Forscher von der Uni Hohenheim starten heute ins All

Zoologen von der Universität Hohenheim experimentieren mit Buntbarschen, um mehr über das menschliche Gleichgewichtsorgan zu erfahren. 30 Jungfische werden an Bord eines russischen Satelliten ins All geschossen.

Heute morgen beginnt für 30 junge Buntbarsche eine große Reise, die sie in die Schwerelosigkeit des Weltalls führen wird. Zunächst im Handgepäck von Reinhard Hilbig (62) und Ralf Anken (43) vom Fachbereich Zoologie der Universität Hohenheim geht es nach Moskau und zum russischen Weltraumbahnhof Bajkonur in Kasachstan.

Am 14. September, so die Planung, werden sie in einem Aquarium mit einem Satelliten in eine Umlaufbahn um die Erde befördert und kehren nach 12 Tagen zurück auf die Erde. Wo genau das sein wird, wissen die Forscher nur ungefähr. „Das Zielgebiet ist 2.000 Kilometer lang und 1.000 breit,“ sagt Privatdozent Anken. Genaueres weiß man erst kurz vor der Landung, die die kleinen Passagiere hoffentlich unbeschadet überstehen. „Uns wäre es schon lieber, wenn wir sie lebendig im Empfang nehmen könnten. Dann kriegen wir einfach noch mehr raus, wie die Entstehung der Otolithen gesteuert wird.“

Otolithen sind die kleinen Steinchen aus Kalziumkarbonat, die Wirbeltiere im Innenohr haben. Damit werden dem Gehirn über feine Häärchen Informationen zur Verortung des Körpers im Raum geliefert. Den Forschern geht es bei dem Experiment, das 2003 mit dem Unfall des Space Shuttles Columbia schon einmal gescheitert war, um die Erforschung des Gleichgewichtssinns. Das ist Grundlagenforschung, denn bisher weiß man recht wenig über einige Aspekte dieses Organs. Vor allem der Prozess der Entstehung der kleinen Steinchen ist relativ unbekannt. „Das wird wahrscheinlich vom Gehirn mit einem Enzym gesteuert, welches ein bestimmtes Ionenmillieu im Innenohr erzeugt und damit die Mineralisierung anregt,“ erläutert Anken.

Fische sind dabei ein besonders geeignetes Forschungsobjekt, weil durch den Auftrieb des Wassers die Schwerkraft nicht so stark wirkt. Darum haben die Tiere im Verhältnis zur Körpermasse einen besonders großen Stein im Ohr. Bei einem Fisch von der Größe eines Menschen entspricht das etwa einen Zuckerwürfel, während Homo Sapiens nur über ein Kristall dieses Würfels verfügt. Buntbarsche wiederum werden verwendet, weil diese eine relativ robuste Gattung sind.

Temperaturschwankungen des Wassers zum Beispiel machen ihnen in einer gewissen Bandbreite gar nichts aus. Obendrein verfügen die frisch geschlüpften Jungtiere über einen Dottersack, aus dem sie sich in den ersten Tagen selbst ernähren. „Die haben ihr Butterbrot immer dabei und müssen zunächst nicht gefüttert werden,“ sagt Anken. Den Sauerstoff erhalten sie in dem 18 Kilogramm schweren Forschungsmodul von einer Algenpopulation, die Kollegen von der Universität Erlangen beisteuern. Die Kosten für die Hohenheimer Mission betragen etwa eine Million Euro, die zum größten Teil vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und damit vom Bundeswirtschaftsministerium übernommen werden.

Welcher praktische Nutzen genau aus dem Experiment abgeleitet werden kann, ist naturgemäß noch nicht absehbar, nur um die Buntbarsche geht es den Zoologen nicht. „Die Fische sind uns egal. Wir wollen mehr über die Funktionsweise und die Entstehungsprozesse des Gleichgewichtsorgan beim Menschen herausfinden. Aus diesen Erkenntnissen können im Idealfall Therapien entwickelt werden, um Menschen mit entsprechenden Krankheiten zu helfen,“ sagt Anken.

[Der Artikel ist am 8. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Forscher von der Uni Hohenheim starten heute ins All

Das Wahrzeichen ist erstaunlich filigran

Im Rahmen einer Leseraktion lädt die STUTTGARTER ZEITUNG in diesem Jahr zu über 36 Führungen durch. Dieses Mal geht es in den Fernsehturm Stuttgart.

