Integratives Konzept unter einem Dach

30 behinderte und nichtbehinderte Kinder besuchen jetzt gemeinsam in Heslach die Grundschule

Gestern wurde in der Torwiesenschule in Heslach der Start des Regelschulzweigs gefeiert. Behinderte und nichtbehinderte Kinder gehen nun gemeinsam in die private, von der Diakonie Stetten getragene Grundschule in der Bachwiesenstraße.

Mit einem Gottesdienst und in Anwesenheit von Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann wurde gestern Nachmittag die Eröffnung des Regelschulzweigs der Torwiesenschule in Heslach gefeiert. In dem sanierten und umgebauten Hofgebäude in der Bachwiesenstraße wurde bereits Ende September 2006 der Sonderschulzweig in Betrieb genommen, vor zwei Wochen sind die ersten Grundschüler dazugekommen.

30 behinderte und nichtbehinderte Kinder werden damit unter einem Dach unterrichtet. „Unser integratives Konzept ist einmalig in Baden-Württemberg,“ sagt Walter Scheuber, der das von der evangelischen Diakonie Stetten getragene Projekt leitet. 800.000 Euro wurden investiert, um Klassen-, Sport – und Büroräume, Sanitäranlagen und einen Aufzug einzubauen, selbstverständlich alles barrierefrei. Hinter dem außen in dunklem Rot gehaltenen Gebäude wurde zu Füßen eines baumbestandenen Hangs ein Pausenhof und Spielflächen angelegt. Noch ist die Torwiesenschule, in der „vieles aber nicht alles gemeinsam geschieht,“ wie Scheuber sagt, nicht bei der vollen Kapazität angelangt. Zukünftig wird jedes Jahr eine neue Grundschulklasse hinzukommen, eine Haupt- und Realschule sind in Planung.

Die Kinder werden getrennt unterrichtet, verbringen allerdings die morgendliche Andacht in dem konfessionell geprägten Haus sowie die Pausen gemeinsam. Aber das Konzept ist auf Durchlässigkeit angelegt, wie die Schulleiterin Martina Heß betont. „Wir beginnen langsam und versuchen so individuell wie möglich den konkreten Fähigkeiten der Kinder gerecht zu werden,“ sagt sie. Für Heß besteht ein weiterer Pluspunkt des Konzeptes in dem täglichen, interdisziplinären Austausch unter den Mitarbeiterinnen. Grundschullehrer, Sonderschul- und Heilpädagogen sowie Physiotherapeuten würden eine Synergie der Kompetenzen schaffen. „Das kommt letztendlich den Kindern zugute“.

Direkte Konsequenz des innovativen Konzeptes sind eine geringe Klassenstärke mit höchstens 15 Kindern. Dieser Umstand war für Ute Mauz ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, ihren Sohn hier einzuschulen. Die Heslacherin muss den Kleinen zwar mit dem Auto herbringen, aber das nimmt sie in Kauf. Das integrative Konzept findet sie gut, jedoch war das eher ein zweitrangiger Faktor. „Hier ist es nicht so staatlich streng,“ sagt sie mit einem Lächeln. Das Projekt hat Modellcharakter, belegt auch durch die Tatsache, dass es wissenschaftlich begleitet wird. Erziehungswissenschaftler der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg führen eine Langzeitbeobachtung durch, um Probleme und Ergebnisse der hier erprobten Unterrichtsformen zu dokumentieren.

[Der Artikel ist am 27. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Integratives Konzept unter einem Dach

Zweimal um die Erde mit einem Bein

Ein beinamputierter Radsportler aus Polen macht auf dem Weg nach Gibraltar Station in Stuttgart

Von Südpolen nach Gibraltar fährt Henryk Forto?ski mit dem Fahrrad in 23 Tagen, obwohl er nur einen Fuß hat. Den anderen verlor der Pole 1985 bei einem Arbeitsunfall im Bergwerk. Seitdem macht er mit Langstreckenfahrten von sich reden und am Samstag Station in Stuttgart.

Was für einen Schlag hat dieser Mann überlebt, der hier so aufgeräumt und gut gelaunt am Tisch sitzt. Henryk Forto?ski war Bergmann und stand am 14. Januar 1985 neben einem Förderband in einem Steinkohleschacht 900 Meter unter der Erde, als eine Antriebskette aus der Führung sprang, ihn am Fuß erwischte und mitriss. Der Fuß wurde am Ende des Bandes zerquetscht und war trotz mehrerer Operationen nicht zu retten.

