Eine Stadt ohne Kinder ist furchtbar

Eine Podiumsdiskussion im JES konstatiert Handlungsbedarf bei der Familienfreundlichkeit in der Stadt

Der demographische Wandel ist in vollem Gange. Wie dieser gestaltet und beeinflusst werden kann, darüber diskutierten lokale Experten im Jungen Ensemble Stuttgart. Fazit des Abends: es ist viel geschehen in Richtung kinderfreundliches Stuttgart, aber noch lange nicht genug.

Wie ist es um die Kinderfreundlichkeit in Stuttgart bestellt? Warum entscheiden sich immer mehr Menschen gegen das Kinderkriegen? Hängt das eine vielleicht mit dem anderen zusammen? Das waren die Fragen, auf die eine Veranstaltung im Jungen Ensemble Stuttgart (JES) am Mittwoch Abend Antworten geben wollte. Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen der aktuellen Spielzeit des JES statt, die unter dem Thema „Älter werden  – oder wie die Zeit vergeht“ steht.

Neben Aufführungen von passenden Stücken wurde dieses Thema durch insgesamt vier Abende vertieft, bei denen Experten und lokale Macher verschiedene Aspekte des demographischen Wandels vertieften. Das Thema beschäftigt zurzeit viele Menschen, was sich auch am Interesse für die Reihe zeigt. Der Dramaturg Christian Schönfelder, der die Reihe für das JES konzipierte, zeigte sich über den Publikumszuspruch in den zurückliegenden Wochen sehr zufrieden. „Das besondere Format hat offensichtlich funktioniert,“ sagte er.

Die Diskussionsabende wurden nämlich jeweils mit einem szenischen Vorspiel der Global Player eingeleitet, einer im JES beheimateten Amateurtruppe aus Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren. Die legten auch am Mittwoch eine ironisch-provokante Gesprächsbasis, als sie das Publikum 100 Jahre in die Zukunft versetzten. In ihrem imaginären Kidsworld konnte man Kinder nach Maß oder von der Stange kaufen inklusive Umtauschrecht. „Kinder in der besten Qualität“ wurden angepriesen, ohne Geburtsschmerzen in bereits pflegeleichtem Zustand erhältlich. Da blieb so manchem Zuschauer das Lachen etwas im Halse stecken, was sich dann in der folgenden, angeregten Diskussion Bahn brach.

Moderiert von der SWR-Journalistin Silke Arning trugen zunächst Stephanie Mair-Huydts vom Kuratorium Kinderfreundliches Stuttgart, Carola Haegele vom Generationenhaus Heslach und Achim Wörner, Ressortleiter Lokales bei der Stuttgarter Zeitung, ihre Thesen zur aktuellen Situation der jungen Generation in der Stadt vor. Alle konstatierten, dass mit der Initiative von Oberbürgermeister Schuster zwar schon viel geschehen, aber man noch lange nicht am Ziel sei. „Es bleibt noch viel zu tun,“ sagte Stephanie Mair-Huydts und Achim Wörner konstatierte Beharrungskräfte: „Das Thema Kinderfreundlichkeit ist ein zähes Geschäft.“ Zwar habe die Stadt auf einigen Feldern inzwischen bundesweit Vorbildcharakter, aber vor allem im alltäglichen Zusammenleben von Alt und Jung bleibe Handlungsbedarf. „Wir müssen Strukturen schaffen, um Missverständnisse und Sprachlosigkeit zu überwinden,“ sagte Carola Haegele. Nur so könne ein gesellschaftliches Klima hergestellt werden, in dem Kinder willkommen seien.

Neben den vom Staat herzustellenden Rahmenbedingungen sei dieses Klima essentiell für eine positive Entscheidung zum Kinderkriegen. Hier seien auch die Unternehmen gefragt, die eigene Kinderkrippen anbieten und junge Eltern durch flexible Arbeitsbedingungen unterstützen müssten. „Man kann nicht alles auf den Staat abschieben,“ sagte Achim Wörner. Nur wenn alle das ihre dazu beitragen, könne das gesellschaftliche Umfeld verbessert werden, um eine familienfreundliche Stadt zu schaffen. Die sei absolut erforderlich. Denn Kinder sind nach wie vor das Salz in der Suppe des Lebens, nicht nur aus rationalen Gründen sondern ebenso aus emotionalen. „Eine Stadt ohne Kinder ist doch furchtbar,“ betonte Frau Mair-Huydts. Die im Publikum anwesenden Jugendlichen machten in ihren Diskussionsbeiträgen dann deutlich, dass die aktuelle Situation noch nicht dazu angetan ist, dieses Horrorszenario als Illusion abzutun. Es gäbe viel zu wenige, nicht kommerzialisierte oder durchgeplante Freiräume für Jugendliche in der Stadt, monierten sie.  

