Gelebtes soziales Engagement

Heute findet eine Distriktkonferenz des Wohltätigkeitsklubs Inner Wheel statt. 160 Frauen aus Süddeutschland werden erwartet.

Bürgerschaftliches Engagement und das Sammeln von Spendengeldern steht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Organisation Inner Wheel. Mitgliederinnen aus ganz Süddeutschland kommen heute zu einer Distriktkonferenz zusammen.

Der Wohltätigkeitsklub Inner Wheel führt heute eine Distriktkonferenz im Hotel am Schlossgarten durch. 160 Damen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland werden als Teilnehmerinnen erwartet. Sozialbürgermeisterin Müller-Trimbusch wird sie persönlich begrüßen. Neben Organisationsfragen steht auch ein Stadtrundgang auf den Spuren berühmter Stuttgarter Frauen steht auf dem Programm. Dabei werden die Geschichten der für Frauenrechte streitenden Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt stehen, zum Beispiel von Clara Zetkin.

Ganz so radikal wie die Sozialistin verstehen die Inner Wheelerinnen, wie sie sich selber nennen, allerdings ihr Aktivitäten nicht.Ihr Themea ist das bürgerschaftliche Engagement, in diesen Tagen ein Begriff, der oft genannt wird, um gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten auf freiwilliger Basis zu beschreiben. Wie so etwas im Alltag gelebt werden kann, zeigen die Aktivistinnen bereits seit vielen Jahrzehnten. Denn unter dem englischen Namen, der etwa „inneres Rad“ bedeutet, firmiert ein weltweit aktive Organisation, die es seit 1924 gibt und der allein in Deutschland fast 8.000 Frauen angehören.

Dass die Organisation, die in Stuttgart seit 22 Jahren besteht und hier etwa 50 Mitglieder hat, nur der weibliche Teil der Welt angehört, erklärt sich aus der Nähe zu den Rotariern. Dieser sozialen Zielen und innerer Solidarität verpflichte Klub nahm bis 1989 nur Männer auf. Da aber die Ehefrauen von Mitgliedern und deren Töchter sich ebenfalls sozial engagieren wollten, kam es zur Gründung von Inner Wheel. Die straff strukturierte Organisation war zu Beginn auf „rotarisch gebundene Frauen“ beschränkt, wie Heide Dannenmann sagt, Präsidentin von Inner Wheel Stuttgart, aber inzwischen öffne man sich mehr und mehr. Von neuen Mitgliederinnen erwarte man allerdings aktives Engagement.

Das ist auch nötig, um die vielen Aktionen in die Tat umzusetzen, die der Klub angeht. So wir mit meist kulturellen Benefizveranstaltungen und einem Stand auf dem Niklasmarkt in Bad Cannstatt Geld gesammelt, das an verschiedene soziale Projekte hier vor Ort aber auch international gespendet wird. Rund 15.000 Euro können jedes Jahr verteilt werden. Meist über mehrere Jahre hinweg werden konkrete Projekte unterstützt, die sich größtenteils um in Not geratenen Frauen oder Kinder kümmern. In Stuttgart waren dies in der Vergangenheit das Jugendhaus Inzel in Cannstatt, die Olgakrippe in Heslach oder auch die Franziskusstube in der Paulinenstraße. Das Sammeln von Spendengeldern ist aber nur ein Teil der Aktivitäten von Inner Wheel.

„Wir wollen eben viel mehr als nur Schecks ausstellen,“ sagt Heide Dannenmann. Tätiges Ehrenamt bedeute, sich wirklich persönlich in Projekte einzubringen, direkt bei Menschen in Not zu sein. Deshalb wird im Altenheim musiziert, regelmäßig mit Kindern aus sozial benachteiligten Familien ins Theater gegangen und Hausaufgaben betreut. Dabei kann der Klub auf die vielfältigen Kompetenzen der Mitgliederinnen zurückgreifen, zumeist Frauen mit hervorragender Ausbildung und langjährigen Erfahrungen in anspruchsvollen Berufen. Manchmal stoßen aber auch solche Aktivitäten auf kleine Widerstände, wenn das Ordnungsamt mal wieder den Weihnachtsstand, auf dem die Inner Wheelerinnen auch Verzehrbares wie selbst gemachte Marmelade oder original finnischen Glühwein anbieten, peinlich genau kontrolliert. Heide Dannemann sieht das gelassen. Davon werden sich die engagierten Damen nicht aus dem Konzept bringen lassen.

