Blogger interviewt hessischen SPD-Spitzenkandidaten live auf Twitter

Heute hat es bei Twitter eine Premiere gegeben: Ein Live-Interview.

Fragesteller war der deutsche Blog-Journalist Robert Basic. Seine Fragen stellte er dem Kandidaten der SPD-Hessen für die nächsten Sonntag anstehende Landtagswahl, Thorsten Schäfer-Gümbel. Zu einer vorher fest verabredeten Zeit konnten Twitterleser verfolgen wie TSG, wie er inzwischen allgemein genannt wird, aus dem Auto irgendwo in Hessen unterwegs die Fragen live im Internet beantwortete.Und sich dabei recht wacker schlug. Denn immerhin hatte Basic, der auch in Hessen wohnt, mehrere Tage Zeit, sich auf die vereinbarten zehn Fragen vorzubereiten. Im Gegensatz dazu musste Schäfer-Gümbel sofort reagieren  und hatte eben nur die berühmt-berüchtigten 140 Zeichen Platz hatte, um einen sinnvollen Inhalt zu transportieren. 

Verfolgen konnte die Aktion jeder entweder in seiner eigenen Twitter-Timeline oder über diverse Dienste, die Twitterinhalte filtern und ausgeben. Hier zum Beispiel der relativ neue Dienst Twialogue, mit dem sich bis zu fünf Personen zusammen anzeigen lassen. 

Die Fragen selbst bestanden aus einem Mix von medienbezogenen Themen, konkret selbstreferentiell über Twitter selbst, auf der einen und eher politischen Einschätzungen auf der anderen Seite. Was denn Twitter sei, war denn auch gleich die erste Frage, sicherlich keine leichte Aufgabe, dies mal in aller Schnelle und Kürze zu erklären. Die Antwort ließ etwas auf sich warten, war dann aber schon ziemlich gut: „Die komprimierteste Kommunikationsform aller Zeiten.“ Aha, der Mann scheint sich auszukennen, weiß wovon er redet. Diese Einschätzung wurde durch weitere Antworten bestätigt, in der Schäfer-Gümbel unter anderem versicherte, auch nach Wahl das Medium weiter zu nutzen.

Politisch waren die Inhalte eher knapp bemessen und wenig konkret. Einzig der Verweis des Kandidaten auf die Bildungspolitik als Schlüsselthema seines Wahlkampfs war da die Ausnahme. Hier hätte man von Basic mehr erwarten dürfen. Das meinte wohl auch TSG, als er gegen Ende die Frage stellte, wie man denn die Interviews in der Zukunft verbessern könne, falls das nun öfter passiere.

Insgesamt war es ein interessantes Experiment, aber es bleibt noch viel Luft nach oben.

Blogger interviewt hessischen SPD-Spitzenkandidaten live auf Twitter

Große Demonstration gegen Israel

Fast 4.000 Menschen protestierten gegen die Militäraktionen Israels im Gazastreifen

Die erschütternden Bilder aus dem Gazastreifen haben auch in Stuttgart viele Menschen entsetzt. Einige tausend, darunter viele Einwanderer aus der muslimischen Welt, geben offensichtlich allein Israel die Schuld an den Geschehnissen. Das wurde bei einer Demonstration in der Innenstadt gestern deutlich.

Von Dirk Baranek

Etwa 4.000 Demonstranten zogen gestern Nachmittag von der Lautenschlagerstraße durch die Innenstadt, um gegen die Militäraktionen zu protestieren, die Israel seit Tagen gegen Ziele im Gazastreifen durchführt. Aufgerufen hatten zu dem Umzug, der mit einer Kundgebung vor dem Rathaus endete, verschiedene arabische und palästinensische Kulturvereine. Auf der Demonstration waren aber auch kurdische und türkische Gruppen zu beobachten, zumeist aus dem linksradikalen Spektrum. Ebenso waren libanesische Fahnen zu sehen und mit schwarzem Tschador vollverschleierte Frauen. Auf mitgeführten Transparenten wurde die Bombardments als „Massaker an Kindern und Frauen“ und Israel als „Terrorstadt“ bezeichnet. Ein kleines Schild trug den Text „Die Opfer von gestern sind die Mörder von heute“.

Angefertigt hatte das der Ägypter Abdallah, der seit 32 Jahren in Deutschland und eine Gastronomie im Westen betreibt. Er äußerte sich gegenüber der StZ begeistert über die deutsche Demokratie und warf den Israelis vor, jetzt das Schicksal, dass sie unter den Nationalsozialisten erlitten hätten anderen Völkern anzutun. Mit der Hamas habe er auch nichts im Sinn. „Die Hamas ist dumm,“ sagte er, aber die gegen israelische Städte abgefeuerten Raketen, dürften keine Ausrede für die völkerrechtswidrigen Angriffe sein. Er hoffe auf den neuen US-Präsidenten Obama, denn ohne die USA könnten die seiner Meinung friedenswilligen Europäer ihre Ziele nicht erreichen.

