Prozession am Tag der Wandlung

Katholische Christen feiern Fronleichnam mit Freiluft-Gottesdienst und Prozession über den Schlossplatz

Die Wandlung des geopferten Gottessohnes in Brot und Wein ist der theologische Kern des Fronleichnams. Dieses Wundern zu feiern, kamen gestern viele katholische Christen in den Schlossgarten und nahmen an einer Prozession durch die Innenstadt teil.

Am gestrigen Fronleichnam nahmen rund 1.500 Gläubige an einem gemeinsamen Gottesdienst mehrer katholischer Gemeinden mit anschließender Prozession teil. Die Feierlichkeiten begannen unter freiem Himmel auf der Fläche zwischen dem Eckensee und dem Neuem Schloss statt. Dessen Freitreppen vor dem Ostportal zierte ein Blumenteppich aus vielen hundert Blüten mit dem klassischen christlichen Symbol einer Fischsilhouette. Dahinter war ein Altar aufgebaut, der zusammen mit weiteren Pflanzen und liturgischem Schmuck fast ein veritables Gotteshaus formte. Musikalisch begleitet wurde die von Stadtdekan Michael Brock geleitete Zeremonie von verschiedenen Musikern der Bläserkantorei und des Domchors sowie eine Gruppe des Musikvereins Rottweil-Neukirch, die auf ihren polierten, goldglänzenden Instrumenten dem Anlass gemäße, nachdenklich-getragene Klänge intonierte. Sogar eine mobile Holzorgel untermalte die Feiern von der Ladefläche eines Kleintransporters aus. 

Die Feiern am Fronleichnam sind symbolisch verknüpft mit dem letzten Abendmahl Christi am Donnerstag vor Ostern. Allerdings wurden sie schon früh auf die Zeit nach Pfingsten verlegt, weil der Anlass einfach nicht in die stille, vorösterliche Zeit passte. Entstanden im späten 13. Jahrhundert hat der Ritus vor allem die Transsubstantiation zum Inhalt, also die Überzeugung, dass der Leib und das Blut des Gottessohnes in das geweihte Brot und den Wein verwandelt werden. Diese Metamorphose des Heiligen zum Alltäglichen stellte auch Stadtdekan Michael Brock in das Zentrum seiner Predigt. Am Beispiel der wundersamen Brotvermehrung bei der Speisung der Tausenden am See Genezareth pries Brock das „Wunder der Wandlung“, das auch in jedem einzelnen Menschen in Form der Charitas, also der tätigen Nächstenliebe, erscheinen könne. Es genüge nicht, Recht zu haben und auf sein Recht zu pochen. Damit erreiche man nur die Köpfe der Menschen. Es komme darauf an, mit Mitleid die Herzen zu erobern. „Davon lebt der Mensch, dass wir bereit sind, uns zu wandeln,“ sagte Brock. Selbst mit Wenigem in den Händen, könnten sich die Gedanken des Friedens und des Erbarmens zu praktischem Trost und Stütze für bedrängte Menschen werden.

In den folgenden, in verschiedenen Sprachen verlesenden Fürbitten kamen dann aktuelle Anlässe zum aktiven Helfen wie die Naturkatastrophen in Birma und China zur Sprache. Nach dem vollzogenen Abendmahl zogen die Teilnehmer dann in einer langen Prozession einmal rund um den Schlossplatz. Dabei wurde unter einem goldenen Baldachin eine geweihte Hostie in einer Monstranz mitgeführt. Die Veranstaltung endete mit einem Gottesdienst in der Domkirche Sankt Eberhard mit einem Te deuum und anschließendem Platzkonzert mit Brot und Wein in der Königstraße. Parallel zu der Prozession fand im Park der Villa Berg ein Gottesdienst der italienischen Gemeinde statt.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Prozession am Tag der Wandlung

Die Fans können kommen

Gastronomie ist auf Europameisterschaft gut vorbereitet. Umsatzwachstum erwartet.

