion am Max-Eyth-See

Während im Kino ein als Fledermaus verkleideter Superheld die Mächte des Bösen bekämpft, geht für seine tierischen Vorbilder der Alltag weiter. Der besteht aus Schlafen am Tag und Jagen in der Nacht. Um sich das in der freien Wildbahn anzusehen, hat der Naturschutzbund am Samstag Abend an den Max-Eyth-See geladen.

Einen Nachteil hat das Beobachten von Fledermäusen, der allerdings gleichzeitig einen wichtigen Teil der Faszination ausmacht, den sie auf Menschen ausüben. Man kann die nächtlichen Räuber nur schlecht sehen. Deswegen konnten die Ferngläser, die einige der etwa 100 Interessenten am Samstag Abend mitgebracht hatten, zumeist nicht zum Einsatz kommen. Eingeladen hatte der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der im Rahmen der 12. European Batnight am Ufer des Max-Eyth-Sees eine Exkursion veranstaltete. „Wir müssen das Image der Fledermaus verbessern,“ sagte Thomas Günther, der sich seit über 25 Jahren mit den Tieren beschäftigt. Denn das Ansehen des harmlosen Hautflüglers mit den großen Ohren ist in der Öffentlichkeit nach wie vor eher von gruseligen Schauergeschichten bestimmt. Dazu tragen sicherlich massentaugliche Kinoereignisse bei, wie der aktuelle Batman-Film, dessen Hauptfigur sich des Fledermaus-Sujets bedient, um des nachts und lautlos das Böse in der Welt zu bekämpfen.

Solche Anleihen der Populärkultur bei den Wundern der Natur sind für Naturschützer allerdings nicht wirklich ein Problem, denn auf der anderen Seite profitieren sie von dem gestiegenen Interesse an Abendsegler, Großer und Kleiner Zwergfledermaus oder der Rauhautfledermaus. Das sind die heimischen Arten, die am Ende der Dämmerung teilweise zu hunderten in ihren Jagdrevieren auftauchen, um sich Mücken und Nachtfalter einzuverleiben. Bis zu 1.000 Insekten fängt ein einziges Tier dabei in nur einer Nacht. Dabei verwenden sie ein raffiniertes Ortungssystem, indem sie Töne im Ultraschallbereich ausstoßen. Bei den meisten Arten ist das jenseits der Wahrnehmungsfähigkeit des menschlichen Ohres, aber bei einigen können Kinder und Jugendliche durchaus noch die Schreie hören.

Denn leise sind sie nicht die Tiere. Bis zu 120 Dezibel Schalldruck wird erzeugt, etwa soviel wie ein Presslufthammer. Insekten, die in diese Höllenkrach geraten, haben wenig Chancen, den flatternden Säugern zu entkommen, die mit 50 Km/h über die Wasseroberfläche dahinjagen und die geortete Beute mit den Flügeln einfangen. Um die Tiere überhaupt wahrnehmen zu können, kommt, typisch Mensch, eine Maschine zum Einsatz, um den die Bösen in den Batman-Filmen jeden Fledermaus-Experten beneiden, den Bat-Detektor. Das Gerät ist etwa so groß wie ein Schuhkarton und mit einem Mikrofon ausgestattet. Das wird in die Luft gehalten, um die eingehenden Schreie aufzuzeichnen. Dann werden die Frequenzen in den hörbaren Bereich umgewandelt und mittels eines eingebauten Lautsprechers ausgegeben. Die zuerst erscheinenden Abendsegler, Spannbreite immerhin 35 Zentimeter, erzeugen eher Knallgeräusche in kurzen Abständen, die Zwergfledermäuse hingegen langgestreckte Töne. Wenn die Beute eingefangen wird, verändert sich der Laut, es wird hektischer. Die am See jagenden Populationen leben tagsüber zumeist in Baumhöhlen, Felsspalten oder Kirchtürmen.

Jetzt im August fressen sie sich Speck an, um für den Winterschlaf gerüstet zu sein. Blut saugen sie natürlich nicht, bis auf einige südamerikanische Arten, die Blut lecken. Angst muss man vor den Tieren also nicht haben. „Fledermäuse sind handzahm und erkennen den Menschen nicht als natürlichen Feind,“ sagte Thomas Günther. Die Haltung als Haustier ist allerdings verboten, aber wenn sich mal ein Exemplar in die gute Stube verirrt, ist keine Panik angesagt. 

