Große Demonstration gegen Israel

Fast 4.000 Menschen protestierten gegen die Militäraktionen Israels im Gazastreifen

Die erschütternden Bilder aus dem Gazastreifen haben auch in Stuttgart viele Menschen entsetzt. Einige tausend, darunter viele Einwanderer aus der muslimischen Welt, geben offensichtlich allein Israel die Schuld an den Geschehnissen. Das wurde bei einer Demonstration in der Innenstadt gestern deutlich.

Von Dirk Baranek

Etwa 4.000 Demonstranten zogen gestern Nachmittag von der Lautenschlagerstraße durch die Innenstadt, um gegen die Militäraktionen zu protestieren, die Israel seit Tagen gegen Ziele im Gazastreifen durchführt. Aufgerufen hatten zu dem Umzug, der mit einer Kundgebung vor dem Rathaus endete, verschiedene arabische und palästinensische Kulturvereine. Auf der Demonstration waren aber auch kurdische und türkische Gruppen zu beobachten, zumeist aus dem linksradikalen Spektrum. Ebenso waren libanesische Fahnen zu sehen und mit schwarzem Tschador vollverschleierte Frauen. Auf mitgeführten Transparenten wurde die Bombardments als „Massaker an Kindern und Frauen“ und Israel als „Terrorstadt“ bezeichnet. Ein kleines Schild trug den Text „Die Opfer von gestern sind die Mörder von heute“.

Angefertigt hatte das der Ägypter Abdallah, der seit 32 Jahren in Deutschland und eine Gastronomie im Westen betreibt. Er äußerte sich gegenüber der StZ begeistert über die deutsche Demokratie und warf den Israelis vor, jetzt das Schicksal, dass sie unter den Nationalsozialisten erlitten hätten anderen Völkern anzutun. Mit der Hamas habe er auch nichts im Sinn. „Die Hamas ist dumm,“ sagte er, aber die gegen israelische Städte abgefeuerten Raketen, dürften keine Ausrede für die völkerrechtswidrigen Angriffe sein. Er hoffe auf den neuen US-Präsidenten Obama, denn ohne die USA könnten die seiner Meinung friedenswilligen Europäer ihre Ziele nicht erreichen.

Den Demonstranten hatte sich auch eine kleine Gruppe deutscher Friedensaktivisten angeschlossen, wie zum Beispiel Monika Imhoff. Dass sie neben Mitgliedern radikaler, augenscheinlich totalitäre Ideologien propagierenden Gruppen demonstrierte, focht sie nicht an. „Ich will hier eindringen, damit die wieder vernünftig miteinander reden,“ sagte sie. Im Verlauf des Umzuges über die Theodor-Heuss- und die Eberhardstraße schwoll die Teilnehmerzahl immer mehr an, sodass aus den anfangs etwa 1.000 Personen dann vor dem Rathaus fast 4.000 wurden, so die Polizei. Die berichtete außerdem dass es keinerlei besondere Vorkommnisse gegeben habe, außer einer Auseinandersetzung mit folgender Körperverletzung der Teilnehmer untereinander. Die Gruppen gelten teilweise als zerstritten.

Unterdessen wandte sich die Deutsch-Israelische Gesellschaft in einer Verlautbarung „gegen durchsichtige Versuche, Israel die Schuld an der gegenwärtigen Situation im Gazastreifen in die Schuhe zu schieben.“ Die Hamas sei eine terroristische Organisation und habe den Waffenstillstand einseitig aufgekündigt. Daher habe Israel ein Recht auf Selbstverteidigung. Das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung sei bedauerlich, aber diese werde von der Hamas bewusst missbraucht.

(Artikel für die Stuttgarter Zeitung / Lokalteil)

Große Demonstration gegen Israel

Gute Vorsätze kommen aus der Mode

Weniger Schlemmen, mehr Sport, mehr Gelassenheit – gute Vorsätze für das neue Jahr könnte es viele geben. Aber die meisten Stuttgarter sind Realisten und nehmen sich erst gar nichts mehr fest vor. Ihre Erfahrungen haben sie gelehrt: Es klappt ja sowieso nicht.

