Anwaltlicher Notdienst hilft bei Strafsachen

Der Stuttgarter Anwaltsverein bietet seit 1984 einen kostenlosen Rechtsbeistand für Beschuldigte in Strafsachen an

Was tun, wenn man einer Straftat beschuldigt wird und spät in der Nacht besser einen Anwalt zur Seite hätte? Für solche Fälle bietet der Stuttgarter Anwaltsverein einen kostenlosen telefonischen Notdienst. Die Rechtsanwältin Heidi Riediger ist dort seit Jahren ehrenamtlich tätig und berät vor allem bei Verkehrs- und Drogendelikten sowie bei Taten gegen Leib und Leben.

Es ist die klassische Krimi-Szene: der zwielichtige Verdächtige verwickelt sich im Laufe des Verhörs in Widersprüche und zieht die Notbremse. „Ich verweigere die Aussage und möchte mit einem Anwalt sprechen.“ Lange Gesichter bei den Beamten vom Morddezernat, Schulterzucken und bedeutungsvolle Blicke schließen solche Szenen meistens ab. Soweit also erstmal alles gut für den bösen Buben, der die Telefonnummer seines Rechtsbeistands natürlich im Schlaf hersagen kann, vermutlich weil er diese täglich wählt.

Was aber macht ein bisher unbescholtener Bürger, der mit Strafverfolgern eher selten zu tun hat und nun in eine Situation geraten ist, in der es ratsam erscheint, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen? Wen mitten in der Nacht anrufen? Für solche Fälle bietet der Stuttgarter Anwaltsverein seit 1984 den kostenlosen Anwaltlichen Notdienst in Strafsachen. Unter der Nummer 0711-2369306 kann man in den Abend- und Nachtstunden zwischen 18 und 8 Uhr jederzeit einen Anwalt erreichen. 50 Stuttgarter Rechtsanwälte sind ehrenamtlich für den Dienst tätig, der mittels eines Mobiltelefons organisiert wird, das wie ein Staffelstab weitergereicht wird. Seit vielen Jahren auch an Heidi Riediger (64), die ihr Büro in der Kanzlei Bächle in der City hat. „Vor allem wenn die Volksfeste stattfinden auf dem Wasen oder der Fischmarkt, dann ist am meisten los,“ berichtet die seit 1972 als geborene Badnerin in der Stadt tätige Anwältin. Denn in den meisten Situationen, in denen Beschuldigte einen Rat suchen, handelt es sich um Verkehrsstraftaten, bei denen legale oder illegale Drogen im Spiel waren. Gerade die Frage, ob man jetzt eine Blutprobe über sich ergehen lassen muss, wird immer wieder gestellt. Man muss: „Die Gegenseite hat auch einen Notdienst und beantragt dann einen Beschluss des Richters. Keine Chance,“ meint Frau Riediger.

Ein weiter Komplex der Tatbestände sind die Fälle von Gewalt gegen Leib oder Leben. Bei Wirtshausschlägereien oder Familienstreitigkeiten gerät eben schon mal ein Neuling in die Mühlen der Justiz und ist verunsichert, ob denn richtig mit ihm verfahren wird. „Hier beruhigen wir erstmal am Telefon und klären über den Ablauf des Verfahrens auf. Meistens geht ja auch alles korrekt zu,“ meint Frau Riediger, rät allerdings Augen und Ohren aufzusperren: „Ein gesundes Misstrauen ist immer angebracht.“ Zwar verhalten sich ihrer Einschätzung nach 80 % der Polizeibeamten tadellos, aber es gibt auch Fälle, da platzt einem der Kragen. Es gibt eben Spielräume, auch bei dem Recht auf anwaltlichen Beistand. Das hat man zwar prinzipiell und kann darauf bestehen, aber in harten Fällen muss der Delinquent schon mal etwas länger warten, bis er zum Telefon greifen darf. Und ob man die Nummer kriegt, ist vom guten Wille der Beamten abhängig. Der Anwaltsverein fordert denn auch, dass ein Plakat mit der Notfallnummer auf jeder Polizeistation in Stuttgart angebracht wird.