Seitdem trägt Fortonski eine Prothese, die unterhalb des Knies beginnt und heute in einem professionellen Radsportschuh endet. Das Kunstglied kommt allerdings bei dem Polen schnell an die mechanische Belastungsgrenze, denn der Invalide, der von einer kleinen Rente lebt, haderte nur kurz mit seinem Schicksal. Angeregt durch einen Dokumentarfilm über einen us-amerikanischen Radsportler mit Handicap, widmete er seine ganze Energie nach dem Unfall dem Radsport. Mit Kleinigkeiten gab er sich dabei von Anfang an nicht zufrieden. „Ich wollte einfach immer besser werden,“ sagt er.

Inzwischen hat der 50-Jährige Herausforderungen gemeistert, die einem Freizeitsportler schon beim Zuhören den Schweiß auf die Stirn treiben. Zunächst umrundete er dreimal sein Heimatland. Mit der Öffnung der Grenzen 1990 ergaben sich neue Möglichkeiten. Bis zum Nordkap ist er gefahren, nach Athen zu den Paralympics, 1.000 Kilometer in 55 Stunden hat er hingelegt und ist bis in die Türkei vorgestoßen. „Insgesamt habe ich die Erde wahrscheinlich schon zweimal umrundet,“ sagt er und ist jetzt auf dem Weg nach Gibraltar.

Los ging es am 19. August vor dem Rathaus seiner Heimatstadt, dem niederschlesischen Walbrzych/Waldenburg. Der Oberbürgermeister hat ihn dort verabschiedet und der Regierungspräsident, denn Henryk Fortonski ist zuhause fast ein Star. Von 2002 bis 2007 wurde er jedes Jahr zum besten Sportler der Stadt gewählt. Die Gemeinde wie auch private Sponsoren unterstützen den kleinen Tross finanziell, denn Fortonski fährt nicht allein, sondern lässt sich von einem Radfahrer und von einem Fahrzeug begleiten. Die 3.600 Kilometer bis zur Südspitze der Iberischen Halbinsel will er in drei Wochen bewältigen. Am Samstag war man aus Nürnberg kommend auf Einladung der Deutsch-Polnischen-Gesellschaft Baden-Württemberg in Stuttgart. Der Verein ist Teil des funktionierenden Netzwerkes der Auslandspolen, auf die sich die Dreimanntruppe unterwegs im Wesentlichen stützt. Neben der Überwindung seines eigenen Schicksals will Henryk Fortonski mit den sportlichen Höchstleistungen seinen Mitmenschen Mut machen. „Ich möchte anderen Behinderten die Hoffnung geben, dass jeder zu großen Leistungen fähig ist,“ sagt er. Das Schwabenland gefällt ihm im übrigen sehr. „Die ständige Berg- und Talfahrt macht mir viel Spaß. Außerdem sind die kleine Städte und Dörfer hier alle so liebevoll und ordentlich hergerichtet.“ So viel wie Forto?ski von Europa gesehen, kann man dieses Urteil wohl ernst nehmen.

[Der Artikel ist am 24. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Zweimal um die Erde mit einem Bein

Von der Notbedachung bis zur Eierkartonfassade

Das Viertel rund um den Hans-im-Glück-Brunnen war das Thema des zweiten Stadtspaziergangs

Der zweite Stadtspaziergang, den die Stiftung Geißstraße und die Stuttgarter Zeitung gemeinsam anbieten, führte am Samstag durch das Viertel rund um den Hans-im-Glück-Brunnen. Der langjährige städtische Denkmalpfleger Helmut Feeß erläuterte bei dem Rundgang die Geschichte des Viertels.

Die meisten der vielen Vergnügungssüchtigen, die durch die mit gastronomischen Angeboten jeglicher Art lockenden Straßen rund um den Hans-im-Glück-Brunnen streifen, ahnen wahrscheinlich nicht, dass sie sich in der ersten Flächensanierung der Stadt befinden. Hier ist kein Stein, keine Fensterlade, kein Erker älter als hundert Jahre, auch wenn es manchmal anders aussieht, denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Block zwischen Eberhardt-, Nadler- und Steinstraße komplett neu bebaut worden. Die Geschichte dieses recht beschaulichen, verkehrsbefreiten Gebäudeensembles erzählte am Samstag Helmut Feeß den etwa 20 Teilnehmern am zweiten Stadtspaziergang, den die Stiftung Geißstraße zusammen mit der Stuttgarter Zeitung organisierte.