Von Dirk Baranek

Die traditionelle Sitte, am Jahresende einen festen Vorsatz zu fassen, um mit diesem in den folgenden Monaten ein besserer Mensch zu werden, scheint ziemlich aus der Mode zu kommen. So jedenfalls das vorläufige Ergebnis einer kleinen Passantenumfrage vor Silvester auf dem Wochenmarkt vorm Rathaus. „Die Menschheit sollte sich diesen Quatsch endgültig abgewöhnen,“ sagte zum Beispiel Ralf Schmid, ein 47-jähriger Internetdesigner aus Stuttgart. Schmid ist allerdings generell ein Silvesterskeptiker, dem die üblichen Bräuche zum Jahreswechsel überhaupt nicht behagen. Selbst hatte er sich noch nie Vorsätze gemacht.

Darin ist er sich mit Jolanta Ryczko und deren Tochter Rosa einig. Der Teenager zieht zwar durchaus in Betracht, „mehr für die Schule zu lernen“. Aber die Vorgabe, „mehr Respekt vor den Eltern“ aufzubringen, wurde schon mit einem ironischen Unterton ausgesprochen. „Man soll eben nichts versuchen, was man ohnehin nicht einhalten kann,“ ist denn auch der Kommentar der Mutter, die sich noch nie etwas größeres vorgenommen hat. Es komme viel eher darauf an, ungeliebte Verhaltensweisen Schritt für Schritt im Alltag abzulegen, als sich am Stichtag einen großen Brocken aufzubürden. Weil der so groß ist, sei das Scheitern schon vorprogrammiert, was dann allerdings wieder nur zu überflüssigen Gewissensbissen führe. Besser seien kleine Schritte.

Genau diese Strategie umzusetzen, hat wiederum Rose Roth ins Auge gefasst. „Ich habe mir vorgenommen, etwas gelassener zu werden und mich nicht über jede Kleinigkeit aufzuregen,“ sagte die 63-jährige Rentnerin aus Stuttgart. Diese Haltung wird ihrer Meinung nach durch die zunehmende Abgeklärtheit im Alter möglich. Einen lebendigen Beweis für diese These hat sie selbst gerade erst bei ihrer Tochter erhalten, die ihr erstes Weihnachtsfest in der eigenen Familie ausrichtete. Dabei habe es etwas Stress gegeben, letztlich um unwichtige Dinge.

„Vier Kilo abnehmen.“ Für Werner Conle sind die Ziele klar umrisssen, aber bezüglich der Umsetzung macht sich der 53-jährige Bauingenieur keine Illusionen. Denn wie die Gewichtsreduktion zustande kommen soll, das sei ihm total unklar. „Ich hoffe auf die Krise,“ sagte er mit einem Augenzwinkern. Und einen Vorsatz, von dem er jetzt schon weiß, dass der nicht Realität wird, hat er auch: „Mehr Sport treiben. Joggen oder sowas.“ Ein Hindernis könne sein, dass er in keinem Sportverein ist und sich auch bisher nicht regelmäßig körperlich betätige. Da hilft dann auch der beste Vorsatz nicht oder die frisch geschöpfte Motivation versickert wieder im Alltag.

Das ist jedenfalls die Erkenntnis von Ralf Kühn aus Heilbronn. „Ich bin da mehr Realist geworden, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass das eh nix wird, mit diesen guten Vorsätzen,“ sagte der 39-jährige Projektmanager. Jetzt macht er sich erst gar keine mehr, obwohl weniger Rauchen und die Vermeidung von Alkoholkonsum schon angebracht wären. Ein schlechtes Gewissen wird er sich nicht machen. Das hält ja sowieso lange nicht an, so die Erkenntnis von Tina Bähring. „Im Januar halten wir uns noch zurück, aber spätestens im Februar greifen wir dann wieder unbeschwert zu Schweinebraten und Kohlrouladen,“ sagte die 35-jährige Grafikdesignerin. Das zunehmende Alter zeige zwar schon die ersten Symptome, durchtanzte Nächte seien zum Beispiel gar nicht mehr drin. Da fange man schon an nachzudenken, dass es so nicht weitergehen könne und man etwas Gutes für den eigenen Körper tun müsse. Aber die permanente Verzichtshaltung mache auf Dauer keinen Spaß. Konsequenz: Trotz Einhaltung der guten Vorsätze sein man irgendwie unzufrieden. Ein echtes Dilemma also, in dem sich der von den Nebenwirkungen der Zivilisation geplagte Mensch befindet. „Silvester hat doch was zwanghaftes.“