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Eine Stadt ohne Kinder ist furchtbar

20 Jahre mit Herz und Verstand

Der Förderverin MuK beging sein Jubiläum mit einem Festakt im Alten Schauspielhaus.

Vor 20 Jahren nahm der privaten Förderverein „MuK: Wir bauen ein Haus – Hilfen für Mütter und Kinder“ seine Arbeit auf. Inzwischen können in 24 Wohnungen schwangere Frauen in Notsituationen unterkommen und werden dort betreut. Die Politik zeigte sich bei der Jubiläumsfeier begeistert.

Mit einem bunten Programm aus Festreden und theatralisch-musikalischen Darbietungen wurde am Sonntag Nachmittag das 20-jährige Jubiläum des Fördervereins „MuK: Wir bauen ein Haus – Hilfen für Mütter und Kinder“ im Alten Schauspielhaus gefeiert. Neben Bürgermeister Michael Föll würdigte auch Ministerpräsident Günther Oettinger die Verdienste des aus einer privaten Initiative entstandenen Projektes, das mit drei Wohnhäusern in Hofen, Plieningen und Vahingen sowie einem Café schwangeren Frauen in Notsituationen unter die Arme greift. Über 100 Frauen und deren Kinder konnten davon inzwischen profitieren und wurden mit einem betreuten Wohnungsangebot versorgt. „Sie schließen damit eine Lücke im sozialen System,“ sagte der Ministerpräsident und hob den couragierten Einsatz der Gründerin und Vorsitzenden Ingrid Ritter hervor. Denn Häuserbauen sei schließlich ja nicht gerade eine besonders preisgünstige Idee. Inzwischen habe sich der Verein aber zu einem strategischen Partner für die fachliche Erprobung von neuen Konzepten entwickelt. Deshalb werde das Projekt jetzt auch von der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg unterstützt.

Mit dieser Förderung konnte die Anfang des Monats in Sillenbuch eröffnete Familienbegegnungsstätte „Café MuK“ finanziert werden, die der Verein zusammen mit dem Jugendamt der Stadt trägt. Bürgermeister Michael Föll hielt die private Hilfsorganisation sogar für „unverzichtbar“, denn sie ergänze das städtische Hilfsangebot. Vorbildlich ist für Föll auch den Umstand, dass der Verein nicht ständig nach städtischen Geldern frage, sondern „energisch und dynamisch“ selbst erst einmal versuche, seine Ziele zu erreichen. Wobei er es nicht unerwähnt lassen konnte, dass ihm als Finanzbürgermeister diese Frage besonders am Herzen liege. Diese Anspielung lag aber eher im heiteren Bereich und passte daher ganz gut zu der vergnüglichen Grundstimmung, an der die Vorsitzende Ritter und der kleine Potpourri an Theaterszenen und musikalischen Darbietungen auf der Bühne des Alten Schauspielhauses einen gehörigen Anteil hatten. Vor allem die Schauspielerin Mirjam Barthel mit ihrem aus vom Publikum zugerufenen Begriffen improvisierten Geburtstagssong begeisterte die etwa 100 Gäste. „Bei MuK gibts nicht nur Saft aus Apfelsinen, sondern auch richtige Waschmaschinen,“ schmetterte sie und meisterte das ernste Thema mit amüsanter Herzlichkeit. Herz und Verstand kamen zusammen und die, so stellte der Ministerpräsident in seiner Ansprache fest, sind der wichtigste Rohstoff in dem an Bodenschätzen darbenden aber trotzdem so wohlhabenden Bundesland. 

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

20 Jahre mit Herz und Verstand

Blindgänger ohne Probleme entschärft

700 Anwohner mussten bei der weiträumigen Evakuierung rund um den Unteren Schlossgarten am Sonntag Vormittag ihre Wohnungen verlassen. 

Die Entschärfung einer nicht detonierten, 500 Kilo schweren Sprengbombe aus amerikanischer Produktion verlief am Sonntag zwischen acht und elf Uhr im Unteren Schlossgarten ohne Probleme. Bereits nach 10 Minuten hatte das Team der Kampfmittelbeseitigung den Zünder entfernt. 