Die Fußball-Europameisterschaft, die vom 7. bis 29. Juni stattfindet, wirft ihre Schatten voraus. Deutschland wird erwartungsgemäß im Fußballfieber liegen und wie bei der WM vor zwei Jahren ist die Gastronomie fest entschlossen, davon zu profitieren. Nicht nur in Sportsbars sondern auch in vielen Kneipen, Biergärten und Restaurants laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um den Fans ein unterhaltsames Gemeinschaftserlebnis zu bieten. Die positiven Erfahrungen der WM haben bei den Gästen ihre Spuren hinterlassen. Das Mitfiebern mit anschließender Siegesfeier wird sehnlichst erwartet und wer sein Lokal in dieser Zeit nicht dieser Nachfrage widmet, wird sich auf Einbußen einstellen müssen.

Das ist jedenfalls die Überzeugung von Aurelio Tomarelli, Inhaber des Restaurants Via Veneto in der Münchner Maximilianstraße. Für ihn es eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, den Gästen während der EM etwas Besonderes zu bieten. „Wer nichts macht, kann in der Zeit sowieso nur Däumchen drehen,“ meint Tomarelli. Deshalb wird im Innenhof des Lokals (120 Sitzplätze) eine Leinwand aufgebaut und die Spiele live mit einem Beamer übertragen. Preislich wird Tomarelli nichts ändern, geht aber von mindestens 50 Prozent mehr Umsatz aus, den er mit verstärktem Einsatz von Aushilfen bewältigen will. Wenn denn das Wetter mitspielt… Klimatische Unwägbarkeiten sind bei den Planungen der große Unsicherheitsfaktor, denn die meisten Unternehmen verlegen ihre EM-Angebote auf vorhandene Freiflächen. Anders sieht das Konzept im Hotel Radison SAS Schwarzer Bock in Wiesbaden aus. In dem 5-Sterne-Haus wird es in einem historischen Kaminzimmer mit Baranschluss für 30 Gäste eine Übertragung geben. „Wir machen das für unsere Hotelgäste und für Fans, die ein etwas exklusiveres Ambiente möchten,“ sagt F&B-Manager Dominik Prem. Geordert werden kann aus der Roomservice-Karte und Biermix-Getränke zum Vorteilspreis genießen. Prem setzt die Aktion daher mit geringem Mehraufwand um und sieht das Angebot als Imagepflege, um Hemmschwellen abzubauen. Bei der Entscheidung spielte der Umstand, dass in der hessischen Landeshauptstadt alle Spiele live bei einem Großevent übertragen werden, keine Rolle. 

Das sehen die meisten Gastronomen so, auch wenn der Lokalpresse zu entnehmen war, dass es in Berlin einige Betreiber von Biergärten sehr zu schätzen wissen, dass die Fanmeile in diesen Jahr auf die Halbfinale und das Endspiel beschränkt bleibt. Das ist in Stuttgart ähnlich, hat aber bei der Entscheidung von Birgit Grupp, ihren innerstädtischen Biergarten mit Leinwand auszustatten, keine Rolle gespielt. „Es gab ständig Nachfragen von Stammgästen, die die schöne Stimmung während der WM 2006 noch einmal erleben möchten,“ berichtet die Geschäftsführerin des mittelständischen Unternehmens. Mehr Umsatz erwartet Grupp nicht, da der Platz, an dem sie mit Paulaner und Brunnerz gleich zwei Lokale betreibt, immer gut gefüllt sei und die Fußballfans erfahrungsgemäß weniger Speisen abfragen. Die Aktion wird mit Pressearbeit und intern beworben. Das passt ins Bild, denn auf größere Marketingaktionen verzichten die meisten Unternehmen, nutzen allerdings verstärkt die neuen Möglichkeiten des Internet. „Die Resonanz ist sensationell,“ berichtet Carsten Jutzi, Geschäftsführer des Infoportals Restaurant-Kritik.de. Binnen zwei Tagen hätten sich über 100 Betriebe gemeldet, um ihr Angebot auf einer frisch gestarteten Übersicht aller EM-Lokale gratis einzutragen (www.restaurant-kritik.de/em08-live/). Jutzi geht davon aus, dass viele Gäste im Web nach Public-Viewing-Angeboten suchen werden.