Das ist denn auch prompt die Meinung von Lara Brändle, einer 19-jährigen Schülerin aus Bad Urach, die mit ihrem Freund  Patrick Fahl in der City weilte, um etwas Großstadtflair zu erleben. Gute Vorsätze haben die beiden sich noch nie gemacht. Das sei doch ein „blödes Ritual“. Wie sie den Jahreswechsel verbringen wollten, war noch unklar. „Wir sind keine Silvesterfans,“ bekannten sie und sind damit gar nicht so allein.

(Artikel für die Stuttgarter Zeitung / Lokalteil)

Gute Vorsätze kommen aus der Mode

Eisflächen in Stuttgart: Das kalte Vergnügen ist zurück

An der Doggenburg ist die Natureisbahn seit gestern in Betrieb

Bei entsprechender Witterung mit tiefen Minusgraden wird in jedem Jahr an der Doggenburg eine Natureisbahn eingerichtet. Seit gestern ist es nun wieder soweit. Auf einem Bolzplatz kann man auf ein Zentimeter dickem Eis Schlittschuhlaufen.

Auf dem städtischen Bolzplatz an der Doggenburg wird seit gestern nicht mehr der Ball getreten sondern auf Schlittschuhen Runden gedreht. Am Abend zuvor hatten die Mitglieder des Kräherwaldvereins mit einem Feuerwehrschlauch die etwa 200 Quadratmeter große Fläche mit Wasser bespritzt. Auf Grund der kalten Witterung ist schon über Nacht eine etwa ein Zentimeter dicke Eisfläche entstanden. Dabei wird es aber nicht bleiben, denn das Eis wird jede Nacht dicker. „Wir spritzen jeden Abend nach, um die Rillen aufzufüllen, die die Eisläufer tagsüber hineinkratzen,“ sagte Kai Scheu, der als ehrenamtlicher Eismeister fungiert.

Seit fast 50 Jahren gehört die Natureisbahn jetzt fest zum Stuttgarter Winter, ein Angebot, das vor allem von vielen Kindern wahrgenommen werde. An einem sonnigen Wintersonntag kommen dann schon mal bis zu 500 Besucher auf das Gelände unterhalb der Waldorfschule. Die Einnahmen aus dem mäßigen Eintrittsgeldern (Kinder zwei, Erwachsene drei Euro) sowie aus dem Verleih von Schlittschuhen kommen komplett dem Verein zugute. „Es trägt sich grade so“, berichtete Scheu, denn es entstehen auch Kosten für Wasser, Strom und ein bisschen was für das Personal. Die Schlittschuhe gehören dem Verein selbst, der inzwischen 200 Paare besitzt. Die kamen durch Spenden herein. „Wir haben auch schon mal getauscht, wenn die Kinder rausgewachsen waren,“ sagte Scheu. Von Gleitschuhen für die Kleinsten bis zur Größe 48 für die ganz Großen ist alles dabei.

Traditionell gibt es auch einen kleinen Kiosk mit Erfrischungsgetränken, Süßigkeiten, Wiener Würstchen und dem berühmt-berüchtigtem Senfbrot. Das besteht einfach nur aus einer mit Senf bestrichenen Scheibe Brot und ist mit einem Preis von zehn Cent unschlagbar günstig kalkuliert.