[Artikel für den Lokalteil Stuttgarter Zeitung]

Mit dem Bat-Detektor den Fledermäusen zuhören

Anklage wegen Anlagebetrug

Ein 64-Jähriger, der bei einem Anlagebetrug in erheblichem Umfang mitgewirkt haben soll, wurde gestern vor dem Landgericht angeklagt. Der bisher nicht auffällig gewordene KFZ-Unternehmer soll mit einem Komplizen drei Geschädigte um mehr als 700.000 Euro gebracht haben. Gestern versuchte das Gericht ein Geständnis zu erreichen.

Ist es die Überzeugungskraft und kriminelle Energie des Betrügers oder die Leichtfertigkeit raffgieriger Anleger? Welcher Faktor letztendlich den Ausschlag gibt bei der Anbahnung und Durchführung von Betrugsdelikten, bei denen Privatleute große Geldsummen auf Grund enormer Renditeversprechungen anderen überlassen, ist die Aufgabe, vor deren Klärung dann die Gerichte stehen. So auch gestern vor der 17. Großen Strafkammer am Landgericht. Dort wurde von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben gegen einen 64-Jährigen wegen gemeinschaftlichen und gewerbsmäßigen Betrugs.

Zusammen mit einem weiteren einschlägig vorbestraften und zurzeit einsitzenden Haupttäter soll der Angeklagte im Sommer 2004 in drei Fällen insgesamt 725.000 Euro eingesammelt und danach zumindest teilweise in die eigenen Taschen geleitet haben. Versprochen wurden den Geschädigten bei angeblichen Geschäften mit so genannten Bankgarantien Renditen von bis zu zehn Prozent vom eingereichten Kapital – pro Woche! In einem anderen Fall wurden dem Opfer Anteile an einem lukrativen Geschäft mit einer Büroimmobilie verkauft. Der Mann überwies daraufhin eine halbe Million Euro auf ein Konto nach Österreich, das dann von dem Angeklagten und dessen Mittäter abgeräumt wurde. Wo das Geld blieb, ist unklar.

Wie der bisher polizeilich nicht in Erscheinung getretene Beschuldigte, der 1966 aus Kroatien nach Deutschland kam und sich hier eine zunächst gut gehende und dann kriselnde KFZ-Werkstatt in Stammheim aufbaute, der Stuttgarter Zeitung in einer Verhandlungspause schilderte, sei er selbst gutgläubig auf die Versprechungen des alten Bekannten hereingefallen. „Ich war so blöd und habe ihm geholfen,“ sagte er. Inzwischen habe er seine Firma, sein bescheidenes Vermögen und seinen guten Namen verloren. Er legte Wert auf die Feststellung, dass er seit seiner Ankunft in Deutschland jeden Tag gearbeitet habe und bis heute sein Auskommen allein bestreite.

Gestern versuchten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu einer Verabredung außerhalb des Gerichtssaals zu kommen. Dabei ging es wohl um eine Absprache, bei der geklärt wird, welches Strafmaß der Angeklagte zu erwarten hat, wenn er die ihm zur Last gelegten Straftaten eingesteht. „So etwas ist durchaus üblich in solchen Verfahren,“ sagte der anklagende Staatsanwalt Seeger in einem allgemeinen Hintergrundgespräch ohne sich konkret zu diesem Fall zu äußern. Meist liege ein sehr komplizierter Verlauf vor. Es sei oft sehr schwierig, im einzelnen genau nachzuweisen, was mit dem Geld passiert sei, d.h. ob es zu privaten Zwecken veruntreut oder vielleicht doch, wenn auch erfolglos, angelegt worden sei. „Meistens ist das Geld aber weg,“ sagte Seeger. 

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Anklage wegen Anlagebetrug

Luftballons mit guten Wünschen für Tibet

Aktion der Tibetinitiative am Schlossplatz parallel zur Abschlussfeier bei Olympia. Florian Norbu Gyanatshang weiter in Haft.

Pünktlich um 15 Uhr stiegen gestern 100 Luftballons in den Stuttgarter Himmel. Die Stuttgarter Tibetinitiative wollte parallel zur olympischen Abschlussfeier in Peking ein Zeichen setzen. Die Situation für den Stuttgarter Deutsch-Tibeter Florian Norbu Gyanatshang ist unverändert.

