Assistierte Berufsausbildung bietet Problemfällen echte Chancen auf eine Lehrstelle

Ein Projekt der Evangelischen Gesellschaft verhilft jungen Leuten zu einer Ausbildung. Das Besondere daran: Intensive Betreuung – auch für die Betriebe.

 Noch immer finden nicht alle Schulabgänger einen Ausbildungsplatz. Schlechte Schulnoten, familiäre Probleme, unstetes Leben – oft kommt viel zusammen. Die Evangelische Gesellschaft nimmt sich solcher Fälle an, begleitet sie intensiv und hat Erfolg damit.

Demir (Name geändert) hat Glück gehabt, obwohl seine berufliche Laufbahn zunächst nicht danach aussah. Irgendwie konnte der heute 23-Jährige, der allein bei seiner Mutter lebt, nach dem Abschluss der Hauptschule im beruflichen Bildungssystem nicht erfolgreich Fuß fassen. Ein Ausbildungsplatz war nicht zu ergattern und so war er in den folgenden Jahren auf Berufsfachschulen, Lehrgänge der Arbeitsagentur und Ein-Euro-Jobs angewiesen. Nicht gerade ein Programm, dass Perspektiven verheißt. Heute absolviert er eine Berufsausbildung zum Bäckerei-Fachverkaufer bei einem großen Stuttgarter Meisterbetrieb. „Ich fühle mich da gut aufgehoben,“ sagt Demir. Die Wende in seinem Leben hat er wohl den Mitarbeitern im JobCenter zu verdanken, die ihn zur Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (EVA) schickten. Dieser 1830 gegründete Verein versteht sich als soziales Netzwerk und beschäftigt über 800 Mitarbeiter in verschiedenen Einrichtungen.

 Ein Projekt der EVA ist die Assistierte Berufsausbildung, die im Wesentlichen aus Mitteln der EU finanziert wird. Seit zehn Jahren werden darin junge Leute, die durch alle Raster gefallen sind, durch persönliche Betreuung in eine berufliche Ausbildung geführt. „Wir haben mit einzelnen Versuchen gestartet, die sehr erfolgreich waren. Seitdem ist das Projekt der Renner,“ sagt Harald Ziegler, Bereichsleiter für Ausbildung bei der EVA. Aktuell werden über 100 junge Leute betreut, von denen sich drei Viertel in einer Berufsausbildung befinden, in normalen Unternehmen, dass ist Ziegler wichtig. Neun Mitarbeiter analysieren zunächst die Ausbildungsfähigkeit, woran es oft hapert. Pünklichkeit, Motivation, Einsatzbereitschaft, das sind Werte, die irgendwann verloren gingen oder vielleicht nie vermittelt wurden. Auch bei der Entwicklung eines Berufswunsches ist viel Arbeit zu leisten, manchmal ernüchternde. „Die Absage vom Daimler hilft manchmal weiter, um gewisse Vorstellungen auf den Boden der Tatsachen zu bringen,“ sagt Ziegler. Es werden gute Bewerbungsfotos angefertigt, das Vorstellungsgespräch geübt und bei der Suche nach einem Praktikum und dem begehrten Ausbildungsplatz geholfen.

 Dieses auf den individuellen Fall zurechtgeschnittene, passgenaue Angebot scheint ein Erfolgskonzept zu sein und nachhaltig zu wirken. Thomas Kreuz, Arbeitsförderer der Stadt Stuttgart, ist jedenfalls von dem Modell überzeugt. „Vor allem diese Kombination der Integration in die Ausbildung und das parallele Coaching scheint ideal,“ sagt Kreuz. Damit meint er ein Prinzip des Projektes, die Betreuung nicht mit dem Abschluss des Ausbildungsvertrags zu beenden. Denn gerade in der Anfangsphase kommt es oft zu Problemen, die nicht selten zum Abbruch führen.