Gestern hatten sich schon ein paar erste Eisläufer eigefunden, wie die Familie Siegle. Großvater Jürgen Siegle war mit Tochter, Enkel und deren Cousins und Cousinen gekommen. Eigentlich wohnt er im Westen, kennt den Platz aber seit Jahren durch Spaziergänge in der Gegend. „Am Schlossplatz ist immer so voll und hier ist es schöner,“ sagte er. Enkel Jaro ist erst drei Jahre alt und machte seine ersten Erfahrungen auf dem Eis mit Gleitschuhen. Ziehen wollte er sich von den Erwachsenen partout nicht lassen. Ruhepausen auf einem der Bänke musste Jaro allerdings öfter einlegen, „weil es so anstrengend ist,“ wie er meinte.

Einen Vorteil bietet die Eisfläche: das Risiko, irgendwie körperlich zu Schaden zu kommen, ist sehr begrenzt. Einbrechen kann man ja sowieso nicht und auch Sturzverletzungen sind total selten, so die Betreiber. Vor vielen Jahren habe es mal einen gebrochenen Arm gegeben, aber ansonsten passiere nichts. Die Kinder seien ja dick angezogen und steckten das locker weg. Verboten bleibt deshalb auch das Eishockeyspielen. Ansonsten könne jeder seine Runden drehen, wie er wolle und bei der eingängigen Popmusik wagen die Geübteren sogar ein paar Tanzschritte, abends auch im Flutlicht. Geöffnet ist die Eisbahn bei gutem Wetter täglich von 11 bis 18 Uhr. Parkplätze sind reichlich vorhanden und die Bushaltestelle ist nicht weit. Wenn die Witterung in den nächsten Wochen  mitspielt, ist das sicherlich eine gute Abwechslung, um die Kinder mal aus der Bude in die frische Luft zu scheuchen.


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Infos zu weiteren Möglichkeiten Schlittschuh zu laufen in Stuttgart

In den Weihnachtsferien gibt es im Eissport-Zentrum Waldau neben den normalen Öffnungszeiten Montags zusätzliche Möglichkeiten für das normale Publikum in der Halle seine Runden auf den Metallkufen zu drehen. An den meisten Tagen kann man Vormittags, Nachmittags und Abends jeweils zwei bis drei Stunden laufen, genaueres im Internet auf www.stuttgart.de. Abends gibt sogar Disco mit einem DJ und Lichtshow. Eintritt kostet von zwei bis fünf Euro. Auf dem Schlossplatz steht die Eisfläche noch bis 6. Januar zur Verfügung.

Auf den Seen im Stadtgebiet ist das Betreten der Eisflächen generell nicht erlaubt. Trotzdem kann es möglich sein, relativ sicher zu laufen auf dem Feuersee und dem Bärensee, der aber teilweise abgelassen ist in diesem Jahr. Der Eckensee ist ganz abzuraten.

 
[Ein Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Eisflächen in Stuttgart: Das kalte Vergnügen ist zurück

Die ewige Krawatte kommt nicht gut an

Geschenke sollen Ausdruck der Gefühle sein und müssen nicht unbedingt einen Nutzen haben

Weihnachtszeit, Geschenkezeit. Den Handel freut es, aber was denken die Beschenkten? Welche Dinge bereiten Freude und welche sind eher überflüssig, wenn nicht gar peinlich? Textile Produkte sind zum Beispiel eher nicht so gerne gesehen.

„Eine Barbiepuppe.“ Der 11-jährige Nico Herrmann, der mit seiner Mutter aus Neuhausen auf den Weihnachtsmarkt gekommen war, weiß ganz genau, was er nicht als Geschenk auf dem Gabentisch vorfinden möchte. Passiert ist ihm das allerdings noch nicht, denn er hat „noch nie was blödes bekommen.“ Verschenken wird er selbst etwas an seine Mutter, was natürlich noch geheim bleiben muss. Tatsächlich nutzen alle gestern vor dem Rathaus befragten Passanten das Weihnachtsfest, um Verwandten, Freunden und geliebten Nächsten mit einer Aufmerksamkeit eine kleine Freude zu machen. 