Bei der Technik halten sich die Unternehmen zumeist an die Drei-Meter-Regel, um Lizenzkosten zu sparen. Die UEFA verlangt nur dann Gebühren, wenn die Leinwand, auf der die Übertragung ausgestrahlt wird, eine Diagonale größer als drei Meter aufweist. Vorraussetzung ist allerdings, dass bei der Veranstaltung keine Eintrittsgelder erhoben werden, es keinen Verzehrzwang gibt und keine Sponsoren im Umfeld agieren. Größere Projektionsflächen müssen angemeldet werden, sind jedoch gebührenfrei, wenn es sich um nicht-kommerzielle Events handelt. Wichtig für Gastronomen außerdem: Es werden wenn auch geringe GEMA-Gebühren fällig, da Musik rund um die Übertragungen abgespielt wird. Die Fans können also kommen!

 

[Artikel für die AHGZ]

Die Fans können kommen

Lernen vom Leben am Eisloch

Eine Familienführung bringt Kindern die extremen Lebensbedingungen der Inuit spielerisch nahe

Das Volk der Inuit lebt auf der Insel Grönland im ewigen Eis. Wie sehr dieses Leben unter extremen Bedingungen die Kultur dieser Jäger und Sammler geprägt hat, konnten Kinder spielerisch bei einer Führung im Lindenmuseum erfahren inklusive arktischer Spiele.

Die Inuit haben es auch nicht gerade leicht. Eine typische Jagdszene des Volkes von der Insel Grönland sieht nämlich so aus: Bei eisiger Kälte stundenlang regungslos aber konzentriert vor einem handgroßen Eisloch warten, bis eine Robbe zum Luftholen auftaucht. Dann blitzschnell harpunieren. Um das Ausmaß der Notwenigkeit zu begreifen, das Ziel auf keinen Fall zu verfehlen, da sonst der Hunger nagt, muss man mehr wissen über die Lebensbedingungen der Menschen am Nordpol. 

Das war das Ziel einer auf Kinder ausgerichteten Führung, die am Samstag in der aktuell laufenden Sonderausstellung im Lindenmuseum unter dem Titel „Arctic Games: Spiele der Inuit“ stattfand. Dietmar Neitzke, Ethnologe und Mitarbeiter der museumspädagogischen Abteilung, versuchte im ersten Teil den drei bis zwölf Jahre alten Besuchern dieses Leben im ewigen Eis nahezubringen. Ackerbau kennen die Bewohner der größten Insel der Welt nicht. Eskimos mögen sie nicht mehr heißen, haben aber der Welt Dinge vermacht, die als Worte in die ganze Welt gewandert sind. Der Anorak, der Parka, das Kajak – diese Kulturgegenstände findet man heute überall. Die Originale sehen etwas anders aus und die Kinder standen denn auch fast ergriffen vor der aus Tierdarm angefertigten Regenbekleidung, absolut wasserdicht natürlich. Plastisch und in einfacher Sprache wurde ein Leben unter extremen Bedingungen erläutert, die nur mit Erfindungsreichtum und Anpassung gemeistert werden können. So überstehen die Inuit einen großen Teil der langen, düsteren, lebensfeindlichen Winter mit einer einfachen Strategie: Sie schlafen viel. Die älteren Kinder fanden das alles sehr spannend, während die kleineren Geschwister das Herumtragen der Klappsessel und das Draufklettern schnell viel interessanter fanden.

Aber das störte niemandem, weil sich der Lernerfolg trotzdem sofort einstellte. Am Ende des ersten, erklärenden Teils der Führung konnte der Unterschied zwischen Originalkultur und Import von den Grundschülern glasklar erkannt werden. „Aber die Zigarette da, die ist von uns,“ stellte ein Mädchen vernehmlich fest und wies auf eines der ausgestellten Fotos von Markus Bühler-Rasom, auf dem ein Inuit rauchend in die Kamera lächelte. Auch das Motiv, auf dem ein kleines Mädchen gebannt und kauend Fernsehen schaut, beeindruckte wegen des besonderen Naschwerks: getrockneter Eisbär. 