Den Demonstranten hatte sich auch eine kleine Gruppe deutscher Friedensaktivisten angeschlossen, wie zum Beispiel Monika Imhoff. Dass sie neben Mitgliedern radikaler, augenscheinlich totalitäre Ideologien propagierenden Gruppen demonstrierte, focht sie nicht an. „Ich will hier eindringen, damit die wieder vernünftig miteinander reden,“ sagte sie. Im Verlauf des Umzuges über die Theodor-Heuss- und die Eberhardstraße schwoll die Teilnehmerzahl immer mehr an, sodass aus den anfangs etwa 1.000 Personen dann vor dem Rathaus fast 4.000 wurden, so die Polizei. Die berichtete außerdem dass es keinerlei besondere Vorkommnisse gegeben habe, außer einer Auseinandersetzung mit folgender Körperverletzung der Teilnehmer untereinander. Die Gruppen gelten teilweise als zerstritten.

Unterdessen wandte sich die Deutsch-Israelische Gesellschaft in einer Verlautbarung „gegen durchsichtige Versuche, Israel die Schuld an der gegenwärtigen Situation im Gazastreifen in die Schuhe zu schieben.“ Die Hamas sei eine terroristische Organisation und habe den Waffenstillstand einseitig aufgekündigt. Daher habe Israel ein Recht auf Selbstverteidigung. Das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung sei bedauerlich, aber diese werde von der Hamas bewusst missbraucht.

(Artikel für die Stuttgarter Zeitung / Lokalteil)

Große Demonstration gegen Israel

Nach der Obama-Wahl in Stuttgart: Zwischen Hoffnung und Realismus

Die Stuttgarter sind mit dem Ausgang der US-Wahl zufrieden, erwarten aber nicht allzuviel für die Zukunft

Bei der Passantenumfrage in der Innenstadt wird schnell klar: Die Stuttgarter haben großes Interesse an der gestrigen US-Wahl. Viele haben die Wahl verfolgt. Das Ergebnis wird positiv bewertet. Die Erwartungen an die Präsidentschaft von Obama sind allerdings von einer gehörigen Portion Realismus geprägt.

Die Stuttgarter sind offenbar in ihrer überwiegenden Mehrheit zufrieden mit dem Ergebnis der gestrigen Wahl des US-Präsidenten. Das ist jedenfalls das Bild, das sich durch eine Befragung von Passanten auf dem Rathausplatz und in der Königstraße ergibt, die zufällig ausgewählt wurden. Erwartet haben den Wahlsieg von Obama alle, sehr erhofft hat ihn Fabrice Takin.

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Nach der Obama-Wahl in Stuttgart: Zwischen Hoffnung und Realismus

Auf der Suche nach der richtigen Dosis

Wissenschaftler und Naturschützer suchen Wege zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik

Die Umweltprobleme, die mit der massenhaften Mobilität einhergehen, sind bekannt. Diese können nur durch eine nachhaltige, die begrenzten Ressourcen schonende Verkehrspolitik vermieden werden. Wie das geschehen kann, darüber haben Experten auf einem Zukunftstag des Landesnaturschutzverbandes diskutiert. 

Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Flächenverbrauch und klimaschädigende Emissionen sind nur einige Probleme, die sich aus dem hohen Grad der Mobilität ergeben, den die entwickelten Industriegesellschaften erreicht haben. Was getan werden muss, um der sich zuspitzenden Lage Herr zu werden, und wie eine nachhaltige Mobilität erreicht werden kann, dazu wollte der 9. Zukunftstag des Landesnaturschutzverbandes, der am Samstag im Haus der Architekten stattfand, einen Beitrag leisten. Einschlägige Wissenschaftler und Experten skizzierten in Vorträgen ihre Thesen und diskutierten verschiedene Lösungsansätze. In diese nach eigener Aussage „Höhle des Löwen“ hatte sich auch Johannes Schmalzl gewagt, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Stuttgart, und somit von Amts wegen verantwortlich für viele umstrittene Straßen- und Verkehrsprojekte in der Region. Auch für Schmalzl stand die Notwendigkeit außer Frage, die Mobilitätspolitik an den Kriterien der Nachhaltigkeit auszurichten. Probleme sieht er allerdings in dem Weg, wie man dahin kommen kann. Als Beispiel aus seinem Arbeitsalltag führte er eine Gemeinde im Landkreis Böblingen an, die sich eine Umgehungstrasse wünscht, um für die Bewohner die Verkehrsbelastungen zu verringern. Dafür soll im Gegenzug eine dann überflüssige Straße zurückgebaut werden. Die Proteste seien enorm, berichtet Schmalzl. „Die Menschen geben keinen Quadratmeter Straße mehr her,“ sagte er. Man müsse daher die Bürger mitnehmen, sonst laufe man Gefahr, dass diese sich dem politischen Extremismus zuwenden. 