[Der Artikel ist am 14. Oktober 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Gelebtes soziales Engagement

Der Widerstand formiert sich

Plieninger Bürger befürchten weitere Belastungen durch den angedachten Bau einer zweiten Start- und Landebahn am Flughafen

Bei einer Veranstaltung der Lokalen Agenda Plieningen haben sich gestern Abend 50 Bürger über die Pläne zum Bau einer zweiten Start- und Landebahn informiert. Der erneute drastische Eingriff in die Filderlandschaft stieß auf einhellige Ablehnung.

Wie sehr die Konflikte um die großen Bauprojekte rund um den Flughafen die Menschen auf den Fildern geprägt hat, konnte man gestern Abend bei einer Veranstaltung der Lokalen Agenda Plieningen erleben. Etwa 50 interessierte Bürger waren gekommen, um sich von Steffen Siegel, dem Vorsitzenden der streitbaren Schutzgemeinschaft Filder, über den aktuellen Stand der Pläne für eine zweite Start- und Landebahn des Flughafen informieren zu lassen.

Konkrete Details konnte Siegel zu diesem Thema naturgemäß nicht liefern, ist doch das ganze Projekt eigentlich nicht mehr als eine Idee der Flughafengesellschaft. Im Moment warten alle Beteiligten auf die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie, die zwar schon vorliegen soll, sich aber noch in der Endredaktion befindet. Dieser Umstand löste bei den Anwesenden teilweise höhnisches Gelächter aus. Durch die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte ist das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Fachleuten auf dem Nullpunkt. Zu oft entstand der Eindruck, dass deren Ergebnisse gemäß den Zielen der Auftraggeber zurechtgeschnitzt werden. Das könnte auch jetzt wieder geschehen, so die Befürchtung von Siegel.

Zwar habe Ministerpräsident Oettinger eine Art „Obergutachten“ in Aussicht gestellt, das werde aber angesichts der Tatsache, dass die Flughafengesellschaft zu gleichen Teilen der Stadt und dem Land gehöre, bestimmt nicht unabhängig ausfallen. Die für den Bau notwendigen Eingriffe in die Landschaft illustrierte Siegel mit selbst gezeichneten Karten und die offenbarten drastische Perspektiven. Vor allem die nördlich der Autobahn gelegene Variante schiebt sich bedrohlich nahe an die äußeren Viertel von Plieningen heran. Angesichts der auch von Umweltministerin Gönner konstatierten, außerordentlichen hohen Lärmbelastung, wie von der StZ berichtet, hält Siegel diese Lösung für unvorstellbar.

Aber auch am südlichen Rand gebe es erhebliche Probleme. Es müssten gigantische Erdmassen aufgeschüttet werden, um die neue Startbahn an das Niveau des Flughafens anzupassen. „Die wollen dort bestimmt das Material vom Tunnelbau für Stuttgart 21 verwenden,“ rief ein Zuhörer zur allgemeinen Erheiterung. Zudem löse die Süd-Variante die Kapazitätsprobleme im Flugverkehr nur unvollständig, denn gleichzeitige Starts auf den zu nah nebeneinander liegenden Betonpisten seien zumindest für große Flugzeuge unmöglich. Siegel vermutet, die gesamte Diskussion könnte ein taktisches Manöver der Flughafengesellschaft sein, um das eingeschränkte Nachtflugverbot aufzuweichen. Insgesamt zeigte sich der Vorsitzende der laut Selbstauskunft ältesten Bürgerinitiative Deutschlands optimistisch, dass dieses Projekt wegen des Widerstandes der Anwohner nicht umgesetzt wird. „Wir haben Rückhalt wie noch nie,“ sagte er.

Vor allem in den südlich des Flughafens gelegenen Gemeinden gebe es in den politischen Gremien eine parteiübergreifende Ablehnung. Auch die Kreiskonferenz der SPD-Stuttgart hat ihre Fraktion im Gemeinderat aufgefordert, sich gegen das Projekt auszusprechen. Dort wartet man noch auf die Studie. Die Lokale Agenda Plieningen wird ihre Aktivitäten dessen ungeachtet ausweiten. Im November soll in einem größeren Rahmen das Projekt diskutiert werden. Eines wurde bei der Veranstaltung deutlich: Die Bewohner der Filder haben es gründlich satt, erneut die Zeche der wirtschaftlichen Expansion zu zahlen. Die Neue Messe konnte zuletzt zwar nicht verhindert werden, aber resignieren wird man nicht.