Für die meisten der kleinen Besucher war es dann der Informationen genug und die folgenden Geschicklichkeits- und Bewegungsspiele hochwillkommen. Es wurden Schnurrer ausgeteilt, die von verdrehten Fäden zwischen den Händen zum Zischen gebracht wurden. Das klappte nicht bei jedem, faszinierte aber auch die Erwachsenen, die man nach den Kindern belustigt schnurren sah. Die Kleinen war inzwischen schon beim nächstem Programmpunkt, einem speziellen Weitsprung, bei dem man kniend hochschnellen und sich vorarbeiten muss. „Hier werden Fähigkeiten geübt wie Schnelligkeit, Geschicklichkeit, aber auch Geduld,“ sagte Dietmar Neitzke, um den pädagogischen Wert kindlichen Spiels zu betonen. Es sei eben alles abgestellt auf die lebensnotwendigen Kulturtechniken dieser Jäger und Sammler. Die Kinder gestern konnten so etwas mitnehmen für ihren Alltag, vielleicht einfach begreifen, dass anderswo auf der Welt die Eisbären nicht niedlich sind, sondern hochbegehrte weil sehr seltene Beute. Der sieben Jahre alten Sina Hauer aus Geradstetten hat auf jeden Fall „alles am besten gefallen,“ wie sie sagte. Vorher wusste sie nichts von den Eskimos und will jetzt auf gar keinen Fall mehr in die Nähe von Eisbären. Vor denen hat sie „oft ein bisschen Angst.“ Dafür freut sie sich schon auf den Urlaub an der Nordsee, denn dort kann man auch Robben angucken. Wenigstens muss man dort nicht stundenlang vor einem Eisloch warten, um eine zu sehen.

[Artikel für die Stuttgarter Zeitung]

Lernen vom Leben am Eisloch

Zeugnisse europäischer Barbarei

Im Rathaus erinnert eine Ausstellung an die Opfer von Krieg und Vertreibung im 20. Jahrhundert

Über Jahrzehnte war das Schicksal der Vertriebenen ein Tabu der deutschen Gesellschaft. Erst mit der Ausstellung „Erzwungene Wege“ wurde deren Geschichte in eine europäische Perspektive eingebettet und damit politisch entschärft. Das persönliche Leid steht nun im Vordergrund.

Im Rathaus ist seit gestern eine Ausstellung zu sehen, die Geschichte erzählt und selbst geschrieben hat. Denn sie hat ein Thema auf die Agenda der Tagespolitik gesetzt, von dem schon viele glaubten, es sei nach dem Ende der europäischen Teilung in die Tiefenschichten des kollektiven Gedächtnisses gerutscht, werde dort für immer bleiben und sei höchstens noch politische Munition für unverbesserliche Revisionisten. Dann kamen im Sommer 2006 über 60.000 Besucher in die Ausstellung „Erzwungene Wege – Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts“ und die Perspektive änderte sich schlagartig. Denn erstmals das Schicksal von Ostpreußen, Schlesiern, Sudetendeutschen und Donauschwaben, dass diese zwischen 1944 und 1948 erleiden mussten, Teil einer Geschichte der europäischen Barbarei, der Konsequenz aus Nationalismus, Rassenwahn und Klassenkampf.