Ein wichtiges Tätigkeitsfeld ist auch der Bereich Opferhilfe. Oft fühlen sich von Straftaten Betroffene nicht richtig behandelt. Hier fällt einem sofort der klassische Fall der vergewaltigten Frau ein, die in der Macho-Polizei-Welt nicht ernst genommen wird. Die Realität sieht radikal anders aus, meint Frau Riediger: „Betroffene Frauen können auf einem weiblichen Vernehmungsbeamten bestehen, aber auch die männlichen Kollegen sind hervorragend geschult. Denen kann man sich vorbehaltlos anvertrauen.“ Überhaupt sind nach ihrer Meinung die Einrichtungen der Justiz und der Sozial- und Jugendämter gut aufeinander eingestellt und können zu jeder Tages- und Nachtzeit Hilfe für in Not Geratene leisten. „Stuttgart hat da ein ganz gutes Netz.“

Ärger gibt es mit dem Notdienst kaum, nur Anrufe, weil die Nachbarn mal wieder zu laut feiern, die werden nicht bearbeitet. Für zivilrechtliche Streitfälle ist das die falsche Nummer. Noch eine letzte Frage zu der Eingangsszene: Ist eigentlich die Verweigerung der Aussage wirklich die beste Strategie? Antwort: „Meistens ist es besser. Neulich bin ich angerufen worden, da hatte eine Frau ihren Mann erschossen. Der habe ich als erstes geraten: Maul halten!“

[Der Artikel erschien in redigierter Form in der STUTTGARTER ZEITUNG vom 09.August 2007]

Anwaltlicher Notdienst hilft bei Strafsachen

Neue Werkstatt statt Rentnerdasein: Ein Besuch beim einzigen Schuhmachermeister in der City

Mit 65 Jahren hat der Schuhmachermeister Paul Dambacher eine neue Werkstatt in der City eröffnet

Ein Schlaglicht auf die aktuelle Situation des Handwerks warf gestern ein Betriebsbesuch der Handwerkskammer der Region Stuttgart sowie der Kreishandwerkerschaft beim Schuhmacher Paul Dambacher. Dieser hat vor drei Monaten eine Werkstatt in der Schulstraße eröffnet und ist damit der einzige Schuhmacher mit Meisterbrief in der City.

Für die meisten fällt mit dem Erreichen des Renteneintrittsalters endgültig die letzte Klappe im Berufsleben. Nur wenige sind weiter mit Spaß an der Sache dabei und verlängern. Zu Letzteren gehört Schuhmachermeister Paul Dambacher (65). Als für ihn im Januar 2007 nach 26 Jahren Schluss war mit der Werkstatt im Untergeschoss des Salamanderhauses in der Königstraße, suchte er sich kurzerhand eine neue Wirkungsstätte. Seit Mai steht er nun alten und neuen Kunden in der Schulstraße 7 zur Verfügung, um Absätze und Sohlen zu erneuern oder einen Reißverschluss an den teuren Stiefeln zu ersetzen. „Ich bin der einzige Schuhmacher mit Meisterbrief in der City und meine Kundschaft bleibt mir treu“, wusste er gestern zu berichten, als die obersten Funktionäre der Stuttgarter Handwerkschaft seinem Ein-Mann-Unternehmen anlässlich eines öffentlichen Betriebsbesuchs eine Stippvisite abstatteten.

 „Wir suchen mit diesen Besichtigungen den direkten Kontakt zu den Betrieben, um uns über deren authentische Sorgen und Wünsche zu informieren,“ begründet Claus Munkwitz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer der Region Stuttgart, die einmal im Quartal stattfindenden Vor-Ort-Gespräche. Sorgen drücken Dambacher zurzeit eigentlich nicht. Er hat nach reichlichem Bemühen eine neue Werkstatt gefunden, die sowohl in der Größe als auch bei der Miete seinen Vorstellungen entspricht. Da er seine Stammkundschaft mitnehmen konnte, laufen die Geschäfte akzeptabel. Gleiches gilt für die gesamte Handwerkerschaft in der Region. „Die letzte Konjunkturumfrage unter den hiesigen Betrieben brachte eine überwiegend positive Resonanz“, berichtet Munkwitz. „Die Umsätze steigen und mehr ausgebildet wird auch.“ Wenn es Bewerber in ausreichender Qualität gibt und da hapert es manchmal.