Günther Goedecke macht einen leicht genervten Eindruck. Der Teamchef der Kampfmittelbeseitigung Baden-Württemberg hat ständig mit den Überresten des Bombenkriegs zu tun, steht jetzt neben den rotbraunen Erdhaufen im Unteren Schlossgarten und muss den anwesenden Pressevertretern mal wieder ein Interview nach dem anderen geben. Etwas zerknirscht beantwortet er die immer gleichen Fragen. Wie viele Sprengkörper er schon entschärft hat, kann er nicht sagen. Diesmal verlief jedenfalls alles nach Plan. Schon seit Anfang März war bekannt, dass unter der Grasnarbe in fünf Meter Tiefe ein 500 Kilogramm schwerer Blindgänger liegt. Bei erneuten Auswertungen von Luftaufnahmen im Zusammenhang mit den Planung für Stuttgart 21 war man der nicht detonierten Sprengbombe auf die Spur gekommen. Schätzungsweise zehn bis fünfzehn Prozent der von den alliierten Bomberkommandos über der Stadt abgeworfenen Spreng- und Brandbomben haben ihren zerstörerischen Auftrag damals nicht erfüllt, sondern sind einfach im Boden verschwunden. Bei den 54 Luftangriffen, die im Zweiten Weltkrieg fast 4.500 Stuttgarter das Leben kostete, fielen etwa 12.000 Sprengbomben und 130.000 zwei Kilogramm schwere Brandbomben auf die Stadt. Zwar wurden schon während des Krieges und in den ersten Jahren nach dessen Ende viele der Blindgänger entschärft und abgeräumt, oft aber auch einfach nur die Einschlagtrichter zugeschüttet. Wegen ungenauer Dokumentationen gestaltet sich die Suche nach so viel Jahren schwierig. Im Zusammenhang von Bauarbeiten werden daher immer wieder Bombenfunde gemacht. So wurde zuletzt am 5. März diesen Jahres eine Phosphorbombe in Stuttgart-Rot entdeckt.

Zu dem Großkaliber im Unteren Schlossgarten hatte das Räumkommando sich mit dem Bagger bereits am Samstag Zugang verschafft und erstmal ein Problem mit dem Grundwasser. „Wir mussten die Bombe etwas nach oben verlagern, um aus dem Wasser rauszukommen,“ sagt Goedecke. Die feuchte Lagerung stellt an sich kein Sicherheitsrisiko dar, denn ohne Luftzufuhr rosten die Zünder wesentlich langsamer durch. Gefahr für die Öffentlichkeit hat also vorher zu keiner Zeit bestanden. Nur das Entschärfen ist im Wasser natürlich nicht so angenehm. Gegen 10.30 Uhr konnte Goedecke dann seinen Schraubenschlüssel ansetzen, um den defekten Zünder herauszudrehen. Zu dem Zeitpunkt vermeldete die Polizei, die mit insgesamt 300 Beamten im Einsatz war, die komplette Evakuierung der Häuserblocks zwischen Neckarstraße und Cannstatterstraße. Die 700 Anwohner dort waren schon vor Wochen über die Aktion informiert worden und verließen freiwillig ihre Wohnungen. Etwa 40 fanden sich in einer Sammelstelle in Stuttgart-Ost ein. Außerdem war der Zugverkehr zwischen dem Hauptbahnhof und Bad Cannstatt eingestellt und der Untere Schlossgarten zwischen Neckartor und Mineralbäder mit roten-weißem Absperrband abgeriegelt. Die weiträumige Absperrung war notwendig, weil die Bombe auf der Freifläche ihre Splitterwirkung fast 1.500 Meter weit entfaltet. Selbst die obersten drei Stockwerke des SWR-Gebäudes mussten geräumt werden, da sie die angrenzenden Häuser überragen. Kein Durchkommen also für die von dem frühlingshaften Vormittag in den Park gelockten Spaziergänger und Freizeitradler. Gemeckert hat wohl keiner, das Objekt flößte gehörigen Respekt ein. „Die Bürger hatten alle sehr viel Verständnis,“ sagt Polizeisprecher Florian Suckel später. Widerstand gegen Räumung und Absperrungen habe es keinen gegeben.