Die Führung beginnt mit einer aus zwei Gründen atemberaubenden Station, der Besteigung des der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglichen Turms des Graf-Eberhard-Baus. Feeß kennt sich hier mehr als gut aus, denn als städtischer Denkmalpfleger hat er in dem mächtigen Haus bis 2005 seinen Dienstsitz gehabt. Das erste Mal stockt der Atem, weil die Gruppe zu Fuß das Turmzimmer erklimmen muss, am Wochenende fährt der Fahrstuhl nicht. Die über 200 Stufen lassen so manchen Teilnehmer aus der Puste kommen. Das zweite Mal stockt der Atem, weil oben angekommen die Aussicht auf die verwinkelten Dächer des Viertels recht spektakulär ist. Wer aber geglaubt hat, hier direkt bis ins Mittelalter zu schauen, der irrt gewaltig.

Feeß erzählt die Geschichte von Eduard von Pfeiffer einem hoch angesehen wie wohlhabendem Bürger dieser Stadt. Pfeiffer hatte soziale Neigungen und widmete sich mit Bauprojekten seines Vereins zum Wohl der arbeitenden Klassen den widrigen Lebens- und Wohlverhältnisse der einfachen Leute in der engen Stadt. Mehrere Siedlungsprojekte hat er um die Jahrundertwende initiert und kaufte unter anderem die Grundstücke im Geißviertel. 1901 wurde die vorhandene niedrige Bebauung komplett abgerissen und neu bebaut – heller, luftiger und romantisch. 1909 war alles fertig und nur der Straßenverlauf erinnerte noch an das alte Viertel. „Alles rückwärtsgewandte Architektur. Es sollte heimelig werden,“ sagt Helmut Feeß und meint den Stilmix aus Renaissance, Baukunst süddeutscher Handelshäuser und Neoklassizismus. Das Viertel kam allerdings an, die Mischung aus Geschäften und Wohnungen funktionierte.

Zurück auf dem Boden der Geißstraße geht die Führung um die Ecke vor den Graf-Eberhard-Bau. Der war bis 1977 voll mit Büchern, denn der Barsortimenter Koch, Neff und Oettinger hatte hier seinen Stammsitz. Jetzt wird hinter den massiven Mauern die Stadt der Zukunft entworfen, denn seit über 20 Jahren gehört der Bau der Stadt und beherbergt das Stadtplanungsamt.

Weiter geht es die Eberhardstraße hoch bis zur Ecke Steinstraße. Feeß erzählt nun die Geschichte des Tagblatturms und die des Kaufhauses Schocken gegenüber. Letzteres gibt es seit 1960 nicht mehr, dort steht jetzt die Stein gewordene architektonische Fragwürdigkeit mit Namen Galeria Kaufhof, ein Umstand, der den Denkmalpfleger immer noch auf die Palme bringt. „Wir stehen hier vor einer der größten Bausünden der Stadt,“ sagt er. Das Schocken war ein Experiment des neuen Bauens, materialisierte den Bauhaustraum aus Glas, Metall und klaren Linien. Abgerissen wurde er, unter Protest der gesamten Architektenschaft der Stadt, weil die Straße davor drei Meter zu schmal war, um als Querspange innerhalb des Cityrings zu funktionieren. Die Folgen dieser Fehlentscheidung werden vor allem in der Steinstraße offensichtlich, bei dem der Blick hoch auf die Eierkartonfassade geht, die der Kaufhauskonzern bundesweit in die Städte geklotzt hat. „Das wird niemals in den Denkmalschutz kommen,“ sagt Feeß später fast verächtlich. Der Anblick läuft jedem halbwegs geschultem ästhetischem Empfinden zuwider.

Zuletzt biegt die Gruppe in die Nadlerstraße ein. Hier Feeß weist auf die städtebaulichen Narben hin, die die Bombenangriffe vor über 60 Jahren bis heute hinterlassen haben. „Dort an der Ecke sieht man noch die Notbedachung, die nach dem Krieg draufgesetzt wurde,“ sagt er. Auch sonst gibt es inzwischen an einigen Gebäuden erheblichen Sanierungsbedarf, aber weil die Stadt keinen Euro für die finanzielle Unterstützung mehr bereitstelle, werde sich hier auch weiter nichts tun, so Feeß. Die Führung endet am original erhaltenen Hans-im-Glück-Brunnen mit dem Gefühl, dass der Schutz der historischen Bausubstanz in Stuttgart keine Aufgabe ist, der man von Seiten der Stadtoberen besondere Priorität einräumt.

