Rekrutierung der Brückenbauer

Am Samstag nahmen mehrere hundert chinesische Studenten an einem China Career Day im Rathaus teil, um sich über zukünftige Arbeitgeber zu informieren.

Aus ganz Süddeutschland haben sich am Samstag etwa 1.500 chinesische Studenten im Rathaus eingefunden. Alle sind zurzeit an deutschen Universitäten eingeschrieben und viele stehen vor dem Abschluss. Die berufliche Zukunft stand daher im Zentrum der Veranstaltung.

Auf der Leinwand, die an der Stirnseite des großen Sitzungssaals im Rathaus hängt, läuft vor der Begrüßungsrede des Oberbürgermeisters eine Präsentation als Endlosschleife. Immer wieder wird dort die Frage nach den häufigsten Nachnamen an der Universität Stuttgart gestellt. Müller, Meyer, Schmidt? Weit gefehlt: Müller, Wang, Li, Chang, Schmidt – so lautet die Rangliste. Sicher, im Reich der Mitte kommt man fast mit nur 20 verschiedenen Nachnamen aus, aber das Ergebnis ist doch bezeichnend.

1.450 chinesische Studenten sind in diesem Semester in Stuttgart eingeschrieben, aus keinem anderen Land außerhalb Deutschlands kommen so viele. Heute sind sie aus ganz Süddeutschland in die Stadt gekommen und machen aus den Fluren des Rathauses eine quirlige Mini-Messe, die sich China Career Day nennt. Daimler, Bosch, Audi, Bayer, Deutsche Bank – die Perlen der deutschen Wirtschaft sind mit kleinen Ständen vertreten, um sich als potenzielle Arbeitgeber zu empfehlen.

Nutzen will das auch Liang Chen. Die 25-Jährige ist in Peking aufgewachsen und studiert seit zwei Jahren Volkswirtschaftslehre in Freiburg. Nächstes Jahr will sie ihren Master of Finance ablegen und sich heute über zukünftige Arbeitgeber informieren. An Deutschland schätzt sie neben den international unschlagbar günstigen Studienkosten bei gleichzeitig hoher Qualität der Ausbildung vor allem das Ausmaß der persönlichen Freiheiten. „Ich habe erst hier gelernt, meine Persönlichkeit richtig zu entfalten,“ sagt sie. Darum würde sie auch gerne im Land bleiben und hier arbeiten.

Das ist Peng Huang schon gelungen. Seit fünf Jahren lebt der 29-Jährige in Deutschland, hat hier sein Informatikstudium abgeschlossen und arbeitet nun bei einer IT-Firma in Ulm. Auf Deutschland fiel die Wahl, weil dessen Image in Asien einfach gesagt hervorragend ist. „Korrektheit, Gründlichkeit, Ehrlichkeit, dafür steht Deutschland in China,“ sagt Chen. Das beste daran: Image und Wirklichkeit stimmen überein, wie er feststellen konnte. Nach Stuttgart ist er heute nur als Begleiter seiner noch in Darmstadt studierenden Frau gekommen. Ob die beiden in Deutschland bleiben, ist ungewiss, denn auch in China gebe es immer bessere berufliche Perspektiven. Hierzulande nervt Huang vor allem die Unfreundlichkeit gegenüber Ausländern im Alltag. „In den Medien liest und hört man nur schlechte Nachrichten über China und die Menschen reagieren eben entsprechend,“ klagt er. In seiner derzeitigen Firma hat er allerdings überhaupt keine Probleme, dort sind alle sehr nett zueinander.

Inzwischen hat Wolfgang Schuster seine auf Englisch gehaltene Rede beendet, in der er sich einmal mehr als perfekter Verkäufer des High-Tech- und Mobilitätsstandorts Stuttgart zeigt. Immerhin war es ja auch seine Idee, diese Veranstaltung ins Rathaus zu holen. „Ich habe Herrn Schuster vor zwei Jahren zufällig bei einem Empfang in Shanghai getroffen und ihm von der geplanten Veranstaltung erzählt. Er hat uns dann spontan eingeladen,“ sagt Jinglei Wan, Organisator, Chefredakteur und Herausgeber von Ouline, einem Magazin für chinesische Studenten im Ausland. Wan, der seit 15 Jahren in Stuttgart lebt und seinen Verlag vom Asemwald aus steuert, hat mit der Veranstaltung auf die veränderten Bedürfnisse seiner Leser reagiert.

Seit dem Jahr 2000 etwa seien die Zahlen chinesischer Auslandsstudenten sprunghaft angestiegen. Inzwischen sind viele mit dem Studium, das zumeist komplett hierzulande absolviert wird, fertig und suchten den Einstieg in ein Unternehmen. Stuttgart sei ein Jobparadies, da es viele Unternehmen beherbergt, die Mitarbeiter mit den bevorzugt gewählten Fachrichtungen Maschinenbau und Betriebswirtschaft suchen. Der Bedarf ist also da und deshalb wird die Veranstaltung im nächsten Jahr wohl weiter wachsen. Der Plan Schusters, diese globalisierte Generation von Jungakademikern als Brückenbauer zwischen den beiden kulturell so verschiedenen Ländern zu rekrutieren, könnte aufgehen.

[Der Artikel ist am 20. November 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Rekrutierung der Brückenbauer

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