Auch für Günther Goedecke verlief alles nach Plan und wider Erwarten völlig reibungslos. „Es war kein schwieriger Fall. Jetzt bin ich erleichtert, dass ich mir keinen Finger geklemmt und nicht auf den Daumen gehauen habe,“ sagt er etwas verschmitzt. In die Grube war er zusammen mit einem Kollegen gestiegen und bereits nach zehn Minuten fertig. Um 10.42 Uhr konnte die Polizei Entwarnung geben. Da baumelte die überdimensionale schwarz-braune Stahlzigarre scheinbar harmlos an der Baggerschaufel. Warum der entfernte Aufschlagzünder, der etwa so groß wie eine Tube Zahncreme ist, versagt hat und die 250 Kilogramm Sprengstoff nicht zur Detonation brachte, wird unbekannt bleiben. Meistens handele es sich um mechanisches Versagen, sagt einer aus Goedeckes Team, oder Sabotage. Die Bombe wird dann mit vereinten Kräften auf einen Schlitten gehievt und in dem Transportfahrzeug verstaut. Im Munitionslager in Sindelfingen wird sie in den nächsten Tagen ferngesteuert zersägt, der Sprengstoff schließlich verbrannt. Günther Goedecke hat jetzt Feierabend und gönnt sich in einigem Sicherheitsabstand eine Zigarette. Heute wird er noch gut zu Mittag essen und einen ruhigen Tag verleben. „Heute Nachmittag trinke ich noch eine schöne Tasse Kaffee“, sagt er zum Schluss. 

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]
Blindgänger ohne Probleme entschärft

Der letzte Vorhang fällt noch lange nicht

Die Anbieter von Dinnershows sind mit der abgelaufenen Saison zufrieden. Für die Zukunft setzt man weiter auf Expanison.

Dinnershows erfreuen sich in Deutschlabnd weiter großer Beliebtheit. Die Mischung aus Live-Entertainment und kulinarischem Erlebnis zog auch in der jetzt abgelaufenen Saison tausende von Gästen in die Zelte und Veranstaltungssäle. Allerdings gab es mit der Insolvenz der Show Bajazzo, einer Produktion von Eckhart Witzigmann und Bernhard Paul (Roncalli), die in fünf Großstädten zu sehen war, einen Verlust zu beklagen, den sich so recht niemand erklären kann. Geschäftsführer Horst Bork slebst weiß auch nicht so genau, woran es denn nun gelegen hat. Von den vier Standorten sei die Hälfte gut gelaufen, nur in Köln und Hamburg sein man nicht erfolgreich gewesen. „Wir werden das genau analysieren und entsprechend das Konzept ändern,“ sagte Bork. So wie bisher gehe es allerdings nicht weiter. Zurzeit stelle man Überlegungen an, wie es nach der Trennung von Roncalli und mit einer Fokussierung auf die Kochkünste Witzigmanns weitergehen könne. „Wir sondieren das Gelände.“

Die Wettbewerber wollten wie üblich die Probleme bei Bajazzo nicht kommentieren, können aber selbst von wachsenden Gästezahlen berichten. Ihn hätten die Probleme bei Bajazzo überrascht, so Bernd Zerbin, Pressesprecher der Produktion Palazzo, die an zehn Standorten im In- und Ausland mit Köchen wie Harald Wohlfahrt, Alfons Schuhbeck oder Hans-Peter Wodarz zusammenarbeitet. Die Shows seien durchweg hervorragend ausgelastet gewesen, selbst in Stuttgart, wo es mit Pomp Duck and Circumstance einen starken Wettbewerber gegeben habe. Die Konkurrenz sei zwar spürbar gewesen, aber der Markt habe sich offenbar vergrößert. „Das Genre Dinnershow hat sich weiter popularisiert,“ so Zerbin. Für die Zukunft plant Palazzo weitere Standorte im In- und Ausland, darunter in Dubai (wir berichteten). Die Zeichen stehen also bei Palazzo auf Expansion, allerdings wird es bei der Ausrichtung auf die Wintersaison bleiben. Ein für 2008 geplantes Sommergastspiel auf Sylt wurde auf das nächste Jahr verschoben, eine generelle Ausweitung auf die warme Jahreszeit ist nicht vorgesehen. „Die Zelte sind plüschig und heimelig, das passt einfach nur in den Winter. Außerdem soll es ein singuläres Ereignis bleiben. Bei einem permanenten Angebot verliert das seinen Nimbus,“ sagt Zerbin. Fast 80 Prozent der Gäste sind Privatleute, die sich dreieinhalb Stunden lang bei Preisen zwischen 89 und 135 Euro vergnügen. 