Über Lösungswege waren sich denn die Experten auch nur in einem Punkt einig: Es muss an der Kostenschraube für Mobilität gedreht werden, sonst wird sich das zerstörerische Verhalten nicht ändern. So sei zum Beispiel der Güterfernverkehr bis zu 90 Prozent subventioniert, was nur wenigen Großunternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffe. Eine Kostenwahrheit müsse daher auf allen Ebenen her, so die Mehrheit der Teilnehmer. Streitpunkt war dabei allerdings, ob dieses auch für den Öffentlichen Nahverkehr gelten soll. „Der ÖVPN ist nicht so grün, wie er tut,“ sagte Markus Friedrich, Verkehrswissenschaftler an der Universität Stuttgart. Auch Busse und Bahnen verbrauchten erhebliche Mengen an Energie. Deshalb empfahl Friedrich hier auf technische Lösungen zu setzen und weniger auf eine wenn auch wünschenswerte Änderung des Verhaltens der Menschen. 

Die ist dennoch dringend geboten, denn die Prognosen sagen übereinstimmend eine gewaltige Zunahme des LKW- wie des PKW-Verkehrs voraus. Angesichts dieser Horrorszenarien warnten mehrere Teilnehmer vorsorglich vor der Arroganz der Nachhaltigkeitsstrategen. Eine Ökodiktatur, die den Menschen ohne demokratische Legitimation vorschreibe, wie sie sich zum Wohle aller zu verhalten hätten, sei keine Option. Auch auf einen Bewusstseinswandel zu setzen, wenn man die Bürger direkt mit den Problemen konfrontiere, sei nicht gangbar. „Es kann nicht sein, dass wir uns über jeden Stau freuen, weil die Menschen dann angeblich bemerken, wie bescheuert sie sich verhalten,“ sagte der Regierungspräsident. Dass es zu schmerzhaften Veränderungen im Mobilitätsverhalten kommen muss, stand für Martin Schrein von der Forstlichen Versuchs- und Forstanstalt Baden Württemberg außer Frage. Eine Zäsur in der Verkehrspolitik sei dringend notwendig und irgendwann müsse entschieden werden, wer welche Nachteile in Kauf zu nehmen habe. Es komme dabei auf die richtige Dosis an, die verabreicht wird, um eine nachhaltige Mobilität zu schaffen. Diese Dosis bestehe aus vielen kleinen Maßnahmen, wie zum Beispiel einem umfassenden Mautsystem und einer Änderung der Wohnungspolitik, die die Familien nicht mehr in die zersiedelte Peripherie drängt und noch mehr Verkehr erzeugt. Eines stellte Reiner Ehret vom Landesnaturschutzverbund aber klar: „Wir brauchen keine neuen Straßen sondern neue Wege, um die Verkehrsprobleme der Zukunft zu lösen.“ Dem zuzustimmen, fiel auch Schmalzl nicht schwer, allerdings sind seine Erfahrungen mit konkreten Projekten in der Region eher durchwachsen. Wenn er unterwegs sei, sehe er in vielen Gemeinden große Schilder, auf denen zu lesen sei, dass man dringend eine Umgehungsstraße brauche. Sich dann auf einer Bürgerversammlung hinzustellen und zu sagen „Nein, die kriegt ihr nicht!“, da wünsche er jedem viel Glück.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Auf der Suche nach der richtigen Dosis

Luftballons mit guten Wünschen für Tibet

Aktion der Tibetinitiative am Schlossplatz parallel zur Abschlussfeier bei Olympia. Florian Norbu Gyanatshang weiter in Haft.

Pünktlich um 15 Uhr stiegen gestern 100 Luftballons in den Stuttgarter Himmel. Die Stuttgarter Tibetinitiative wollte parallel zur olympischen Abschlussfeier in Peking ein Zeichen setzen. Die Situation für den Stuttgarter Deutsch-Tibeter Florian Norbu Gyanatshang ist unverändert.