 Mit den Leuten von der EVA ist das anders, denn die kümmern sich, sind im ersten Lehrjahr Ansprechpartner für die jungen Leute und für die Betriebe. Letzteren garantiert man eine Reaktionszeit von maximal 24 Stunden. Das war auch für Monika Frank, Inhaberin der Bäckerei, ein wichtiges Argument, es einmal mit Demir zu versuchen. „Man weiß einfach, wohin man sich wenden kann, wenn es mal klemmt. Und die Begleitung ist sehr professionell,“ sagt Frank, die genug zu tun hat mit ihren 44 Mitarbeitern. Bei Demir hatten ihr die Bewerbungsunterlagen gefallen und das Vorstellungsgespräch verlief vielversprechend. Ob er wirklich zum Verkäufer geeignet ist, wurde dann in einem kurzen Praktikum erprobt, mit Erfolg. „Die Kunden mochten ihn von Anfang an sehr,“ berichtet Frank. Kein Wunder, Demir ist nicht unattraktiv, als Mann in diesem Beruf eher selten und mit seiner ruhigen und bescheidenen Art von einnehmendem Charakter. Wie es scheint ein Volltreffer und damit ein perspektivloser junger Mensch weniger.

 [Der Artikel ist am 1. Dezember 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Assistierte Berufsausbildung bietet Problemfällen echte Chancen auf eine Lehrstelle

„Wir sind nicht die Prozesshanseln!“

Mit einem Fest im Landespavillon feierte das Bündnis gegen Stuttgart 21 gestern Abend den Erfolg ihrer Unterschriftenaktion für ein Bürgerbegehren.

 Einen Etappensieg haben die Gegner von Stuttgart 21 erreicht, aber das eigentliche Ziel ist nach wie vor in weiter Ferne. Auf einem Fest im Landespavillon rechnete gestern Abend niemand mit der Zustimmung des Gemeinderats zum Bürgerentscheid. Die Aktivisten sind entschlossen, sich juristisch zu wehren. 

Die Gegner von Stuttgart 21 geben kämpferisch und motiviert für neue Aktionen. Zuversichtlich stimmt vor allem die Zahl der gesammelten Unterschriften für das Bürgerbegehren. Mit Nachläufern ist man nun bei 71.000 Stuttgartern angekommen, die sich in die Listen eingetragen haben. „Wir werden durchsetzen, dass das Statistische Amt der Stadt jede einzelne prüft,“ kündigte Werner Wölfle an, Fraktionsvorsitzender der Grünen Gemeinderat. Selbst gibt er gerne zu, dass er an einen solchen Erfolg zu Beginn der Aktion nicht geglaubt hat. „Sie haben bewiesen, dass diese Stadt nicht schläft, sondern lebt,“ rief er den 400 Unterstützern und Sympathisanten zu, die sich gestern Abend im Landespavillon zu einem kleine Fest versammelt hatten. Mit einem Begrüßungssekt, einem kleinen Buffet und musikalischen Einlagen des Frauen-Jazzchores VokalLadies wollte sich das Aktionsbündnis für die Unterstützung bedanken.

Neben der zufriedenen Rückschau auf den „wichtigen Etappensieg“ stand allerdings in den Gesprächen die verzwickte Gegenwart weit eher im Mittelpunkt des Interesses. Inzwischen gehen die Gegner von Stuttgart 21 davon aus, dass es im Gemeinderat am 20. Dezember zu einer Abstimmung über die Durchführung des Bürgerbegehrens kommen wird. Viel Hoffnung macht sich Gangolf Stocker, einer der drei Vertretungsberechtigten des Bürgerentscheids, über das Resultat der Abstimmung nicht. Die werde wohl negativ ausfallen. Um im Vorfeld die öffentliche Meinung zu mobilisieren, hat Stocker inzwischen eine Demonstration mit 5.000 Teilnehmern für den 15. Dezember auf dem Schlossplatz angemeldet. „Es werden aber bestimmt deutlich mehr werden,“ sagte Stocker, der im Falle des Scheiterns im Gemeinderat sogar vor einer „vorrevolutionären Stimmung“ warnte. Was das konkret bedeutet, blieb unklar.