[Der Artikel ist am 13. Oktober 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Der Widerstand formiert sich

Besserer Service mit Internettelefonie

Wer bei der Stadtverwaltung anruft, wird jetzt mit digitaler Technik bedient

Mit dem Ziel verbesserter Kundenfreundlichkeit ist in den letzten Monaten die zentrale Vermittlungsstelle der Stadtverwaltung auf Digitaltechnik umgerüstet worden. Telefonische Anfragen sollen jetzt schneller bearbeitet werden.

Die Zukunft ist digital, auch bei der Stadtverwaltung. Das wurde bei der Einweihung der neuen Telefonvermittlung deutlich, die gestern von Verwaltungsbürgermeister Klaus-Peter Murawski und von Hans-Georg Edlefsen, Vorstandsmitglied der EnBW Regional AG, vorgenommen wurde. Anfang des Jahres im Testbetrieb gestartet ist die neue Anlage inzwischen voll im Einsatz und soll, so Murawski, „die Stadt weiterbringen in Richtung optimaler Kundenfreundlichkeit.“

Wie die neuen Zeiten aussehen, wird beim ersten Blick auf die Arbeitsplätze klar, die bei der EnBW als städtischer Dienstleister in einem Großraumbüro in der Stöckachstraße eingerichtet sind. Bestanden die Vermittlungsgeräte der 13 Mitarbeiter bisher aus mit vielen markierten Tasten versehenen Telefonanlangen, schauen sie jetzt auf Computermonitore und telefonieren per Headset mit den Rat suchenden Bürgern. Die etwa 3.000 Anrufe pro Tag werden mit der Voice-Over-IP-Technik bearbeitet, allgemein auch als Internettelefonie bekannt.

Für den Anrufer ändert sich dadurch zunächst einmal gar nichts. Die Technik bietet aber bei der Bearbeitung viele Vorteile, zum Beispiel die Anbindung an städtische Informationssysteme in Echtzeit. Während die Vermittler bisher mit Ordnern und Telefonbüchern den richtigen Ansprechpartner aus den fast 7.000 städtischen Einzelanschlüssen heraussuchen mussten, haben sie jetzt direkten Zugriff auf das digitale, durchsuchbare Telefonverzeichnis der Verwaltung. Außerdem können die Anrufer per Mausklick direkt zu allen Anschlüssen der städtischen Behörden durchgestellt werden, was bisher technisch nur schwer möglich war. Stattdessen konnte manchmal nur die Nummer des betreffenden Anschlusses genannt werden, die der Bürger dann wieder selbst wählen musste. Außerdem wurde durch die neue Technik die stetige Optimierung der Vermittlungs- und Auskunftsvorgänge verbessert. Alle Anrufe werden inklusive Bearbeitungsvorgang anonym erfasst und statistisch ausgewertet. „Wir wissen jetzt endlich genau, was überhaupt passiert,“ sagt Hans-Georg Edlefsen.

EnBW und Verwaltung treffen sich regelmäßig, um auf der Basis der Ergebnisse Anpassungen zu diskutieren. Mit den Erkenntnissen soll sichergestellt werden, dass jeder Anrufer nach höchstens 30 Sekunden Wartezeit von einem Mitarbeiter des Call-Centers in Empfang genommen wird. Theoretisch kann jeder Bildschirmarbeitsplatz in der Stadtverwaltung an das System angeschlossen werden und zu Spitzenzeiten Auskunfts- und Vermittlungstätigkeiten übernehmen.

 [Der Artikel ist am 11. Oktober 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Besserer Service mit Internettelefonie

Plädoyer eines glühenden Europäers

Vor der Schwäbischen Gesellschaft zeichnete Erwin Teufel am Dienstag Abend in einem einstündigen Vortrag ein zwiespältiges Bild vom Zustand und Zukunft der Europäischen Union. Die 300 anwesenden Honoratioren waren trotzdem begeistert.