In der Wanderausstellung, die auf 68 Tafeln beginnend bei den türkischen Verbrechen an Armeniern und Griechen, über die Verfolgungen kommunistischer wie faschistischer Diktaturen bis hin zu den sogenannten „ethnischen Säuberungen“ in den jugoslawischen Bürgerkriegen diese Opfergeschichte aufzeigt, ist das Schicksal der deutschen Vertriebenen ein Teil dieser dunklen Zeit, als Europa totalitären Ideologien verfiel. „Es wird deutlich, wie barbarisch mit Völkern umgegangen wurde,“ sagte Erika Steinbach, die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), der StZ. Mit ihrer Beharrlichkeit, dieses Thema als Teil einer Identität der Deutschen aktuell zu halten, hat sich Steinbach in der Vergangenheit mehr Feinde als Freunde gemacht. Vor allem bei den östlichen Nachbarn war sie zeitweise zur Persona non Grata geworden. Denn mit der im Jahr 2000 gegründeten Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ setzte sich die CDU-Politkerin dem Verdacht aus, eine Revision der Geschichte zu voranzutreiben, bei der die Deutschen von Tätern zu Opfern werden sollten. Die Intention, mit einer Dauerausstellung einen Ort der Erinnerung an das Schicksal der 12 bis 14 Millionen vertriebenen Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg zu schaffen, geriet in die Mühlen der internationalen Politik und drohte zermahlen zu werden. Erst die aktuelle Ausstellung entschärfte den Konflikt, wurde doch deutlich, dass es Steinbach offenbar um mehr ging. „Vertreibung darf kein Mittel der Politik sein,“ sagt sie denn auch. Die Deutschen seien Opfer ungerechter Gewalt geworden und diese Tatsache dürfe nicht mit dem Hinweis auf eine Kollektivschuld gerechtfertigt werden. Im europäischen Kontext seien die Vertriebenen solidarisch mit allen Opfern ähnlicher Gewaltausbrüche. An diese Solidarität erinnerte auch Bürgermeister Schairer in seinem Grußwort zur Eröffnung. Er erhoffe sich durch die neue Auseinanderstzung mit der eigenen Vergangenheit eine neue Empathie gegenüber Flüchtlingen, woher auch sie kommen, wie man es zuletzt bei den Opfern der Jugoslawienkriege erlebt habe.

Dass die Landeshauptstadt einen besonderen Bezug zum Thema hat, machten alle Redner klar. Besonders engagiert Heribert Rech, der Innenminister des Landes. Er erinnerte an die Charta der Heimatvertriebenen, in der im August 1950 auf dem zerbombten Schlossplatz auf Rache und Vergeltung verzichtet und der Hoffnung auf ein geeintes Europa Ausdruck gegeben wurde. „Das war eine bemerkenswerte Vision und ist fast 60 Jahre später nahezu Wirklichkeit geworden“, sagte Rech. Deshalb gehe es jetzt nicht um die Relativierung deutscher Verbrechen oder einen Revisionismus der Schuldfrage. Es gehe schlicht und einfach um die Anerkennung des Leides vieler Millionen Menschen, die im Europa des vorigen Jahrhunderts – diesem Jahrhundert der Vertriebenen und Gefangenen, wie Heinrich Böll einmal feststellte – Opfer politischer Gewalt wurden. Diesen Menschen und ihren Nachkommen einen Ort zu geben, an dem die persönliche Geschichte Teil des kollektiven Gedächtnisses werden kann, ist der Sinn, des von der Bundesregierung beschlossenen „Sichtbaren Zeichens gegen Flucht und Vertreibung“ in Berlin. Ohne die gestern eröffnete Ausstellung mit ihrer europäischen Perspektive wäre es dazu nicht gekommen.

Die Ausstellung ist geöffnet bis 30. Juni. Eintritt ist frei.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Zeugnisse europäischer Barbarei

Der Schlossplatz wird zum Aktionsraum für Flash-Mob

Am Samstag Abend versetzen Geocaching-Fans mit einer ungewöhnlichen Aktion die Passanten in Erstaunen

Bei Sommerwetter und keiner Wolke weit und breit mit einem aufgespannten Regenschirm fünf Minuten vor dem Königsbau zu verharren – das war die absurde Aufgabe, die sich hiesige Fans des Freizeitsports Geocaching gestellt hatten. Etwa 100 machten mit und lösten bei den Passanten durchweg Heiterkeit aus.

Punkt 19 Uhr gingen die Schirme auf. Etwa 100 in allen Farben und Größen machten am Samstag den Schlossplatz rund um den Pavillon fast zum Ort einer Kunstaktion. Erinnert wurde man ein wenig an das Ehepaar Christo, die bereits einmal eindrucksvoll ganze Landschaften mit tausenden Sonnenschirmen in ein liebliches Ensemble verwandelten. Die Regenschirme in der Stuttgart City wurden allerdings nicht von Künstlern aufgespannt, um ästhetische oder gar politische Botschaften zu kommunizieren, sondern von Mitbürgern, die damit ihrem gemeinsamen Hobby frönten, dem so genannten Geocaching. 