Angesichts des Umstandes, dass sowohl die Aktivisten als auch der Unterstützer sich zumeist im gereiften Alter befinden, scheinen Aktionen außerhalb der demokratischen Spielregeln allerdings eher unwahrscheinlich. Ganz im Gegenteil beschuldigte Werner Wölfle den Oberbürgermeister und die Ratsmehrheit, Angst vor einer Volksabstimmung über das Bahnhofsprojekt zu haben. „Wir sind lupenreine Demokraten und werden uns dem Ergebnis einer Abstimmung unterwerfen,“ sagte er. Bis dahin scheint es aber noch ein steiniger Weg zu werden, dass war allen Anwesenden klar. Notfalls werde man den juristischen Weg beschreiten müssen, falls der Gemeinderat wegen der rechtlichen Problematik die Abstimmung nicht zulasse, kündigte Stocker an. Man sieht sich bereits als „Prozesshanseln“ in die Querulanten-Ecke gestellt, aber es seien doch die Unterstützer des Großprojektes, die jetzt die juristischen Fallstricke auswerfen, um die den Bürgerentscheid zu verhindern.

Damit werde man sich aber auf gar keinen Fall abfinden und mit Sicherheit den Klageweg beschreiten. Dann würde eben die ganze Zeit das „Damoklesschwert des gerichtlichen Scheiterns“ über dem Bauprojekt schweben. Einstweilige Verfügungen gegen einzelne Maßnahmen würden demnach an der Tagesordnung sein. „Die sollen das angesichts ihres zeitlich eng bemessenen Projektmanagements gut bedenken, auf was sie sich ohne endgültige Klärung durch einen Bürgerentscheid einlassen,“ warnte Gerhard Pfeifer vom Aktionsbündnis.

[Der Artikel ist am 30. November 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

„Wir sind nicht die Prozesshanseln!“

Wellnessthemen mischen Mineralienbörse auf

Das wachsende Interesse an der angeblich heilenden Wirkung bestimmter Steine belebt die Mineralienszene

Heute beginnt die 30. Internationale Mineralien- und Fossilienbörse in Halle 8 der Neuen Messe. Die 300 Aussteller haben nicht nur der Sammlerszene etwas zu bieten, sondern auch der wachsenden Zahl von Interessenten an der esoterisch inspirierten Steinheilkunde.

Wellness ist der neue Trend auf der Internationalen Mineralien- und Fossilienbörse, die dieses Jahr ihr 30. Jubiläum feiert. In einer zum ersten Mal vorgestellten Wellness-Oase können sich die erwarteten 20.000 Besucher über die verschiedenen Facetten der Steinheilkunde informieren. Damit ist nicht die orale Verabreichung bestimmter Mineralien gemeint, sondern deren äußerliche Anwendung als Massagesteine, Edelsteinöle und die Nutzung bei Wasser aufbereitenden Methoden. „Das Interesse aus dem esoterischen Bereich an Mineralien hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dem wollen wir Rechnung tragen“, sagt Brigitte Krawietz-Rometsch von der Messeorganisation. Warum diese Anwendungen vor allem bei Migräne, Muskelverspannungen und psychosomatischen Erkrankungen Heilerfolge bringen, weiß Michael Gienger, Autor diverser steinheilkundlicher Schriften, auch nicht so genau. „Vermutlich hängt das mit dem energetischen Austausch zusammen,“ sagt er. Die Besucher haben auf der Messe Gelegenheit, eigene Erfahrungen mit diesen Methoden zu machen. Es stehen einigen Massagestationen bereit und an einer Wasserbar kann normales, durch verschiedene Verfahren aufbereitetes Trinkwasser probiert werden.

 Durch diese Ausrichtung versucht man der Messe neuen Schwung zu verleihen. Die Rechnung könnte aufgehen. Die Ausstellungsfläche wurde um ein Viertel erweitert und die Zahl der Aussteller ist auf nun auf etwa 300 gestiegen, von denen viele ihre Standflächen gegenüber dem Vorjahr vergrößert haben. Deshalb kommen die klassischen Bereiche trotzdem nicht zu kurz. Dazu tragen auch die Sonderschauen bei, von denen eine dem rumänischen Gold gewidmet ist. Diese Schau wird von Franz Xaver Schmidt betreut, der beruflich als Leiter der Mineraliensammlung beim Museum für Naturkunde tätig ist. Diese Sammlung ist nicht öffentlich zugänglich, wie er bedauernd berichtet. Deshalb freut er sich umso mehr, seine Schätze auf der Messe dem interessierten Publikum zu zeigen. Zu sehen sind die diversen Formen mineralischen Goldes, die man noch heute in rumänischen Minen finden kann, wie zum Beispiel Berggold, seltene Golderze oder außergewöhnliche Mineralien wie Fullöppit.