Ein Grund ist das Image-Problem der Handwerksberufe meint Munkwitz: „Jahrelang gab es einen fast krankhaften akademischen Dünkel. Abitur und Studium waren Pflicht. Handwerkliche Arbeit hingegen wurde gesellschaftlich fast geächtet.“ Ausdrücklich ermutigt er junge Leute, sich auf ein Schnupperpraktikum einzulassen. „Wenn die Chemie stimmt, sich Engagement zeigt und eine schnelle Auffassungsgabe, dann sehen die Betriebe auch schon mal über einige schlechte Noten im Zeugnis hinweg.“

Auch Meister Dambacher würde eventuell ausbilden und bei ihm kann man das Handwerk sicherlich von der Pike auf lernen. Zwar benötigt seine Kundschaft meistens nur Reparaturen an Schuhen und Lederwaren, aber er fertigt auch ab und zu Maßschuhe an. „Das Interesse ist schon da, aber bei Preisen von 500 EUR an aufwärts lässt es bei den meisten doch relativ schnell nach.“ Die Liebe zum Beruf zwischen Leimgeruch und Ledernähmaschine, die lernt man hier aber ganz sicher. Denn trotz der harten Konkurrenz durch die Schnellschustereien bereut er nichts. „Man hat keinen Druck von oben und ist sein eigener Herr. Jederzeit wieder!“

[Der Artikel ist Ende Juli 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen.]

Neue Werkstatt statt Rentnerdasein: Ein Besuch beim einzigen Schuhmachermeister in der City

Slow Baking in Stuttgart: Langsames Brot

Brot im Zeichen der Schildkröte: Langsam zur Qualität. Mit diesem Motto versuchen auch in der Region Stuttgart einige Bäcker dem mörderischen Preiskampf mit den Backdiscountern zu begegnen.

Brot ist ein Thema, das den Menschen ins Mark geht. Es hat Revolutionen ausgelöst und Kriege entfacht, ganze Zivilisationen lebten nach seinem Rhythmus. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei, das älteste Nahrungsmittel der Welt gibt es an jeder Ecke. Aber hier stellt sich das nächste Problem: Was ist das beste Brot? Dazu hat jeder eine Meinung und vertritt sie mit viel Leidenschaft. Im Stuttgarter Stadtblog brach ein Brotkrieg aus, als ein Autor über einen lokalen Großbäcker herzog.

Preis frisst Qualität
Dabei ist die Lage dieses traditionsreichen Handwerks nicht gerade rosig. Günter Semmig, Geschäftsführer der Stuttgarter Bäckerinnung, kann sich noch an Zeiten vor 20 Jahren erinnern, in denen es über 200 Mitgliedsbetriebe in der Stadt gab. Daraus sind inzwischen 47 geworden, aus vielfältigen Gründen, wie er meint: „Nachwuchsprobleme, Zurückhaltung der Banken und die wirtschaftliche Macht von Filialisten und Discountern haben den Einzelbäckern in den letzten Jahren zugesetzt. Aber die Situation bessert sich. Es gibt ein deutliches Licht am Ende des Tunnels.“ Ursache dieser Entwicklung sind wie immer die Konsumenten. Zwar rennen viele nach wie vor in die Discounter, die in Fabriken vorgefertigte Teiglinge in Heißluftöfen ausbacken und diese dann noch warm an den Endkunden bringen – zu Preisen, mit denen die eingesessenen Bäckermeister nicht konkurrieren können. Auf der Strecke dieses Herstellungsverfahrens bleibt aber die Qualität. Denn Brot ist ein lebendiger Werkstoff, der sich nicht beliebig industriell anfertigen lässt. Das Problem also: Der Preis frisst die Qualität.