Selbst Studenten wie Andreas Gawelczyk, der an der Fachhochschule Informatik studiert, greifen ihr knappes Salär an, um dafür Geschenke zu kaufen, auch wenn es sich wie in diesem Fall nur um ein Budget in Höhe von 60 Euro handelt. Unmöglich findet Gawelczyk das Geschenk in Form eines Gutscheins. „Das ist mir viel zu unpersönlich,“ sagte er. Etwas eigenhändig Angefertigtes oder auch etwas gekauftes, um das dann etwas drumrumgebastelt wurde, sei ihm da schon wesentlich lieber. Da merke man wenigstens, dass sich derjenige einige Gedanken gemacht habe. Ziemlich peinliche Geschenke sind seiner Ansicht nach auch Socken oder gar Unterwäsche.

Dass Dinge aus dem textilen Bereich eher dazu angetan sind, für verlegenen Momente nach dem Auspacken zu sorgen, ist auch die Meinung von Pietro Lo-Bue. Der Gastronom, der nach Verkauf seines Restaurants Da Capo im Moment nach neuen Aufgaben Ausschau hält, meinte damit konkret „diese ewige Krawatte“. Der Kragenbinder sei doch einfach nur einfallslos. Ganz so schlimm ist aber nach seiner Meinung die unpassende Auswahl im Allgemeinen nicht: „Über ein Geschenk freut man sich immer.“ 

Diese emotionale Komponente des weihnachtlichen Vorgangs ist auch für Birgit Klein aus Kirchheim das Wesentliche. „Was nettes, was von Herzen kommt,“ wünscht sich die Hausfrau, die drei kleine Kinder hat und begeistert vom Stuttgarter Weihnachtsmarkt war. Problematisch findet sie allerdings „Bücher, die ich nicht lese oder irgendwelche Sachen zum Aufstellen.“ Dinge, die geschaffen wurden, um angeblich die Wohnung hübsch zu dekorieren, finden auch bei Lisa Maurer wenig Anklang. „So Dekozeug wie zum Beispiel alte Porzellanpuppen, das steht doch dann einfach nur als Staubfänger herum,“ sagte die Auszubildende, die beim „Energylädle“, einem Charity-Stand der EnBW aushalf. Ein Problem ist bei diesem Thema natürlich die Höflichkeit der Beschenkten. „Die Leute sagen einem das ja nicht, wenn es ihnen nicht gefällt.“ Positive Ausnahmen allerdings gibt es, scheinbar in Abhängigkeit vom Lebensalter des Beschenkten: „Meine Omas freuen sich über alles.“ 

Diese Erkenntnis wäre nun ein guter Tipp gewesen für Richard Iskalla, der einige Schwierigkeiten hatte, überhaupt für jeden das passende Geschenk zu finden. Etwa 300 Euro hat der 47-Jährige, der aus Kattowitz stammt, in Luzern als Maschinenbautechniker arbeitet und dieser Tage Freunde in Stuttgart besucht, für Geschenke ausgegeben. Mit den dafür angeschafften „Kleinigkeiten“ wird er hauptsächlich seine Freundin beglücken. Auch er hat ein Problem damit, Dinge geschenkt zu bekommen, die man im Wohnzimmer dauerhaft präsentieren soll. „Man stelle sich vor, man tut es nicht, weil man es hässlich findet und dann kommt es später noch zu peinlichen Situationen.“ 

Einer solchen Misslichkeit sieht sich Patricia Hofmann eher nicht ausgeliefert, die bei einem hiesigen Verlag die Abteilung Rechte und Lizenzen leitet und in Erdmannhausen wohnt. Eigentlich komme es nicht vor, dass etwas ganz und gar unpassendes verschenkt werde. „Es erfeut doch alles.“ Aber wenn doch einmal ihr Geschmack nicht getroffenen werden sollte, dann hat sie eine pragmatische Lösung: „Das kann man dann eigentlich guten Gewissens weiterverschenken,“ sagte sie. 

 

[Ein Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung.]

Die ewige Krawatte kommt nicht gut an

Subkultur im Shoppinggedränge

In den Wagenhallen sind Freunde des ausgefallenen Geschenks auf ihre Kosten gekommen

Gewagt gestaltete Filztaschen, freche Babymoden oder kleine Kunstoriginale konnten am Wochenende beim Holy.Shit.Shopping in den Wagenhallen erstanden werden. Überrascht waren Veranstalter und Aussteller über den Andrang und die Kauflust der Besucher.