„Europa in eine bessere Verfassung bringen“ – so lautet der Titel des Vortrags, den der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel am Dienstag Abend in der BW-Bank am Kleine Schlossplatz auf Einladung der Schwäbischen Gesellschaft gehalten hat. Vor etwa 300 Zuhörern zeichnete Teufel ein differenziertes Bild vom Zustand und Zukunft der EU und lieferte gleichzeitig ein engagiertes Plädoyer für den europäischen Einigungsprozess, an dem er selbst viele Jahre aktiv beteiligt war.

An diese Tätigkeit des „glühenden Europäers“ erinnerte in seiner Einführung auch Dietrich Dörner, der scheidende Präsident der staatsbürgerlichen Zielen verpflichteten Gesellschaft. Dörner freute sich ob der gut gefüllten, zum bestuhlten Saal umgewandelten Schalterhalle über das starke Interesse an der Veranstaltung. Nur der Vortrag von Hans Küng habe einen ähnlichen Zuspruch ausgelöst. „Aber mit dem sind Sie ja auch befreundet,“ sagte er an Erwin Teufel gerichtet. Dieser war offensichtlich bester Laune, begrüßte viele Zuhörer persönlich und trat mit einem Lächeln vor das Rednerpult.

Dort skizzierte er in einem etwa eine Stunde dauernden, rhetorisch brillianten Vortrag seine Sicht des europäischen Verfassungsprozesses. An diesem Grundgesetz, das zu Teufels Bedauern wohl nicht mehr zustande kommen wird, hatte er im Verfassungskonvent als Vertreter für die deutschen Bundesländer selbst mitgearbeitet und konnte den Zuhörern daher aus erster Hand fundierte Einschätzungen der Lage vermitteln. Diese ist nach seiner Meinung nicht gut, aber auch nicht aussichtslos. Dreh- und Angelpunkt von Teufels Kritik ist die überbordende Aneignung von Kompetenzen durch die Europäischen Institutionen auf Grund der fehlenden Durchsetzung des Prinzips der Subsidiarität.

Dieses Modell der Verteilung staatlicher Macht, Teil der katholischen Soziallehre, beruht auf der Grundannahme der Selbstverantwortlichkeit des Individuums. Nur wenn der Einzelne sich auf Grund widriger Umstände nicht selbst versorgen könne, dürfe er auf gemeinschaftlich organisierte Hilfe zurückgreifen. Angewandt auf die Organisation staatlicher und transnationaler Institutionen brachte es Teufel auf eine einfache Formel: „Was unten geht, soll auch unten gemacht werden.“ Die schwäbischen Städte wüssten bei vielen Dingen, wie es geht, ebenso das Land oder die Bundesrepublik. Europäische Handlungsfelder sieht Teufel daher vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik, bei technologisch herausfordernden Großprojekten und bei der Schaffung einer europäischen Identität, die sich aus dem gemeinsamen Kulturerbe der klassischen Antike, des Christentums und der Aufklärung zusammensetze.

Trotz aller Kritik im einzelnen verkündete Teufel aber sein unverbrüchliches Credo: „Jeder, der bei Verstand ist, ist Europäer!“ Die versammelten Honoratioren aus Wirtschaft, Politik und Kultur waren jedenfalls begeistert, wie sich am mehr als freundlichen Schlussapplaus und der aufgeräumten Stimmung beim anschließenden Viertele mit Brezeln ablesen ließ.

[Der Artikel ist am 10. Oktober 2007 in der Stuttgarter Zeitung erschienen]

Plädoyer eines glühenden Europäers

Als Untertan zu Füßen des Throns

In einer Sonderführung kann man die nicht öffentlichen Räume im Neuen Schloss besichtigen

Das Neue Schloss beherbergt neben zwei Ministerien auch repräsentative Räume für Empfänge der Landesregierung. Im Rahmen einer Sonderführung kann man diese nicht öffentlichen zugänglichen Teile des Gebäudes besichtigen und sich entführen lassen in das höfische Zeremoniell.

