Deserteurdenkmal vor dem Theaterhaus eingeweiht

Vor dem Theaterhaus auf dem Pragsattel wurde gestern Abend im Rahmen einer öffentlichen Feierstunde ein Denkmal enthüllt, das an das Schicksal von verfolgten Fahnenflüchtigen und Kriegsdienstverweigerern erinnert. Die Granitskulptur wurde von einer privaten Initiative gestiftet.

Im Rahmen einer öffentlichen Feierstunde, zu der sich etwa 300 Teilnehmer auf dem Hof des Theaterhauses auf dem Pragsattel versammelt hatten, wurde gestern Abend ein Denkmal zur Erinnerung an das Schicksal von Deserteuren eingeweiht. Die von dem Aulendorf Bildhauer Klaus Kernbach entworfene Skulptur besteht aus zwei Teilen. Im Hintergrund ist ein über drei Meter hoher grauweiß glitzernder Granitquader zu sehen, der ein Loch in Form einer Silhouette des menschlichen Körpers aufweist. Drei Meter vor dem Block steht dann der aus dem Stein geschnittene Körper. Die Plastik ist damit ein starkes Symbol, für einen sich aus den Umständen von Macht und Zwang befreienden Menschen. Ein kleine Tafel am Boden trägt die Aufschrift „Den Deserteuren alle Kriege“ und nennt die Stifter, die Initiative für ein Stuttgarter Deserteursdenkmal.

Diese Initiative setzt sich aus Privatleuten zusammen und wird von bekannten pazifistische Organisationen wie der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) oder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes unterstützt. Auch Teile des DGB haben die Sache befördert. Seit 11 Jahren versuchen die Aktivisten, ein solches Denkmal auf die politische Tagesordnung zu setzen, sind damit aber überall abgeblitzt, wie Heinz Wienand berichtet, der in der Organisation mitarbeitet.

Oberbürgermeister Schuster und auch die CDU-Fraktion habe ein solches Denkmal stets aus prinzipiellen Erwägungen abgelehnt und auf das Vorhandene verwiesen, das vor dem Alten Schloss an alle Opfer der Gewaltherrschaft erinnere, auch an die Deserteure. Einzelne Denkmäler für bestimmte Opfergruppen seien nicht erwünscht. „Jahrzehntelang hat man den Deserteuren generell die notwendige Anerkennung versagt und jetzt, da man die Unrechtsurteile aufgehoben hat, wollen wir nicht, dass man sie einfach so hinzuaddiert,“ sagt Wienand.

Problem ist allerdings auch die Tatsache, dass das neue Denkmal nicht allein an die inzwischen von niemandem bestrittenen Opfer der Militärjustiz während der Nazidiktatur erinnert, sondern an die aller Kriege, also auch die heutigen. Denn, so der Militärhistoriker Professor Manfred Messerschmidt in seinem Festvortrag, sowohl der Kosovo- als auch der Irakkrieg seien nicht mit einem UNO-Mandat gerechtfertigt und daher völkerrechtswidrig. Ein Einsatz deutscher Soldaten sei weder mit dem Grundgesetz, noch mit der UNO-Charta noch dem Zwei-plus-Vier-Vertrag vereinbar. Allerdings würdigte er auch die gewachsene demokratische Kultur in Deutschland, als er sagte: „Schätzen wir es nicht zu gering ein, in einem Land zu leben, in dem es möglich ist, ein solches Denkmal zu enthüllen.“

Die Enthüllung selbst wurde zum bewegenden Moment, als Ludwig Baumann, einer der letzten Überlebenden der NS-Terrorjustiz, und Chris Capps (23), der erst letztes Jahr den Kriegsdienst in der US-Army verweigert hatte, als er in Afghanistan eingesetzt werden sollte, gemeinsam Hand anlegten. Der Stuttgart Oberbürgermeister ließ sich offiziell von Bürgermeister Klaus-Peter Murawski vertreten. Anwesend war hingegen der Tübinger Kollege Boris Palmer, dessen Erscheinen mit anhaltendem Applaus quittiert wurde.

[Der Artikel ist am 31. August 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Deserteurdenkmal vor dem Theaterhaus eingeweiht

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