 In einer Schauschleiferei kann man mitgebrachte oder erworbene Steine so weit wie möglich bearbeiten lassen. Wer nicht so genau weiß, was sein kristallines Prachtexemplar für einen Marktwert hat, der kann das gute Stück von Fachleuten schätzen lassen. Stöbern, Einkaufen und Geschenke für Weihnachten sichern, das kommt auf dieser Messe auf jeden Fall nicht zu kurz, denn neben Mineralienhändlern gibt es auch viele Stände mit Sammlerzubehör, Schmuck und Kunsthandwerk.

[Der Artikel ist am 23. November 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Wellnessthemen mischen Mineralienbörse auf

Das Gute liegt so nah bei der Messe Lust auf Genuss

Auf der Neuen Messe hat die Lust auf Genuss Premiere. Die Messe bietet eher bescheidene kulinarische Erlebnisse

Die neue Messe „Lust auf Genuss“ präsentiert seit gestern eine Halle voll mit kulinarischen Erlebnissen. Ein Streifzug durch die mit Winzern, Chocolatiers und Pfannenverkäufern gefüllte Halle ergab: Genuss kostet viel und einiges hält weniger als es verspricht. Es sei denn, es kommt aus der Region. 

Der gute alte Senf ist auch nicht das was er mal war. Ist wohl einfach nicht scharf genug. Deshalb gibt es am Stand von TimRott Chili-Senf. Schärfe ist schließlich nicht gleich Schärfe. „Senfschärfe spürt man in der Nase, Chili eher im Hals,“ sagt der nette Mensch, der Kostproben des Sortiments auf kleinen bestrichenen Weißbrotstückchen feil bietet. Die Leute greifen zu, sind neugierig auf neue Genüsse. Zu lange hat man sich mit plumpem Mampfen abgegeben, jetzt darf es auch was kosten, die kulinarische Weltreise. Der Viertelliter eines südmarrokanischen Öls aus der Arganafrucht geht für 25 Euro über den Tisch und schmeckt wie Öl halt so schmeckt. Das handtellergroße Steak vom Fleisch des Wagyu-Rinds aus amerikanischer Züchtung kommt mit Pappteller auf den Stehtisch und hält nach Meinung von Bernd Seemann nicht, was der Apotheken-Preis verspricht. „Schmeckt schon besonders, ist aber für 17,50 zu teuer,“ sagt er. Mit seinem Freund ist der 59-jährige Kaufmann aus Reutlingen auf die Messe gekommen und ist nicht begeistert. Einen Satz Kochmesser wollte der „nicht ambitionierte Amateurkoch“ sich besorgen, aber die gibt es hier nicht. Vom Angebot der „Lust auf Genuss“ ist er enttäuscht und wird sich einen zukünftigen Besuch gut überlegen.

 Auf ihre Kosten kommen auf jeden Fall die Freunde regionaler Weine. Die ganz cleveren kaufen sich schon am Eingang ein Probierglas wahlweise mit Extrabändel zum Umhängen. Dann kann man am großen, modernen Gemeinschaftsstand der Werbegemeinschaft Württembergischer Weingärtnergenossenschaften die Produkte von 24 Winzern testen. Die werden immer besser, vor allem der Rotwein, meint der Geschäftsführer Kurt Huber, der sich über wachsenden Absatz außerhalb des Landes freut. Trotzdem hat er hier ein Heimspiel, denn hierzulande wird nicht nur fast doppelt so viel Wein pro Kopf getrunken wie in der Restrepublik, sondern vor allem dem eigenen Gewächs den Vorzug gegeben: 70 Prozent der Produktion bleibt im Land.

Schade, dass man in hiesigen Regionen keinen Kakao anbauen kann, wäre bestimmt ein Riesenerfolg. Denn wie der Wein, wird jetzt auch die Schokolade ein sortenreines Produkt, bei dem auf Herkunft und Sorte geachtet wird. „Grand Cru“ heißt denn auch in Anlehnung an die Weinwelt eine Produktreihe der Firma Beschle, die der Online-Händler Chocolat de Luxe an seinem Stand anbietet. Das Wissen um die Lage der Pflanzung, der Kakaosorte, des Jahrgangs und der Aromen, die die umgebenden Pflanzen an die Früchte des Schattengewächses abgeben, machen aus dem gemeinen Nascher einen lutschenden Genussmenschen.