„Wir befinden uns an einem historischen Ort,“ sagt Christine Raible, Kunsthistorikerin bei den Staatlichen Schössern und Gärten, die in der nächsten Stunde durch das Neue Schloss führt. „Hier in diesem Schloss wurde am 1. Januar 1806 Herzog Friedrich zum ersten König von Württemberg gekrönt.“ Eine gewisse monarchische Ergriffenheit macht sich unter den Zuhörerinnen breit, denn es sind in der Mehrzahl ältere Damen, die heute an der Führung teilnehmen. Diese Stimmung hat keine große Chance sich zu vertiefen, da man gleich als nächstes erfährt, dass eigentlich alles, was die kleine Gruppe in der nächsten Stunde sehen wird, nicht mehr von damals ist.

 1945 standen von dem zwischen 1746 und 1762 errichteten Barockschloss nur noch die Außenmauern. Selbst Marmor, Travertin und Muschelkalk, die man zum Innenausbau verwendet hatte, waren durch die Flammen unbrauchbar geworden. Heute steht man also in einer 40 Jahre alten Kopie, die obendrein nicht in allen Ecken dem Original entspricht. Zwar wurden die edlen Steine, die man im prächtigen Treppenhaus und im haushohen Marmorsaal bewundern kann, wie 200 Jahre zuvor aus schwäbischen Steinbrüchen herangeschafft, aber die Innenausstattung und Bemalungen waren unwiederbringlich verloren. Die Deckengemälde hätte man gerne rekonstruiert, es gab jedoch nur schwarz-weiße Dokumente. So blieb alles weiß, bis auf die Aeneasgalerie. In dem langen hohen Raum sieht man eine verspielte, bunte, figurenreiche Szene aus der griechischen Mythologie. Denn als 1930 eine schon Anfang des 19. Jahrhunderts eingebaute Zwischendecke entfernt wurde, entdeckte man das historische Fresko und machte Farbfotos. Diese wurden nach dem Krieg als Vorlage bei der Neubemalung benutzt.

Die Führung geht nicht durch das gesamte Schloss – Finanz- und Kultusministerium in den beiden Seitenflügeln residieren in unspektakulären Zweckeinbauten – sondern nur durch den vom Staatsministerium für Repräsentationszwecke genutzten Mittelflügel. Der umfasst mehrere Säle und großzügige Nebenräume, in denen der Ministerpräsident Staatsgäste empfängt, wie zum Beispiel den spanischen König Juan Carlos I im Frühjahr 2006. Da ist es wieder, dieses Leuchten in so manchen Augen, denn Christine Raidle, die an einzelnen Stationen sehr kompetent und anschaulich das komplexe Gebaren am königlichen Hofe erläutert, schlägt jetzt den Bogen vom monarchischen Hofzeremoniell zum diplomatischen Protokoll moderner Zeiten.

Vor zweihundert Jahren war die Welt des württembergischen Hofes gefüllt mit Hofmarschällen, Flügeladjudanten, Oberzeremonienmeistern und Kammerjunkern, die streng nach Hierarchie hinter dem König vom Marmorsaal in den Weißen Saal schritten. Dass man sich an diesem Ort bis heute nicht so ganz von den Riten dieses Machtspektakels verabschieden kann, zeigt der Umstand, wer 2006 dem Ministerpräsidenten und dem spanischen König auf dem Fuße folgte. War es der Landtagspräsident? Der oberste Richter? Der Bürgermeister? Weit gefehlt: Es war der Privatier mit den Namen Carl Herzog von Württemberg. Die Damen lächeln gütig ob des lässlichen, antirepublikanischen Fehltritts. Es weht ein Hauch Aristokratie in den hohen Fluren und lichtdurchfluteten, goldbestuckten Räumen. Wer also wissen möchte, wie man sich fühlt, als Untertan zu Füßen des Throns, damals und heute, der kommt mit dieser Führung auf seine Kosten.

[Service-Box]

Die Sonderführung „Der Zeremonienmeister bittet zur Audienz: Feste und Höfisches Zeremoniell unter König Friedrich“ findet am 2. und 6. Oktober sowie am 3. November 2007 jeweils um 13.30 und 14.45 Uhr statt. Die Teilnahme kostet 9 Euro, ermäßigt 4,50 Euro. Treff ist der Brunnen im Innenhof des Neuen Schlosses. Teilnahme nur mit vorheriger Anmeldung möglich unter der Nummer 07141.18 20 04.

[Der Artikel ist am 29. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Als Untertan zu Füßen des Throns