Florian Norbu Gyanatshang, der Stuttgarter Deutsch-Tibeter, der Mittwoch Nacht in Peking anlässlich einer schnell und gewaltsam beendeten Protestaktion gegen die Menschenrechtslage in Tibet verhaftet wurde, befindet sich weiter in chinesischer Haft. Das berichtete gestern Jan Weber, Vorsitzender der Stuttgarter Tibetinitiative, der in engem Kontakt mit der Schwester des Menschenrechtsaktivisten steht. Er sei körperlich unversehrt und werde von der deutschen Botschaft betreut, so seine Informationen. „Wir finden die Aktion bewundernswert und sehr mutig. Florian hat ein sinnvolles Zeichen für die internationalen Medien gesetzt,“ sagte Weber gestern am Rande einer Aktion der Initiative am Schlossplatz. 

Parallel zur großen Abschlussfeier der Olympischen Spiele in der chinesischen Hauptstadt stiegen etwa hundert Luftballons in den blauen Himmel. Die orangenen Ballons trugen auf angehängten Postkarten Wünsche für Tibet in den Himmel. Etwa 50 Personen hatten sich gegenüber der Kunstgalerie eingefunden, beantworteten an einem Infostand Fragen von Passanten und sammelten Unterschriften für eine Petition an den deutschen Außenminister. Die Demonstranten, darunter einige Exil-Tibeter, waren sich einig, dass die Aktion von Florian Norbu Gyanatshang zu begrüßen ist. Für Lekshiy Hofheinz, einem mit deiner Deutschen verheirateten Tibeter, der vor etwa drei Jahren aus Indien nach Deutschland kam, hat sie sogar Vorbildcharakter. „Das ist großartig! Meine Freude und ich fragen uns ständig, warum wir nicht so etwas machen, statt hier entspannt zu demonstrieren,“ sagte er. Florian Norbu Gyanatshang kennt er gut und als streitbaren Menschen, der die Konsequenzen bewusst in Kauf genommen habe. Für den 30-Jährigen Sozialarbeiter, dessen Eltern 1962 aus Tibet nach Indien kamen und der noch letzte Woche mit seinem als Bauer in Ost-Tibet lebenden Bruder telefoniert hat, ist die Motivation hoch, sich für sein Land einzusetzen. 

Die Lage sei teilweise katastrophal für die Landbevölkerung. Kaum Schulbildung, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, die Pflicht, Chinesisch zu sprechen seien nur einige der bedrückenden Punkte. In dem Dorf des Bruders würden die Gemeindemitarbeiter, durchweg Chinesen, jeden Morgen bewaffnet und militärischer Kleidung durch die Straßen marschieren. Schnelle Lösungen für das Problem kann Hofheinz nicht erkennen, weil die Chinesen, auch solche, die hier in Deutschland leben, in der Tibet-Frage zunächst mal Nationalisten seien, unabhängig von einer Zustimmung zum aktuellen Herrschaft der Kommunistischen Partei. „Das wird noch lange dauern,“ sagte er. Die Olympischen Spiele sieht er im Rückblick durchaus differenziert. Durch das weltweite Medieninteresse sei auch die Situation im Himalaya wieder mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Den Olympia-Veranstaltern sei es nicht gelungen, die Probleme Tibets aber auch ihre eigenen Defizite bei der demokratischen Entwicklung vollständig hinter der Propagandashow zu verstecken.

Das ist auch die Meinung von Jan Weber. Zwar hätten sich schon nach den teilweise gewalttätigen Protesten in Tibet im Frühjahr diesen Jahres viele neue Gesichter bei der Initiative eingefunden, aber durch das Sportereignis sei die mediale Resonanz auf ihre Mahnwachen und Aktion sehr hoch gewesen. Trotzdem bleibe ein „schaler Beigeschmack“, nämlich dass China überhaupt die Olympischen Spiele habe austragen dürfen. Nach dem Großereignis werden sicherlich etwas mehr Ruhe einkehren, aber immerhin bleibe den Aktivisten nun auch mal etwas Zeit um durchzuatmen. Natürlich werde die Initiative weiter arbeiten und auch Spenden sammeln. Interessenten könnten sich im Internet (www.tid-stuttgart.de) auf dem Laufenden halten. Die Erfolgschancen der Arbeit sieht Weber ohne Illusionen, vor allem was die Forderung nach einem eigenen Staat für Tibet angeht. „Wir fordern nur das, was Mao damals versprochen hat: kulturelle und teilweise politische Autonomie,“ sagte Weber. Wenn das im Rahmen eines demokratischen, chinesischen Staates erreicht sei, dann könne man weitersehen. Aktuell werde man dem sicherlich bald nach Stuttgart zurückkehrenden  Florian Norbu Gyanatshang einen herzlichen Empfang am Stuttgarter Flughafen bereiten, falls die organisatorisch möglich ist.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Luftballons mit guten Wünschen für Tibet