Bei der Stuttgarter Konkurrenz Pomp Duck and Circumstance ist man im großen und ganzen mit dem bisherigen Geschäftsverlauf zufrieden, so Geschäftsleiterin Tanja Feucht. Genaue Zahlen habe man aber noch nicht vorliegen, da die Saison bei Pomp bis Juni dauert. Nach Ansicht von Feucht ist der Markt allerdings fast schon gesättigt, da zu viele Zelte und kleinere Anbieter das Thema Dinnerschow aufgegriffen hätten. „Es findet eine McDonaldisierung statt,“ sagt sie. Das Format brauche eine gewisse Exklusivität. Den erfolgreichen Umzug von Berlin in die schwäbische Landeshauptstadt schreibt sie dem auf eine perfekte, leicht verrückte Show ausgerichteten Konzept zu. Auf einen Starkoch als Namensgeber wird bewusst verzichtet. Stattdessen setzt man auf eine „junges, kreatives Küchenteam“. Für die Zukunft sieht Feucht keine Probleme, eine Expansion auf andere Städte sei aber Moment nicht vorgesehen. 60 Prozent der Gäste kommen hier aus dem Bereich der Firmenkunden.

Von stetigem Wachstum kann auch Hamdan Madi berichten. Der Deutsch-Marrokaner betreibt im Berliner Stadtteil Tegel seit April 2004 das „Zelt der Sinne“. Die an orientalischen Motiven ausgerichteten Abende finden in mehreren Zelten statt. „Das sind marrokanische Königszelte, alles Handarbeitet,“ berichtet Madi, von Beruf Bauingenineur. Allein in den letzten zwei Jahren wurde die Kapazität verdreifacht und der Umsatz verdoppelt. Pro Abend finden etwa 200 Gäste in den Zelten Platz, wo sie für 87 Euro ein Vier-Gänge-Menü mit nordafrikanischen Gerichten und ein Unterhaltungsprogramm mit Bauchtanz und Artistik erwartet. Besonders erfolgreich sind zwei Märchenveranstaltungen, eine für Erwachsene mit erotischen Motiven und eine für Kinder am Sonntag Vormittag. Madi sieht sich allerdings eher als Kulturvermittler, denn als profitorientierten Unternehmer. „Wir sind zufrieden und können das vor allem mit einem engagierten Team umsetzen,“ sagt er. Eine Krise des Formats sieht er nicht, ganz im Gegenteil: „Wir werden weiter expandieren.“

Ein Ende des Genres kann auch Kai Leistner nicht ausmachen, Produktionsleiter des neuen Formates Do Brazil in München. Das darf sich mit dem Namen des bekannten Fußballstars Giovanni Elber schmücken, der sich am Konzept beteiligt und damit seiner bayrischen Wahlheimat sein Heimatland Brasilien näher bringen möchte. Ab 9. Oktober 2008 kann man dann bis in den Februar hinein in einem Spiegelzelt in München, genauer Standort noch unbekannt, eine Art samba-getriebenes Gesamtkunstwerk aus Artistik, Musik und Tanz genießen. Zwar wurde mit Dieter Müller ein hochkarätiger Koch verpflichtet, der ein Vier-Gänge-Menü mit südamerikanischen Anklängen austüfteln wird, aber der Grundansatz unterscheide sich doch von der Konkurrenz. „Wir sind nicht so gastronomisch fixiert,“ sagt Leistner, der einige Jahre als Geschäftsführer bei Palazzo tätig war und sich daher in der Branche bestens auskennt. Der Showaufwand werde erheblich sein und die Qualität hoch. Die Künstler kommen zum größten Teil aus Brasilien und wurden dort vor Ort gecastet. Dafür werden die etwa 400 Gäste pro Vorstellung 75 bis 145 Euro zahlen müssen. Leistner rechnet mit einer Auslastung von 80 Prozent, wobei sich private Buchungen und Firmenkontingente etwa die Waage halten. Vier bis fünf Millionen Umsatz peilt er an und plant schon jetzt für die übernächste Saison. „Wenn alles gut läuft, wird es einen, eventuell zwei weitere Standorte geben.“ Das Ziel müsse es aber bleiben, langfristig für Qualität und Innovation zu sorgen.

 

[Artikel für die AHGZ]

Der letzte Vorhang fällt noch lange nicht

Neues Stadtteilzentrum soll Standort Killesberg stärken

Auf der alten Messe entstehen über 5.000 Quadratmeter Ladenfläche neu. Bisher fließt Kaufkraft ab.

Der Einzelhandel im Stuttgarter Norden befindet sich im Umbruch. Bisher weichen die Bewohner wegen des ausgedünnten Angebots in andere Bezirke und die City aus. Durch den Neubau des Forum Killesberg soll die Kaufkraft im Bezirk gehalten werden.