Die scheinen auch gerne ganz dicke Autos zu lieben. So präsentiert sich die Firma Rich-Prosecco vor einer schwarzen extralangen Stretchlimousine der Marke Hummer. Wild Passion, Kir Royal und Klassik heißen die drei Sorten des beliebten Italo-Sekts, den Rich, und das war die sensationelle Innovation, in kleinen goldenen Dosen verkauft. Prosecco aus Dosen, muss das denn sein? Das haben sich vor einem Jahr die meisten Brancheninsider gefragt und größtenteils mit Nein beantwortet. Inzwischen hat Rich über 10 Millionen Einheiten abgesetzt, nicht weil das Getränk so edel wäre, sondern wohl vor allem wegen des genialen Marketingkonzepts. Zur Absatzförderung wurde nämlich das Glamour-Girl Paris Hilton engagiert, das lebensgroß und leicht bekleidet in allen Supermärkten als Pappfigur das Produkt in die Köpfe der Zielgruppe brachte. Mit verfeinertem Genuss hat das rein gar nichts zu tun, eher mit dem wohligen Gefühl, mal vom leicht verruchten Luxus-Lotterleben zu kosten. Ein paar Tropfen wenigstens, aus der Büchse.

Denn Luxus ist in, der kommt ganz groß raus, eigentlich, also bei denen, die sich das leisten können. Die gehen dann zur Gourmet Schmiede in Ottersweiler und lassen sich ein Fest ausrichten. Gabriele Wacker ist Geschäftsführerin und berichtet von enorm gestiegenem Interesse an ihren Cateringleistungen. Sie organisiert viel für Firmen, aber auch die Privaten lassen sich nicht lumpen. Eine komplette Hochzeit für 100 Gäste mit Zelt im Garten und allen drumherum kann dann schon mal auf 20.000 Euro kommen. Über Auslastung ihrer 50 Mitarbeiter kann sie nicht klagen, fast jeden Tag hat sie irgendeinen Termin. Aber muss denn jetzt Genuss wirklich teuer sein? Gibt es denn da keine Schnäppchen oder so was? Gibts. Berge frischer, preisgünstiger Würste aus der Toskana oder fünf Liter kalabresisches Olivenöl für 40 Euro. Der Hit: Eine Tragetasche mit Köstlichkeiten von den Fildern: Sauerkraut, Rotkohl, Gurken, Pusztasalat. Für fünf Euro. Das Gute liegt so nah …

Die Messe Lust auf Genuss findet in der Halle 4 der Neuen Messe am Flughafen statt und ist noch bis Sonntag jeden Tag von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Tageskarte kostet zwölf Euro, ermäßigt neun Euro inklusive VVS-Fahrschein. Vorverkauf in vielen Lotto-Totto-Kiosken.

[Der Artikel ist am 23. November 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Das Gute liegt so nah bei der Messe Lust auf Genuss

Rekrutierung der Brückenbauer

Am Samstag nahmen mehrere hundert chinesische Studenten an einem China Career Day im Rathaus teil, um sich über zukünftige Arbeitgeber zu informieren.

Aus ganz Süddeutschland haben sich am Samstag etwa 1.500 chinesische Studenten im Rathaus eingefunden. Alle sind zurzeit an deutschen Universitäten eingeschrieben und viele stehen vor dem Abschluss. Die berufliche Zukunft stand daher im Zentrum der Veranstaltung.

Auf der Leinwand, die an der Stirnseite des großen Sitzungssaals im Rathaus hängt, läuft vor der Begrüßungsrede des Oberbürgermeisters eine Präsentation als Endlosschleife. Immer wieder wird dort die Frage nach den häufigsten Nachnamen an der Universität Stuttgart gestellt. Müller, Meyer, Schmidt? Weit gefehlt: Müller, Wang, Li, Chang, Schmidt – so lautet die Rangliste. Sicher, im Reich der Mitte kommt man fast mit nur 20 verschiedenen Nachnamen aus, aber das Ergebnis ist doch bezeichnend.