Er war jahrzehntelang das Wahrzeichen der Stadt, denn immer wenn ein Grafiker die Aufgabe hatte, ein Bildsymbol für Stuttgart zu entwerfen, das Modernität und Fortschritt ausstrahlt, dann war die Betonnadel mit dem charakteristischen Korb gefragt. In der letzten Zeit hat er allerdings Konkurrenz vor allem durch die neuen Museen bekommen, die Kreativen wollen halt auch mal was anderes machen. Kurzum: Der Stuttgarter Fernsehturm kommt in die Jahre, aber noch nicht aufs Altenteil, denn er wird noch gebraucht und unter Denkmalschutz steht er sowieso. Obgleich der Name an sich inzwischen leicht gelogen ist. „Eigentlich müsste er jetzt Radioturm heißen, denn es wird kein Fernsehsignal mehr ausgestrahlt,“ sagt Klaus Grabbe verschmitzt. Der ist hier Betriebsleiter und führt die 16-köpfige Gruppe durch die Betonröhre. Nichts anderes ist der Turm, wie schon bei der ersten Station eindrucksvoll klar wird. Die führt in das Fundament und auf die Bodenplatte, die die Stahlbetonkonstruktion über den Köpfen trägt.

Diese ist mit Spitze 217 Meter hoch und wiegt 1.500 Tonnen. Vom Prinzip her ist sie konstruiert wie ein Stehaufmännchen: unten dick und schwer, oben dünn und leicht. Damit das Prinzip aufgeht, sind die Betonwände der Röhre am Fundament ein Meter dick. Die runde, mit 30 Meter Durchmesser gar nicht so große Platte, auf der das Ganze am Rand und in der Kreismitte steht, ist mit Stahlträgern wie eine Radfelge konstruiert und wiegt ebenfalls 1.500 Tonnen. Dazu noch 4.000 Tonnen Füllmaterial rundrum stellen sicher, dass selbst bei stärksten Wind der Turm nicht umfällt, sondern höchstens sanft mitschwingt „Oben auf der Spitze schlägt es bis zu 1,50 Meter aus, im Turmcafé sind es noch 30 Zentimeter“, sagt Herr Grabbe und fügt beruhigend hinzu: „Das merkt man aber eigentlich kaum. Nur das Wasser im Glas wackelt ein bisschen.“

Dass man den Turm überhaupt besteigen kann, ist eine Idee des Schöpfers Prof. Fritz Leonhardt. Als man Anfang der 50er Jahr beschloss, mit einem Sendemast aus Stahl für die Versorgung des Kessels mit TV-Signalen zu sorgen, schlug er vor, doch eine Betonkonstruktion zu bauen, die auch Besucher besteigen können, natürlich gegen Entgelt. Das sollte die Kosten wieder reinbringen und so wagte man das Experiment, denn dieser Turm war der erste seiner Bauart. Die Idee war ein voller Erfolg. Die Stuttgarter standen ab Februar 1956 Schlange und schon nach fünf Jahren hatte der SWR als Bauherr und Besitzer die Baukosten amortisiert.

Nach den Grundlagen geht es mit der Besichtigung weiter per Fahrstuhl in eine Höhe von 75 Metern. Dort ist eine Plattform, auf der sich dessen Technik bewundern lässt. „Lauschen Sie mal, da hört man nix“, sagt Herr Grabbe. Tatsächlich, die zwei Kabinen rauschen lautlos vorbei und verschwinden in der Höhe der Röhre, in die man hier sehr hoch schauen kann. Angesichts einer Geschwindigkeit von vier Metern pro Sekunde wirkt das leicht unheimlich. Herr Grabbe weist noch auf die Kabelstränge und Versorgungsrohre. „Nach dem Turmbrand in Moskau 2003 wurde hier alles erneuert, damit es möglichst lange oben Strom gibt und Kommunikation möglich ist.“ Allerdings sei der Stuttgarter Turm anders konstruiert und deshalb schließt Herr Grabbe eine ähnliche Katastrophe aus. In dieser Höhe geht die den ganzen Turm durchziehende Nottreppe von einer Wendeltreppe über in eine Treppenhauskonstruktion. 762 Stufen sind es insgesamt und ein Lachen geht durch die Besuchergruppe, als Herr Grabbe auf jeden Fall Muskelkater verspricht, egal man hoch oder hinunter steigt. Das will jetzt keiner ausprobieren, sondern man steigt lieber wieder in den Fahrstuhl, der jetzt auf eine Höhe von 150 Meter rast, in die erste Etage des Korbs.