Slow Baking als Gegenstrategie
Eine fatale Entwicklung, der Einhalt zu gebieten, sich Werner Kräling aus dem sauerländischen Winterberg vorgenommen hat. 2003 hat er den Verein    Slow Baking ins Leben gerufen. „Wir wollen die Betriebe ermutigen, wieder verstärkt auf traditionelle Verfahren zurückzugreifen, ein authentisches Handwerk auszuüben und damit eine Qualität im Premium-Bereich zu liefern.“ Eine ständig steigende Zahl von Betrieben verschreibt sich den Zielen seines Vereins oder lässt sich sogar nach dessen strengen Richtlinien zertifizieren. Im Vergleich zum Gesamtmarkt bewegt sich die Zahl der langsamen Bäcker allerdings im einstelligen Prozentbereich.

Slow baking? Was soll das jetzt wieder sein? Klar, der Begriff „slow“ im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln wurde durch die Slow-Food-Bewegung in der genussfreundlichen Öffentlichkeit bekannt gemacht – als Gegensatz zum teuflischen Fast Food. Bei Slow Food geht es vor allem um die Abneigung gegen die geschmackstötende industrielle Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln mit all ihren Problemen beim Energieverbrauch, beim Tierschutz, bei der Landschaftszerstörung und dem Verkehrschaos, um nur einige zu nennen. Gegen diese Horrorszenarien werden Werte wie regionale, traditionell hergestellte und verarbeitete Lebensmittel gesetzt. Schmecken einfach besser, auch im Kopf.

Das langsame Backen
Und das langsame Backen? Das bezieht sich jetzt hauptsächlich nicht auf den Backvorgang als solchen, sondern um den Zeitraum davor, den Prozess der Teigherstellung. Von vorne: Was ist Brot? Grob gesagt: gemahlenen Grassamen wird Wasser in einem Knetvorgang zugesetzt, diese Masse wird unter Zusatz von Hefepilzen zum Gären gebracht und dann im Ofen unter Hitzeeinwirkung das Wasser wieder entzogen. So einfach, so schwierig, denn vor allem die Reife des Teigs kostet Zeit und hört nicht von allein wieder auf. Und das gebackene Ergebnis soll ja auch schön „rösch“ auf den Tisch kommen.

Im Sinne der Slow-Food-Bewegung
Roman Lenz, Vorsitzender von    Slow Food Stuttgart, kann sich mit den Zielen des Slow Baking durchaus identifizieren, vor allem was die technologische Seite der Brotherstellung betrifft: „Dieses Prinzip der langen Teigführung und der ausgereiften Natursauerteige entspricht unseren Zielen. Allerdings ist für uns die regionale Organisation der Zutaten, der Herstellung und des Vertriebs auch ein sehr wichtiger Punkt.“ Die Wünsche von Lenz gehen allerdings noch weiter: „Holzofenbrot bekommt man in der Region nur noch in einigen dörflichen Gemeinschaftsbackhäusern, die übrigens wieder im Aufschwung sind. Ich glaube, was in der Innenstadt aus Gründen des Emmissionsschutzes früher kaum genehmigungsfähig war – es qualmt einfach zu stark – müsste doch heute technisch machbar sein…“ Für Lenz beeinflusst die Art der Herstellung ganz elementar den Geschmack und deshalb hat der Rückgriff auf die fast schon ausgestorbenen Methoden auch nichts mit Traditionspflege oder purer Nostalgie zu tun. Ein bisschen teurer darf es denn auch sein…