Florian Norbu Gyanatshang, der Stuttgarter Deutsch-Tibeter, der Mittwoch Nacht in Peking anlässlich einer schnell und gewaltsam beendeten Protestaktion gegen die Menschenrechtslage in Tibet verhaftet wurde, befindet sich weiter in chinesischer Haft. Das berichtete gestern Jan Weber, Vorsitzender der Stuttgarter Tibetinitiative, der in engem Kontakt mit der Schwester des Menschenrechtsaktivisten steht. Er sei körperlich unversehrt und werde von der deutschen Botschaft betreut, so seine Informationen. „Wir finden die Aktion bewundernswert und sehr mutig. Florian hat ein sinnvolles Zeichen für die internationalen Medien gesetzt,“ sagte Weber gestern am Rande einer Aktion der Initiative am Schlossplatz. 

Parallel zur großen Abschlussfeier der Olympischen Spiele in der chinesischen Hauptstadt stiegen etwa hundert Luftballons in den blauen Himmel. Die orangenen Ballons trugen auf angehängten Postkarten Wünsche für Tibet in den Himmel. Etwa 50 Personen hatten sich gegenüber der Kunstgalerie eingefunden, beantworteten an einem Infostand Fragen von Passanten und sammelten Unterschriften für eine Petition an den deutschen Außenminister. Die Demonstranten, darunter einige Exil-Tibeter, waren sich einig, dass die Aktion von Florian Norbu Gyanatshang zu begrüßen ist. Für Lekshiy Hofheinz, einem mit deiner Deutschen verheirateten Tibeter, der vor etwa drei Jahren aus Indien nach Deutschland kam, hat sie sogar Vorbildcharakter. „Das ist großartig! Meine Freude und ich fragen uns ständig, warum wir nicht so etwas machen, statt hier entspannt zu demonstrieren,“ sagte er. Florian Norbu Gyanatshang kennt er gut und als streitbaren Menschen, der die Konsequenzen bewusst in Kauf genommen habe. Für den 30-Jährigen Sozialarbeiter, dessen Eltern 1962 aus Tibet nach Indien kamen und der noch letzte Woche mit seinem als Bauer in Ost-Tibet lebenden Bruder telefoniert hat, ist die Motivation hoch, sich für sein Land einzusetzen. 

Die Lage sei teilweise katastrophal für die Landbevölkerung. Kaum Schulbildung, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, die Pflicht, Chinesisch zu sprechen seien nur einige der bedrückenden Punkte. In dem Dorf des Bruders würden die Gemeindemitarbeiter, durchweg Chinesen, jeden Morgen bewaffnet und militärischer Kleidung durch die Straßen marschieren. Schnelle Lösungen für das Problem kann Hofheinz nicht erkennen, weil die Chinesen, auch solche, die hier in Deutschland leben, in der Tibet-Frage zunächst mal Nationalisten seien, unabhängig von einer Zustimmung zum aktuellen Herrschaft der Kommunistischen Partei. „Das wird noch lange dauern,“ sagte er. Die Olympischen Spiele sieht er im Rückblick durchaus differenziert. Durch das weltweite Medieninteresse sei auch die Situation im Himalaya wieder mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Den Olympia-Veranstaltern sei es nicht gelungen, die Probleme Tibets aber auch ihre eigenen Defizite bei der demokratischen Entwicklung vollständig hinter der Propagandashow zu verstecken.

Das ist auch die Meinung von Jan Weber. Zwar hätten sich schon nach den teilweise gewalttätigen Protesten in Tibet im Frühjahr diesen Jahres viele neue Gesichter bei der Initiative eingefunden, aber durch das Sportereignis sei die mediale Resonanz auf ihre Mahnwachen und Aktion sehr hoch gewesen. Trotzdem bleibe ein „schaler Beigeschmack“, nämlich dass China überhaupt die Olympischen Spiele habe austragen dürfen. Nach dem Großereignis werden sicherlich etwas mehr Ruhe einkehren, aber immerhin bleibe den Aktivisten nun auch mal etwas Zeit um durchzuatmen. Natürlich werde die Initiative weiter arbeiten und auch Spenden sammeln. Interessenten könnten sich im Internet (www.tid-stuttgart.de) auf dem Laufenden halten. Die Erfolgschancen der Arbeit sieht Weber ohne Illusionen, vor allem was die Forderung nach einem eigenen Staat für Tibet angeht. „Wir fordern nur das, was Mao damals versprochen hat: kulturelle und teilweise politische Autonomie,“ sagte Weber. Wenn das im Rahmen eines demokratischen, chinesischen Staates erreicht sei, dann könne man weitersehen. Aktuell werde man dem sicherlich bald nach Stuttgart zurückkehrenden  Florian Norbu Gyanatshang einen herzlichen Empfang am Stuttgarter Flughafen bereiten, falls die organisatorisch möglich ist.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Luftballons mit guten Wünschen für Tibet