Hier ist viel Technik untergebracht, zur Versorgung aber auch für die Sendefunktionen. Neben den SWR-Radiostationen wird der Polizeifunk sowie eine Richtfunkstrecke nach Karlsruhe betrieben, die dem internen Datenverkehr des Senders dient. Rundum ist alles verglast und obwohl der ganze ferne Ausblick auf die Alb wegen des diesigen Wetters nicht möglich ist, hat man dennoch einen kompletten Blick auf die Fildern und die City im Nesenbachtal. 585 Meter über dem Schlossplatz befindet man sich jetzt und die Stadt wirkt ein bisschen wie ein Spielzeugland.

Einen Stock höher erwartet die Gruppe das allen Blendwerks entkleidete ehemalige Gourmetrestaurant, heute genutzt von den Theater Rampe und Altes Schauspielhaus. Man sieht die Wandkonstruktion, die den Korb zusammenhält, und staunt leicht beklommen, dass dazu diese paar 20 Zentimeter dicken Betonpfeiler genügen. „Es sollte so filigran wie möglich werden, damit das Konstruktionsprinzip aufgeht,“ sagt Herr Grabbe und strahlt eine Sicherheit aus, die alle Zweifel und Höhenschwindel verjagen. Deshalb zieht es auch noch mal alle zur Besucherplattform, wo der Blick nach oben geht auf die 65 Meter hohe, mit diversen Antennen bestückte Stahlkonstruktion der Spitze. Große Scheinwerfer blinken in weiß und rot, aber diese Hindernisfeuer sind im Grunde nur noch Zierat, dem Denkmalschutz geschuldet. Flugzeuge brauchen so etwas heutzutage nicht mehr. An dieser Stelle verabschiedet sich Herr Grabbe von der sichtlich beeindruckten Gruppe. Haben wir was vergessen: Ach ja, der Stuttgarter Fernsehturm ist zwar weltweit der älteste seiner Art, aber inzwischen auch der kleinste. Ein Grund mehr, ihn richtig liebzuhaben. Als Wahrzeichen hat er noch lange nicht ausgedient.

Filigrane Konstruktion

Fabian Engeser (27) begeistert sich vor allem für das Konstruktionsprinzip. „Ich hatte gar nicht gedacht, dass der Turm so filigran gebaut ist,“ sagt der Student der Angewandten Physik an der Uni Tübingen. „Alles überhaupt nicht bombastisch, sondern sehr tricky.“ Aus seinem Mund hat diese Einschätzung eine besondere Bedeutung, ist er doch quasi Spezialist für feingliedrige Systeme. Engeser steckt mitten in seinen Abschlussprüfungen zum Diplom, das er mit einer Arbeit über Teilchenoptik erlangen will. Grob gesagt ist das eine Technik, mit deren Hilfe man fast bis in die atomare Struktur hineinschauen kann. Der Fernsehturm ist für den aus Hechingen stammenden Studenten, der seit letztem Jahr in Degerloch wohnt, schon fast ein Stück Heimat. „Ich sehe ihn vom Fenster meiner Wohnung und wenn ich von Tübingen zurückkomme, sehe ich ihn schon von Weitem und weiß: ‚Gleich bist du zuhause.'“

Der Artikel ist am 1. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Das Wahrzeichen ist erstaunlich filigran

Deserteurdenkmal vor dem Theaterhaus eingeweiht

Vor dem Theaterhaus auf dem Pragsattel wurde gestern Abend im Rahmen einer öffentlichen Feierstunde ein Denkmal enthüllt, das an das Schicksal von verfolgten Fahnenflüchtigen und Kriegsdienstverweigerern erinnert. Die Granitskulptur wurde von einer privaten Initiative gestiftet.

Im Rahmen einer öffentlichen Feierstunde, zu der sich etwa 300 Teilnehmer auf dem Hof des Theaterhauses auf dem Pragsattel versammelt hatten, wurde gestern Abend ein Denkmal zur Erinnerung an das Schicksal von Deserteuren eingeweiht. Die von dem Aulendorf Bildhauer Klaus Kernbach entworfene Skulptur besteht aus zwei Teilen. Im Hintergrund ist ein über drei Meter hoher grauweiß glitzernder Granitquader zu sehen, der ein Loch in Form einer Silhouette des menschlichen Körpers aufweist. Drei Meter vor dem Block steht dann der aus dem Stein geschnittene Körper. Die Plastik ist damit ein starkes Symbol, für einen sich aus den Umständen von Macht und Zwang befreienden Menschen. Ein kleine Tafel am Boden trägt die Aufschrift „Den Deserteuren alle Kriege“ und nennt die Stifter, die Initiative für ein Stuttgarter Deserteursdenkmal.