Der Stuttgarter Slow-Baking-Bäcker
Genau in diesem Premium-Segment versucht Wolfgang Treiber sein Unternehmen aus Leinfelden-Echterdingen zu positionieren. Wolfgang Treiber ist Mitglied bei slow baking, wirkt nicht wie ein esoterischer Fantast, sondern ist ein gestandener, schwäbischer Mittelständler in den besten Jahren. Seit drei Generationen ist die Familie im Bäckerhandwerk tätig und das Unternehmen ist inzwischen auf 18 Filialen und 300 Mitarbeiter gewachsen. Über 150 verschiedene Backwaren verlassen täglich frisch die zentrale Fertigung und Treiber kann über die landläufigen Meinungen zu dieser Art der Organisation nur den Kopf schütteln. „Die Leute meinen, wenn das Brot aus einem 2-Mann-Betrieb kommt, sei es per se besser. Das ist totaler Quatsch!“ Denn ob in Fabriken industriell gebcken wird oder ob der Bäcker vor Ort industriell hergestellte Vorprodukte weiterverarbeitet, läuft letztendlich auf das Gleiche hinaus. „Mir ist die Qualität wichtig und der Geschmack. Sie müssen mal eines von diesen noch warmen Brötchen aus dem Backdiscounter aufbrechen und tief dran riechen – das stinkt ja förmlich nach Chemie!“

Slow Baking in Backnang
Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Geschmacksverstärker, chemische Frischhaltemittel, Emulgatoren – all das kommt auch bei Bernd Mildenberger nicht in Teig. In Backnang und den umliegenden Gemeinden vertreibt er in 29 Filialen seine Backwaren. Seine Mitgliedschaft bei Slow Baking sieht er entspannt. „Im Grunde haben wir das schon immer so gemacht. Ich möchte diese gute Sache aber unterstützen und habe mir auch schon die eine oder andere Anregung von dort geholt.“ Auch er hofft, dass sich bei auch bei den Brotessern letztendlich die Qualität durchsetzt und dass sie bereit sind, für die weltweit einmalige Vielfalt an Backwaren etwas mehr zu bezahlen.

[Veröffentlicht in LIFT 11/2007]

Slow Baking in Stuttgart: Langsames Brot

Her die Kreuzchen: Wahlkampf im Internet

Am 26. März wird in Baden-Württemberg gewählt. Kaum ein Kandidat kommt heutzutage noch ohne Homepage im Internet aus. Neue Technik hilft dabei, mit wenigen Handgriffen die Auftritte der Kandidaten den jeweils passenden Kampagnen der Parteien anzupassen.

 Schwarz-grüne Technik-Koalition: TYPO 3

Was die Technik betrifft, gibt es im Internet bereits eine schwarz-grüne Koalition: CDU und Grüne setzen auf das gleiche System, um die Inhalte auf ihren Internetseiten zu veröffentlichen und zu aktualisieren. Es handelt sich dabei pikanterweise um TYPO3, eine lizenzfreie und damit sehr preisgünstige Anwendung, die es erlaubt, ohne Programmierkenntnisse komplexe Webseiten zu steuern. Normalerweise kosten solche Systeme, die von einer Reihe mittelständischer Unternehmen angeboten werden, eine Menge Geld. TYPO3 hingegen ist gratis, weil es von einer internationalen Heerschar Freiwilliger programmiert wird, die die Ergebnisse ihrer Arbeit im Rahmen einer Open-Source-Lizenz jedem zur Verfügung stellen.

Die CDU garantiert E-Mail-Feedback

Damit verwirklichen sie nicht gerade ein konservatives Wirtschaftsprogramm, was aber Florian C. Weller, Internetbeauftragter beim Landesvorstand der CDU Baden-Württemberg, nicht anficht. Er freut sich über die professionellen Möglichkeiten des komfortablem Systems und die niedrigen Kosten. Die drücken in Wahlkampfzeiten an allen Ecken und Enden. Zum Opfer fielen dem notorisch knappen Budget schon interaktive Möglichkeiten wie Online-Foren oder Weblogs, in denen die Nutzer öffentlich lesbare Diskussionen führen oder Kommentare hinterlassen können. „Wir haben einfach nicht genug Leute, um die vielen Einträge zu kontrollieren und bei Bedarf moderierend einzugreifen,“ bedauert Weller. Immerhin garantiert er, dass jede Anfrage, die Interessierte per E-Mail an die CDU-Zentrale schicken, innerhalb von 48 Stunden beantwortet wird. Selbst das erfordert bereits die Unterstützung externer Dienstleister, denn es kommen pro Tag dutzende Mails.