[Der Artikel ist am 24. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Von der Notbedachung bis zur Eierkartonfassade

Geldwerte Infos für Häuslebauer

Auf der Messe Eigentum & Wohnen in der Schleyerhalle präsentiert sich die Immobilienbranche der Region

Verbraucher, die einen Hausbau planen oder den Kauf einer Eigentumswohnung, können sich am Wochenende auf der Messe Eigentum & Wohnen fachkundig beraten lassen. An 80 Ständen präsentieren sich Baugesellschaften, Banken, Makler, Architekten und Fertighaushersteller aus der Region.

Die Immobilienmesse Eigentum & Wohnen wurde gestern Mittag von Bürgermeister Michael Föll in der Schleyer-Halle eröffnet. In einem kurzen Grußwort wünschte er der Branche gute Geschäfte und diese scheinen in den nächsten Tagen durchaus möglich. Die über 80 Aussteller gehen auf jeden Fall mit einer gehörigen Portion Optimismus in das Wochenende, nicht ganz unbegründet, war doch der Messeverlauf im Vorjahr für die meisten recht erfolgreich. Von den umfangreichen Informationsangeboten der Baufinanzierer, Wohnungsgesellschaften, Bauträger, Architekten, Hausverwaltungen und Immobilienvermittler können alle Verbraucher profitieren, die einen Hausbau planen oder sich eine Wohnung kaufen wollen. Vor allem bei letzterem könnten die sechs Euro Eintrittsgeld gut angelegt sein. Selten findet man so viele Projektentwickler und Baugesellschaften an einem Fleck versammelt, die mit Modellen und Plänen ihre Immobilienprojekte detailliert vorstellen.

Wem solche, im Modell zwar hübsch anzusehenden aber auf Dauer etwas uniform wirkende Projekte zu anspruchslos erscheinen, der kann sich am Stand von 0711-Architekten, einem Verbund von einem Dutzend Stuttgarter Unternehmen, individueller beraten lassen. Dieser Bereich wächst ständig, wie der Architekt Stephan Fuchs feststellt. „Auf Grund des knappen Baulandes steht in Stuttgart in 90% der Fälle auf dem gekauften Grundstück bereits eine Immobilie. Da muss man dann entscheiden, was man damit macht,“ sagt er. Ohne fachkundige Beratung, ob sich eher Renovierung und Umbau oder Abriss und Neubau lohnen, geht es seiner Meinung nach nicht.

Das Thema Geld hat auf der Messe natürlich einen hohen Stellenwert und die Banken und Finanzdienstleister der Region sind denn auch komplett versammelt. Dieses Jahr ist auch die Stuttgarter Volksbank dabei, die sich als „ganzheitlicher Dienstleister“ beim Thema Baugeld versteht, wie Pressesprecherin Nicole Stadach sagt. Die Bank ist zum ersten Mal mit einem Stand präsent und hat eine Hausmesse zum gleichen Thema eingestellt. man verspricht sich hier mehr Kunden. Wer auf einen Schlag Finanzierungsangebote verschiedener Banken zugeschnitten auf seine persönlichen Vermögensverhältnisse erhalten will, kann die Dienste des Anbieters Creditweb in Anspruch nehmen. Aus einem Informationspool, der nicht nur die Daten von 30 Partnerbanken enthält sondern auch verbilligte Darlehen staatlicher Institutionen, fischen die Berater das günstigste Angebot heraus und vermitteln das Kreditpaket. Dem Kunden entstehen keine Mehrkosten, denn der Finanzmakler erhält Prämien von den Kreditgebern.

Neben den Messeständen kann man im angeschlossenen Forum 20 Expertenvorträgen wichtige Themen weiter vertiefen. Die Wohnraumförderung in Baden-Württemberg sind dann ebenso Thema wie die Jahresabrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Fast alle Aspekte des Kaufs, der Finanzierung und des Besitzes von Immobilien werden mit der Messe also beleuchtet und sie bietet somit einen guten Überblick über aktuelle Tendenzen und Angebote auf dem regionalen Markt. In dieser Form hat die Eigentum & Wohnen gute Chancen, zu einer „hoch geachteten Dauereinrichtung“ zu werden, wie Wirtschaftsminister Ernst Pfister in seinem Grußwort sagte.