Das basiert auf den Möglichkeiten tragbarer Ortungssysteme. Mit deren Hilfe werden in einer Art Schnitzeljagd tote Briefkästen gesucht, deren geografische Koordinaten im Internet verbreitet werden. Wer eine dieser Boxen findet, trägt sich in ein dort gebunkertes Logbuch ein und hinterlässt einen Gegenstand. Der Reiz dieser Suche resultiert aus dem Umstand, dass diese auf Grund der unscharfen GPS-Systeme manchmal schwierig ist, zu in der Regel außergewöhnlichen Plätzen führt und im Internet protokolliert wird, in diesem Fall bei www.geocaching.com. In dem Angebot sind allein in Baden-Württemberg fast 6.000 Orte verzeichnet, an denen ein Logbuch hinterlegt wurde. Der normale Geocacher wandert also sich ortend durch die Landschaft wie es auch die beiden Wendlinger fast jedes Wochenende tun, die sich in der virtuellen F´Gemeinschaft „border“ und „smallgrisu“ nennen.

Beide sind Anfang 40 und begeisterte Anhänger dieses modernen Freizeitsports. Allein border hat in den letzten fünf Jahren bereits über 3.000 Geocaches aufgesucht. Die als Flashmob-Event im Internet angekündigte Aktion ist allerdings für beide eine absolute Premiere. 

Diese aus den USA stammende Aktionsform – wörtlich „Blitzmenge“ – besteht in einer kurzzeitigen, nur eingeweihten Kreisen bekannten, meist absurden Intervention im öffentlichen Raum. Wie aus dem Nichts versammeln sich Menschen, veranstalten höchstens zehn Minuten lang in der Öffentlichkeit seltsame Dinge und zerstreuen sich dann wieder. Am Samstag Abend bestand die Aufgabe darin, sich unauffällig vor dem Königsbau einzufinden, um 19 Uhr auf Kommando einen Regenschirm aufzuspannen und dann fünf Minuten regungslos zu verharren. „Das hat keine soziale oder künstlerische Botschaft, sondern dient einfach nur dem Spaß in der Gemeinschaft,“ meinte border zu dem Sinn der Aktion. Dem Aufruf waren über 100 Teilnehmer gefolgt, deren Verhalten angesichts des sommerlichen Wetter bei den zahlreichen Passanten auf amüsiertes Unverständnis stieß. Für die feierfreudigen Damen von Andreas Junggesellinnenabschied war es ein willkommener Jux, für das New Yorker Ehepaar Parker, seit kurzem in Stuttgart bei der Army beschäftigt, ein Anlass zum Staunen. So etwa hätten sie noch nie gesehen, meinten sie lächelnd. 

Nach fünf Minuten war alles vorbei, die Schirme schlossen sich wieder. „Das waren die peinlichsten fünf Minuten meines Lebens,“ sagte border danach. Vier Mal sei er von Passanten angesprochen worden und habe sich sogar getraut, deren Fragen mit dem Satz „Es regnet gleich!“ zu beantworten. Seine Mitstreiter versammelten sich anschließend um Organisator Jürgen Räuchle, dem sie ihre Logzettel in einen Einkaufskorb warfen. Diese werden in den nächsten Tagen als Teilnahmebeleg online veröffentlicht. Nach einem letzten Gruppenfoto zogen sich die Geocacher in ein schwäbisches Traditionslokal zurück, um sich bei Bier und Erfrischungsgetränken in aufgeräumter Stimmung über das Erlebte auszutauschen. Denn das war vielleicht der einzige Sinn dieser Aktion: sich durch ein ungewöhnliches Zeichen als Teil einer Gruppe zu definieren, deren Gemeinschaft ansonsten nur im Internet stattfindet.

[Artikel für den Lokalteil der Stuttgarter Zeitung]

Der Schlossplatz wird zum Aktionsraum für Flash-Mob