Kampagne verknüpft Großplakat und Internet

Zum Wahlkampf hat die CDU-Landeszentrale neue Webseiten für die Partei (www.cdu-bw.de) und den Spitzenkandidaten installiert. Die einzelnen Kandidaten erhalten zwar ein zentrales Angebot auf Unterstützung, aber die meisten organisieren die eigene Homepage, ohne die heute kein Kandidat mehr auskommt, mit ihren jeweiligen Unterstützer-Teams. Die so entstandenen Webseiten sehen denn auch recht unterschiedlich aus – und sind alle ein bisschen Orange, der neuen Parteifarbe. Weller hat damit kein Problem, wenn die von der Bundespartei vorgegebenen Gestaltungsrichtlinien nur bruchstückhaft umgesetzt werden. „Die CDU ist eine lebendige Volkspartei mit vielen verschiedenen Persönlichkeiten. Wir sind kein Unternehmen, das komplett stromlinienförmig gestaltet ist. Die Internetseiten sollen die Persönlichkeit des Kandidaten wiederspiegeln, das ist das Wichtigste.“ Zentral gesteuert wird die CDU in der heißen Phase der Kampagne mit einer Verbindung von Großplakat und Internet aufwarten. Unter www.darumcdu.de werden Plakatmotive aufgenommen und Themen vertieft. Ob die CDU mit bezahlter Online-Werbung die Kampagne unterstützen wird, will Weller nicht verraten, betont aber zugleich die wichtige Rolle von nur intern zugänglichen Info-Portalen für die Komunikation mit den vielen Wahlkampfhelfern.

SPD setzt auf zentrale Plattform

Das ist auch für Andreas Reißig, Pressesprecher der SPD Baden Württemberg, ein wesentlicher Punkt bei der Nutzung der neuen Medien im Wahlkampf. Allerdings geht die SPD bei den zentralen Dienstleistungen noch wesentlich weiter. „Unsere Internetstrategie beinhaltet die Bereitstellung einer zentralen Plattform für alle Kandidaten und Partei-Gliederungen. Das gesamte System ist darauf angelegt, Kampagnen zu unterstützen.“ Jeder Kandidat kann mit einer relativ unkomplizierten Computeranwendung eigene Inhalte veröffentlichen und seine persönliche Homepage im SPD-Look aktuell halten. Es können wie bei einem Textverarbeitungsprogramm Bilder integriert, Nachrichten-Feeds von SPD-Redaktionen eingespeist, Terminlisten angefertigt und Downloads bereit gestellt werden.

Kampagne auf Knopfdruck

Reißig, der mit dem System seine eigene Website unter www.andreas-reissig.de betreibt, zeigt sich begeistert: „Jemand aus meinem Team hat eine zweistündige Schulung gemacht und innerhalb von drei Tagen hatten wir ein attraktives Angebot. Und das beste ist: Mit einem Knopfdruck kann das Erscheinungsbild komplett geändert und an die jeweilige Kampagne angepasst werden.“ Durch die Trennung der Inhalte von der Gestaltung bei Schriften und grafischen Elementen ist es möglich, im System neue, Templates genannte Vorlagen bereit zu stellen, aus denen der Anwender auswählen kann. Ein Klick und die gesamte Website sieht völlig anders aus. Der Kostenvorteil ist immens, vor allem für die Kandidaten, die mit 50 € im Jahr dabei sind. Gewisse Einschränkungen können da in Kauf genommen werden, denn eine bestimmte Fläche jeder individuellen Kandidatenseite ist für den Landesverband reserviert, der dort eine bunte Linksammlung auf die zentralen Angebote der Landes-SPD präsentiert. Der Wahlkampf auf Knopfdruck hat seine eigenen Gesetze.