1.450 chinesische Studenten sind in diesem Semester in Stuttgart eingeschrieben, aus keinem anderen Land außerhalb Deutschlands kommen so viele. Heute sind sie aus ganz Süddeutschland in die Stadt gekommen und machen aus den Fluren des Rathauses eine quirlige Mini-Messe, die sich China Career Day nennt. Daimler, Bosch, Audi, Bayer, Deutsche Bank – die Perlen der deutschen Wirtschaft sind mit kleinen Ständen vertreten, um sich als potenzielle Arbeitgeber zu empfehlen.

Nutzen will das auch Liang Chen. Die 25-Jährige ist in Peking aufgewachsen und studiert seit zwei Jahren Volkswirtschaftslehre in Freiburg. Nächstes Jahr will sie ihren Master of Finance ablegen und sich heute über zukünftige Arbeitgeber informieren. An Deutschland schätzt sie neben den international unschlagbar günstigen Studienkosten bei gleichzeitig hoher Qualität der Ausbildung vor allem das Ausmaß der persönlichen Freiheiten. „Ich habe erst hier gelernt, meine Persönlichkeit richtig zu entfalten,“ sagt sie. Darum würde sie auch gerne im Land bleiben und hier arbeiten.

Das ist Peng Huang schon gelungen. Seit fünf Jahren lebt der 29-Jährige in Deutschland, hat hier sein Informatikstudium abgeschlossen und arbeitet nun bei einer IT-Firma in Ulm. Auf Deutschland fiel die Wahl, weil dessen Image in Asien einfach gesagt hervorragend ist. „Korrektheit, Gründlichkeit, Ehrlichkeit, dafür steht Deutschland in China,“ sagt Chen. Das beste daran: Image und Wirklichkeit stimmen überein, wie er feststellen konnte. Nach Stuttgart ist er heute nur als Begleiter seiner noch in Darmstadt studierenden Frau gekommen. Ob die beiden in Deutschland bleiben, ist ungewiss, denn auch in China gebe es immer bessere berufliche Perspektiven. Hierzulande nervt Huang vor allem die Unfreundlichkeit gegenüber Ausländern im Alltag. „In den Medien liest und hört man nur schlechte Nachrichten über China und die Menschen reagieren eben entsprechend,“ klagt er. In seiner derzeitigen Firma hat er allerdings überhaupt keine Probleme, dort sind alle sehr nett zueinander.

Inzwischen hat Wolfgang Schuster seine auf Englisch gehaltene Rede beendet, in der er sich einmal mehr als perfekter Verkäufer des High-Tech- und Mobilitätsstandorts Stuttgart zeigt. Immerhin war es ja auch seine Idee, diese Veranstaltung ins Rathaus zu holen. „Ich habe Herrn Schuster vor zwei Jahren zufällig bei einem Empfang in Shanghai getroffen und ihm von der geplanten Veranstaltung erzählt. Er hat uns dann spontan eingeladen,“ sagt Jinglei Wan, Organisator, Chefredakteur und Herausgeber von Ouline, einem Magazin für chinesische Studenten im Ausland. Wan, der seit 15 Jahren in Stuttgart lebt und seinen Verlag vom Asemwald aus steuert, hat mit der Veranstaltung auf die veränderten Bedürfnisse seiner Leser reagiert.

Seit dem Jahr 2000 etwa seien die Zahlen chinesischer Auslandsstudenten sprunghaft angestiegen. Inzwischen sind viele mit dem Studium, das zumeist komplett hierzulande absolviert wird, fertig und suchten den Einstieg in ein Unternehmen. Stuttgart sei ein Jobparadies, da es viele Unternehmen beherbergt, die Mitarbeiter mit den bevorzugt gewählten Fachrichtungen Maschinenbau und Betriebswirtschaft suchen. Der Bedarf ist also da und deshalb wird die Veranstaltung im nächsten Jahr wohl weiter wachsen. Der Plan Schusters, diese globalisierte Generation von Jungakademikern als Brückenbauer zwischen den beiden kulturell so verschiedenen Ländern zu rekrutieren, könnte aufgehen.

[Der Artikel ist am 20. November 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Rekrutierung der Brückenbauer