Eine lange Warteschlange beim Einlass, Gedränge vor den Verkaufsständen, zufriedene Aussteller: beim Holy.Shit.Shopping, das am Wochenende in den Wagenhallen am Nordbahnhof stattfand, war das Wort „Krise“ kein Thema. Etwa zwanzig kleine Unternehmen boten ihre Produkte an, zumeist Dinge, die man nicht wirklich braucht, die das Leben aber schöner machen. Daher auch der Name der Veranstaltung, der das selbstironische Understatement ausdrückt, das die Anbieter zu ihren eigenen Produkten haben.

Vielleicht war die Minimesse, die eigentlich aus der Alternativkultur in Berlin kommt und auch in Köln und Hamburg Station macht, deshalb so erfolgreich, weil man dort Dinge bekam, die man sonst vergeblich sucht. Das Publikum war denn auch vorwiegend jung oder junggeblieben und begeisterte die Aussteller. „Die sind hier alle total nett und aufgeschlossen,“ sagte zum Beispiel Heinke Breuer von Berliner Töchter. Mittels Digitaldruck überträgt sie ihre Fotos von Reklameschildern, die für Liebe, Harmonie oder Wunder werben, auf Leinwand und Keilrahmen. Bei Preisen ab zwanzig Euro gingen gestern vor allem die großen Motive und Breuer freute sich über das „Bombengeschäft“.

Aber bei weitem nicht alle Designer und Künstler kamen aus der Hauptstadt, recht viele aus der Region. So Jule Köhler aus Reutlingen, die zusammen mit einer Kollegin die Agentur Patentanten betreibt. Vor allem ihre mit Filz und Alltagsmaterialen wie einer „echten Omatapete“ bespannten Schlüssel- und Garderobenbrettchen waren der Renner. Kein Stück gleicht dem anderen. Es ist offenbar diese Mischung aus etwas abgedrehter Kreativität, realem Gebrauchswert und ironischer Haltung, die die Kunden zum Kaufen verführt. Aber vielleicht ist es auch das Bewusstsein, ein Unikat zu besitzen, dass mit Sicherheit so niemand sonst hat.

Und noch etwas kommt hinzu: „Die Leute haben das Gefühl, etwas gutes zu tun, denn sie wissen, dass die Leute hinter den Ständen das selber produziert haben und nicht irgendeine anonyme Fabrik,“ sagte Harriet Udroiu, die die ganze Sache organisiert hat. Stuttgart sei einfach ein super Standort und die Wagenhallen passen perfekt zu der subkulturellen Ausrichtung. „Die Aussteller sind durchweg begeistert.“ Kein Wunder, hatten sich doch etwa 3.000 Kauflustige eingefunden, wesentlich mehr als bei der Premiere im letzten Jahr.

Alle Erwartungen übertroffen wurden auch am Stand von S-T-G-T, wo es mit Stuttgarter Motiven bedruckte Textilien gab. Geschäftsführer Michael Feigl war selber überrascht von der guten Stimmung. „Das ist ein großer Basar hier mit viel Lachen.“ Verkaufsschlager an seinem Stand war ein T-Shirt mit rotem Stern und dem Fernsehturm als Silhouette sowie ein Damenhöschen mit der Aufschrift „Musterärschle“.

Noch zwei Trends, die zu beobachten waren. Zum einen gab es viele Stände mit salopp gestalteter Babykleidung, ein Zeichen dafür, dass die Subkultur Kinder eher integriert als ablehnt. Zum anderen scheint Filz das Lieblingsmaterial dieser Szene zu sein. Taschen, Hüte, Mäntel – es scheint nichts zu geben, was man nicht daraus machen könnte. Ein ganz besondere Verwendung hat Stef Hauser entwickelt, die auf Filzstreifen alte Fahrradschläuche appliziert und daraus dann Gürtel herstellt. Inzwischen hat sie in Berlin mehrere Fahradläden, die durchgefahrene Gummischläuche für sie sammeln. 

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung.]

Subkultur im Shoppinggedränge