Diese Initiative setzt sich aus Privatleuten zusammen und wird von bekannten pazifistische Organisationen wie der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) oder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes unterstützt. Auch Teile des DGB haben die Sache befördert. Seit 11 Jahren versuchen die Aktivisten, ein solches Denkmal auf die politische Tagesordnung zu setzen, sind damit aber überall abgeblitzt, wie Heinz Wienand berichtet, der in der Organisation mitarbeitet.

Oberbürgermeister Schuster und auch die CDU-Fraktion habe ein solches Denkmal stets aus prinzipiellen Erwägungen abgelehnt und auf das Vorhandene verwiesen, das vor dem Alten Schloss an alle Opfer der Gewaltherrschaft erinnere, auch an die Deserteure. Einzelne Denkmäler für bestimmte Opfergruppen seien nicht erwünscht. „Jahrzehntelang hat man den Deserteuren generell die notwendige Anerkennung versagt und jetzt, da man die Unrechtsurteile aufgehoben hat, wollen wir nicht, dass man sie einfach so hinzuaddiert,“ sagt Wienand.

Problem ist allerdings auch die Tatsache, dass das neue Denkmal nicht allein an die inzwischen von niemandem bestrittenen Opfer der Militärjustiz während der Nazidiktatur erinnert, sondern an die aller Kriege, also auch die heutigen. Denn, so der Militärhistoriker Professor Manfred Messerschmidt in seinem Festvortrag, sowohl der Kosovo- als auch der Irakkrieg seien nicht mit einem UNO-Mandat gerechtfertigt und daher völkerrechtswidrig. Ein Einsatz deutscher Soldaten sei weder mit dem Grundgesetz, noch mit der UNO-Charta noch dem Zwei-plus-Vier-Vertrag vereinbar. Allerdings würdigte er auch die gewachsene demokratische Kultur in Deutschland, als er sagte: „Schätzen wir es nicht zu gering ein, in einem Land zu leben, in dem es möglich ist, ein solches Denkmal zu enthüllen.“

Die Enthüllung selbst wurde zum bewegenden Moment, als Ludwig Baumann, einer der letzten Überlebenden der NS-Terrorjustiz, und Chris Capps (23), der erst letztes Jahr den Kriegsdienst in der US-Army verweigert hatte, als er in Afghanistan eingesetzt werden sollte, gemeinsam Hand anlegten. Der Stuttgart Oberbürgermeister ließ sich offiziell von Bürgermeister Klaus-Peter Murawski vertreten. Anwesend war hingegen der Tübinger Kollege Boris Palmer, dessen Erscheinen mit anhaltendem Applaus quittiert wurde.

[Der Artikel ist am 31. August 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Deserteurdenkmal vor dem Theaterhaus eingeweiht

Fledermäuse beißen nicht – Die Batnight in Stuttgart

Im Rahmen der 11. Europäischen Batnight informierten sich am Samstag Abend 50 Fledermausfans am Max-Eyth-See über das Leben der nachtaktiven Säuger. In Stuttgart leben neun Arten der geschützten Hautflügler.

Aus dem schuhkartongroßen Gerät knattert es auf einmal wie bei einem Geigerzähler. „Jetzt jagen hier mindestens drei Exemplare,“ sagt Herr Günther und 50 Augenpaare starren in den Abendhimmel. Da sind dann auch schon: schwarze Schatten, die lautlos mit hektischem Zickzack über die Köpfe dahinsausen. Wahrscheinlich handelt es sich um Große Abendsegler, die heute wie jeden Abend zum Max-Eyth-See gekommen sind, um die hier reichlich vorhandenen nachtaktiven Insekten zu erbeuten.

Bis zu neun verschiedene Arten von Fledermäusen kann man in lauen Sommernächten am Rand dieses kleinen Biotops beobachten. 200 bis 300 Exemplare, die auch von der Villa Berg vor allem aber aus den Wäldern des gegenüber liegenden Neckarufers kommen, finden sich ein, um den Tagesbedarf von sechs bis neun Gramm Insekten zu decken. „Da braucht man ganz schön lange, bis man die zusammen hat,“ sagt Dr. Thomas Günther, der die kleine Exkursion leitet.