[Der Artikel wurde am 1. März 2006 in der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht.]

Her die Kreuzchen: Wahlkampf im Internet

Wo die schönen Bilder sind: www.flickr.com

Die digitale Revolution der Fotografie ist fast vollzogen. Inzwischen sind 90% aller verkauften Apparate digitale Geräte und die meisten Handys haben integrierte Kameras. Das Aufnehmen von Bildern ist so billig wie nie geworden und es geschieht massenhaft. Das ist aber nur der erste Schritt. Der nächste findet mit Fotoportalen im Internet statt.

Fotos bleiben digital

Überall und jederzeit wird fotografiert. Aber wo bleiben all die Millionen Bilder, die tagaus tagein geknipst werden? Noch werden brav Papierabzüge bestellt oder es wird ausgedruckt – zum Lagern in Kartons oder Klebealben. Aber auf der Ausgabeseite zeichnet sich eine völlig andere Entwicklung ab: Die Fotos bleiben digital. Der Medienbruch löst sich auf.

www.flickr.com

Diese Entwicklung ist nur logisch, denn zur digitalen Kamera gehört fast symbiotisch der Computer. Erstmal verkabelt werden am Monitor die Fotos gesichtet und für die Reproduktion ausgewählt. Die entscheidende Weiterentwicklung ist die Veröffentlichung von Fotos im Internet. Online-Portale, die das anbieten, gibt es inzwischen dutzendweise. Kostenlos kann man Bilder hochladen, zu Alben zusammenstellen und festlegen, wer die Fotos anschauen darf. Einen entscheidenden Schritt weiter geht der 2002 von der kanadischen Firma Ludicorp gegründete Dienst Flickr (www.flickr.com). Mit inzwischen über zwei Millionen Nutzern weltweit und und fast 100 Millionen Bildern hat sich Flickr – zu deutsch etwa „Flackern“ – zur größten Foto-Community im Internet entwickelt.

Der Erfolg der Kommunikation

Der Erfolg von Flickr beruht zum einen auf der smarten Benutzeroberfläche, die ohne grafische Extravaganz auskommt und mit minimalen Englischkenntnissen bedient werden kann. Zum anderen gibt es viele kommunikative Funktionen, die aus einem einsamen Knipser das geachtete Mitglied einer weltweiten Gemeinschaft von Fotoenthusiasten machen. Wichtigste Flickr-Funktion ist die Möglichkeit, die eigenen Bilder mit Schlagworten zu versehen, englisch „tags“ genannt. Jedes Mitglied kann mit deren Hilfe Bilder von Nutzern aus aller Welt betrachten, die unter dem gleichen Schlagwort veröffentlicht wurden. Außerdem können fremdem Bildern Schlagworte hinzugefägt werden. Daraus entstehen dann ganz neue Bedeutungszusammenhänge.

Je nach Häufigkeit der verwendeten Schlagworte bildet Flickr anklickbare Begriffswolken oder auch Cluster von Schlagworten, die zusammenhängend verwendet werden. Damit nicht genug: Es wird angezeigt, wie oft die eigenen Bilder aufgerufen werden. Bilder fremder Fotografen können kommentiert werden. Es gibt Ranglisten mit den am häufigsten aufgerufenen oder kommentierten Fotos. Man kann frei thematische Gruppen bilden, zu denen jedes Mitglied Fotos beisteuern kann. Andere Mitglieder werden als bevorzugte Kontakte bestimmt, deren aktuelle Fotos beim Betreten der Webseite angezeigt werden, und vieles andere mehr. Der nahezu werbefreie Basisdienst ist selbstverständlich kostenlos und nur durch eine Beschränkung auf 200 neue Fotos pro Monat begrenzt. Wer mehr will, der abonniert den Pro-Service für 20 € pro Jahr. Und vergisst über dem Flackern der Welt seine Fotoalben in der Schublade…

 

[Der Artikel wurde im März 2006 in der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht.]

Wo die schönen Bilder sind: www.flickr.com