Die Eigentum & Wohnen ist am Samstag und Sonntag geöffnet von 10 bis 19 Uhr. Ort: Hans-Martin-Schleyer-Halle, Stuttgart-Bad Cannstatt. Eintritt 6 Euro, Paare 10 Euro, ermäßigt 4 Euro.

[Der Artikel ist am 22. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Geldwerte Infos für Häuslebauer

Im Gasballon bis kurz vor Wien

Sieben Gasballone starteten am Mittwoch vom Sattelplatz am Wasen. Stuttgarter Ballonsortler hatten internationale Kollegen eingeladen.

Eine abgesagte Wettfahrt in Belgien führte am Mittwoch zu einem seltenen Bild am Stuttgarter Wasen. Sieben mit Wasserstoff gefüllte Ballone erhoben sich am Sattelplatz in die Luft. Mit dabei war die Weltspitze der Ballonsportler mit aus der Schweiz und Großbritannien.

Wie ein Luftballon auf der Kirmes, der einer unaufmerksamen Kinderhand entwischt, so flott strebt auch der gelbe Gasballon in die Höhe, nachdem die letzten Kilos Sand niederrieseln. In dem geflochtenen Korb unter der mit 1.000 Kubikmeter Wasserstoff gefüllten, kugelrunden Ballonhülle stehen gut gelaunt und recht gedrängt fünf Mitglieder des Ballonsportgruppe Stuttgart. Der Start ist der Auftakt einer Art Trostfahrt, die am Mittwoch Nachmittag am vereinseigenen Startplatz am Wasen begann und an der insgesamt sechs Gasballone teilnahmen.

Die Teams aus Deutschland, der Schweiz und Großbritannien wollten eigentlich am Wochenende zuvor den bedeutendsten internationalen Wettbewerb der Ballonfahrer austragen, das Gordon-Bennet-Rennen. Das findet seit 1902 jährlich statt und wird von dem gewonnen, der mit seiner Gasfüllung die längste Strecke zurücklegt. Aber dieses Jahr führten im Austragungsland Belgien widrige Winde und Organisationsprobleme zur Absage. Die mit kompletter Ausrüstung angereiste Weltspitze der Ballonfahrer war frustiert und so lud der amtierende Deutsche Meister Tomas Hora zum Ersatztermin, technisch kein Problem für den lebendigen Stuttgarter Verein. „Wir haben eine hervorragende Infrastruktur, das ist ganz selten,“ sagt Evelyn Möller, von Beruf Mikrobiologin und Ballonenthusiastin, die sogar in der Luft geheiratet hat. Jetzt stapft Sie in Springerstiefeln und orangem Overall über die von Bäumen umstandene Wiese.

Der Sattelplatz gegenüber des Gaisburger Gaskessels ist eine kleine Idylle, nur in den Boden eingelassene Verankerungen verraten den wahren Zweck. Ein dicker schwarze Schlauch windet sich von dem großen weißen Gastank am Eingang über das Grün zu einem der überdimensionalen Ballonventile. „Reiner Wasserstoff, das Beste vom Besten,“ sagt Tomas Hora. Der Diplomkaufmann wurde dieses Jahr zum zweiten Mal hintereinander Deutscher Meister im Gasballonfahren. Jetzt trifft er mit seinem Co-Piloten Volker Löschhorn letzte Startvorbereitungen. Ein bisschen erinnert das an die frühen Tage der Luftschifffahrt, in der das Fluggerät mit Holz, Stoff, Tauen und Schnüren zusammengehalten wurde.

Modernste Digitaltechnik im Korb verrät allerdings, dass sich auch die Ballöner, wie sie sich selber nennen, an die komplexen Regeln des Luftverkehrs im 21. Jahrhundert halten. Während der Fahrt in 500 bis 1000 Meter Höhe wird ständig mit der Flugsicherheit Kontakt gehalten. Bei den Wettfahrten kommt es vor allem darauf an, durch das Abwerfen des Sandes die richtige Höhe mit den flottesten Winden zu erwischen. „Man muss ein Näschen für Wind und Wetter haben,“ sagt Tomas Hora. Offensichtlich hat er eines, denn am nächsten Vormittag wird er die inoffizielle Weltmeisterschaft der Gasballonfahrer als Gewinner kurz vor Wien beenden.

[Der Artikel ist am 21. September 2007 in der STUTTGARTER ZEITUNG erschienen]

Im Gasballon bis kurz vor Wien