Herr Günther ist aktiv bei der Stuttgarter Gruppe des Naturschutzbundes (NABU), der sich mit dieser Veranstaltung an der 11. Europäischen Batnight beteiligt, in deren Rahmen in ganz Europa über die immer noch unheimlich wirkenden Säuger informiert wird. „Es ist eine sehr erfolgreiche Spezies, die es seit 50 Millionen Jahren gibt und fast auf dem gesamten Globus vertreten ist. Die werden uns sicherlich überleben,“ sagt Herr Günther und hält wieder das Mikrofon des Batdetektors in die Luft. Mit dem Gerät werden die Ultraschallwellen, die die Hautflügler erzeugen, hörbar gemacht. Man kann froh sein, dass man die Frequenzen zwischen 20 und 40kHz, die die rasenden Nachtjäger ausstoßen, nornalerweise nicht hören kann, es wäre eine infernalische Geräuschkulisse. Vorbei wäre es mit den ruhigen Abenden, denn bis zu 120 Dezibel laut sind die Töne und obendrein noch unregelmäßig.

Jetzt knattert es richtig hektisch – das Jagdglück war dem schwarzen Schatten hold. „Gerade hat er Beute gemacht, dabei verändert sich die Frequenz,“ weiß Herr Günther. Er kann natürlich noch viel mehr erzählen, über diese „Bio-Indikatoren“, denn Fledermäuse leben gerne in menschlichen Zusammenhängen und wo sie abziehen, da wird es auch für den Homo Sapiens eng.

Die hiesigen Arten – Abendsegler, Große und Kleine Zwergfledermaus oder die Rauhautfledermaus – haben Spannweiten von bis zu 40 Zentimeter und hängen tagsüber je nach Art in hohlen Baumstämmen, Höhlen oder leerstehenden Gebäuden. Jetzt im August fressen sie sich Speck an, um für den Winterschlaf gerüstet zu sein. Blut saugen sie natürlich nicht, sondern haben es auf Insekten abgesehen, die wohl dachten, sie könnten mit einem Leben in der Nacht dem Schicksal als Beutetier der Vögel entgehen. Da haben sie die Rechnung ohne die fast blinden, wahrscheinlich nur schwarz-weiße Schemen sehenden Jäger gemacht.

Mit ihren individuellen Schallwellen können sie sogar Objekte von der Größe eines halben Millimeters unterscheiden. Angst muss man vor den Tieren wahrlich nicht haben. „Fledermäuse sind handzahm und erkennen den Menschen nicht als natürlichen Feind,“ sagt Herr Günther. Die Haltung als Haustier ist allerdings verboten, aber wenn sich mal ein Exemplar in die gute Stube verirrt, ist keine Panik angesagt. Fledermäuse beißen normalerweise nicht.

[Der Artikel erschien am 27. August 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG]

Fledermäuse beißen nicht – Die Batnight in Stuttgart

Anwaltlicher Notdienst hilft bei Strafsachen

Der Stuttgarter Anwaltsverein bietet seit 1984 einen kostenlosen Rechtsbeistand für Beschuldigte in Strafsachen an

Was tun, wenn man einer Straftat beschuldigt wird und spät in der Nacht besser einen Anwalt zur Seite hätte? Für solche Fälle bietet der Stuttgarter Anwaltsverein einen kostenlosen telefonischen Notdienst. Die Rechtsanwältin Heidi Riediger ist dort seit Jahren ehrenamtlich tätig und berät vor allem bei Verkehrs- und Drogendelikten sowie bei Taten gegen Leib und Leben.

Es ist die klassische Krimi-Szene: der zwielichtige Verdächtige verwickelt sich im Laufe des Verhörs in Widersprüche und zieht die Notbremse. „Ich verweigere die Aussage und möchte mit einem Anwalt sprechen.“ Lange Gesichter bei den Beamten vom Morddezernat, Schulterzucken und bedeutungsvolle Blicke schließen solche Szenen meistens ab. Soweit also erstmal alles gut für den bösen Buben, der die Telefonnummer seines Rechtsbeistands natürlich im Schlaf hersagen kann, vermutlich weil er diese täglich wählt.