Das an Stelle der alten Messe geplante Stadtteilzentrum Forum Killesberg entspricht den Bedürfnissen der Anwohner und wird die bestehenden Einkaufsstandorte nicht beeinträchtigen. Zu dieser Einschätzung kam am gestrigen Abend der städtische Wirtschaftsförderer Klaus Vogt, der die Planungen der Stadt auf einem Informationsabend der CDU Nord vorstellte. Dass es weiterer Einkaufsmöglichkeiten im Norden bedarf, ist auch die feste Überzeugung von Donate Kluxen-Pyta, Vorsitzende der Bezirks-CDU.

Seit Jahren hat sich das Angebot an kundennahen Dienstleistungen aber auch an Geschäften mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs immer weiter ausgedünnt. Diese Beobachtung wurde durch die Zahlen gestützt, die sich aus den Ergebnissen einer Untersuchung ergeben, die stadtweit die Handelsstruktur quantifiziert hatte. Für den Norden bedeutet das, dass für die 20.000 Bewohner des Einzugsgebiets rund um den Killesberg etwa 3.500 Quadratmeter Verkaufsfläche bereitstehen, unter anderem in den zwei kleinen Stadtteilzentren in der Helfferichstraße und im oberen Teil der Birkenwaldstraße. Die Standortanalyse habe eindeutig belegt, dass es in der Versorgung erhebliche Lücken gibt. Die Folge: Viele Anwohner machen ihre Einkäufe außerhalb des Stadtteils. „Das Nachfragepotenzial ist da, wird momentan aber nicht genutzt,“ sagte Lang. So würden Angebote in den Bereichen Bekleidung, Foto oder Sport einfach nicht existieren.

Diese Lücken soll das Forum Killesberg schließen. Dort werden nach den bisherigen Planungen insgesamt 5.700 Quadratmeter Ladenfläche neu entstehen. Neben einem Vollsortimenter mit einem breiten Warenangebot sollen kleinere Fachhandelsgeschäfte den Bedarf decken. Die Geschäftsleute an den existierenden Standorten sehen diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Zwar ist der Stuttgarter Norden weit davon entfernt, als sozialer Brennpunkt zu gelten, bei dem jede Geschäftsschließung als Vorbote einer schleichenden Verelendung gedeutet wird. Leerstand von Läden ist am Killesberg unbekannt. Trotzdem will man vorbeugen. Die Helfferichstraße wird schon in Kürze durch die Schaffung von Parkplätzen auf dem Mittelstreifen und weiterer Maßnahmen aufgewertet. Vor der Brenzkirche soll eine platzähnliche Situation entstehen, die dann die Birkenwaldstraße direkt mit dem Forum Killeberg verbinden soll. Lang verwies auf die positiven Erfahrungen, die man zum Beispiel am Cannstatter Carree gemacht habe. Dort waren die Besorgnisse der angrenzende Geschäfte zu Beginn groß, aber nach drei Jahren könne man feststellen, dass sich die Kundenfrequenz auch in den anliegenden Straßen merklich erhöht habe. Leerstand gibt es dort jetzt keinen mehr. Außerdem werden durch die am Killesberg geplante Wohnbebauung auch 1.000 neue Einwohner für eine Erhöhung der Nachfrage sorgen.

Für die Geschäftsleute im Bezirk bieten sich sogar neue Chancen, denn die Stadt will dafür sorgen, dass diese im Stadtteilzentrum eine exklusive Zugriffsmöglichkeit auf die neuen Läden erhalten, um ihre Geschäftstätigkeit eventuell auszudehnen. Da sei man in guten Gesprächen mit dem Betreiber. „Der wird auf Sie zukommen,“ kündigte Lang an. Der ebenfalls anwesende Stadtteilmanager Torsten von Appelt gab den Geschäftsleuten denn auch den Rat, sich besser zu organisieren. „Die Stadt braucht starke institutionelle Ansprechpartner, um über Defizite zu reden,“ sagte er. Der Wille, mit vereinzelten städtebaulichen Maßnahmen die alten Standorte zu stärken, ist auf jeden Fall vorhanden. Ob das neue Forum allerdings die von der CDU-Vorsitzenden Kluxen-Pyta gewünschte Kommunikation der Bewohner untereinander verbessern kann, muss die Zukunft zeigen, wenn die Killesberger den offen gestalteten Stahl-und-Glas-Bau mit Leben erfüllen.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Neues Stadtteilzentrum soll Standort Killesberg stärken