Was aber macht ein bisher unbescholtener Bürger, der mit Strafverfolgern eher selten zu tun hat und nun in eine Situation geraten ist, in der es ratsam erscheint, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen? Wen mitten in der Nacht anrufen? Für solche Fälle bietet der Stuttgarter Anwaltsverein seit 1984 den kostenlosen Anwaltlichen Notdienst in Strafsachen. Unter der Nummer 0711-2369306 kann man in den Abend- und Nachtstunden zwischen 18 und 8 Uhr jederzeit einen Anwalt erreichen. 50 Stuttgarter Rechtsanwälte sind ehrenamtlich für den Dienst tätig, der mittels eines Mobiltelefons organisiert wird, das wie ein Staffelstab weitergereicht wird. Seit vielen Jahren auch an Heidi Riediger (64), die ihr Büro in der Kanzlei Bächle in der City hat. „Vor allem wenn die Volksfeste stattfinden auf dem Wasen oder der Fischmarkt, dann ist am meisten los,“ berichtet die seit 1972 als geborene Badnerin in der Stadt tätige Anwältin. Denn in den meisten Situationen, in denen Beschuldigte einen Rat suchen, handelt es sich um Verkehrsstraftaten, bei denen legale oder illegale Drogen im Spiel waren. Gerade die Frage, ob man jetzt eine Blutprobe über sich ergehen lassen muss, wird immer wieder gestellt. Man muss: „Die Gegenseite hat auch einen Notdienst und beantragt dann einen Beschluss des Richters. Keine Chance,“ meint Frau Riediger.

Ein weiter Komplex der Tatbestände sind die Fälle von Gewalt gegen Leib oder Leben. Bei Wirtshausschlägereien oder Familienstreitigkeiten gerät eben schon mal ein Neuling in die Mühlen der Justiz und ist verunsichert, ob denn richtig mit ihm verfahren wird. „Hier beruhigen wir erstmal am Telefon und klären über den Ablauf des Verfahrens auf. Meistens geht ja auch alles korrekt zu,“ meint Frau Riediger, rät allerdings Augen und Ohren aufzusperren: „Ein gesundes Misstrauen ist immer angebracht.“ Zwar verhalten sich ihrer Einschätzung nach 80 % der Polizeibeamten tadellos, aber es gibt auch Fälle, da platzt einem der Kragen. Es gibt eben Spielräume, auch bei dem Recht auf anwaltlichen Beistand. Das hat man zwar prinzipiell und kann darauf bestehen, aber in harten Fällen muss der Delinquent schon mal etwas länger warten, bis er zum Telefon greifen darf. Und ob man die Nummer kriegt, ist vom guten Wille der Beamten abhängig. Der Anwaltsverein fordert denn auch, dass ein Plakat mit der Notfallnummer auf jeder Polizeistation in Stuttgart angebracht wird.

Ein wichtiges Tätigkeitsfeld ist auch der Bereich Opferhilfe. Oft fühlen sich von Straftaten Betroffene nicht richtig behandelt. Hier fällt einem sofort der klassische Fall der vergewaltigten Frau ein, die in der Macho-Polizei-Welt nicht ernst genommen wird. Die Realität sieht radikal anders aus, meint Frau Riediger: „Betroffene Frauen können auf einem weiblichen Vernehmungsbeamten bestehen, aber auch die männlichen Kollegen sind hervorragend geschult. Denen kann man sich vorbehaltlos anvertrauen.“ Überhaupt sind nach ihrer Meinung die Einrichtungen der Justiz und der Sozial- und Jugendämter gut aufeinander eingestellt und können zu jeder Tages- und Nachtzeit Hilfe für in Not Geratene leisten. „Stuttgart hat da ein ganz gutes Netz.“

Ärger gibt es mit dem Notdienst kaum, nur Anrufe, weil die Nachbarn mal wieder zu laut feiern, die werden nicht bearbeitet. Für zivilrechtliche Streitfälle ist das die falsche Nummer. Noch eine letzte Frage zu der Eingangsszene: Ist eigentlich die Verweigerung der Aussage wirklich die beste Strategie? Antwort: „Meistens ist es besser. Neulich bin ich angerufen worden, da hatte eine Frau ihren Mann erschossen. Der habe ich als erstes geraten: Maul halten!“

[Der Artikel erschien in redigierter Form in der STUTTGARTER ZEITUNG vom 09.August 2007]

Anwaltlicher Notdienst hilft bei Strafsachen